02.10.2013

Zurechnung einer verdeckten Gewinnausschüttung bei verdeckter Treuhand

Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist einem minderjährigen Gesellschafter einer GmbH nicht zuzurechnen, wenn er aufgrund eines verdeckten Treuhandverhältnisses nicht wirtschaftlicher Eigentümer des von Familienmitgliedern unentgeltlich übertragenen GmbH-Anteils ist.

BFH 6.8.2013, VIII R 10/10
Der Sachverhalt:
Der im Jahr 1993 geborene Kläger war im Streitjahr 1998 fünf Jahre alt. Seine Eltern gründeten mit seiner Großmutter die S-GmbH. Das Stammkapital der Gesellschaft i.H.v. insgesamt 50.000 DM wurde von der Großmutter i.H.v. 20.000 DM und von den Eltern i.H.v. jeweils 15.000 DM übernommen. Der Vater des Klägers veräußerte seine Beteiligung an der GmbH i.G. an einen seiner Angestellten.

Dieser übertrug wenig später den GmbH-Anteil an die Großmutter des Klägers. Im Jahr 1996 wurde der Vater zum Geschäftsführer der S-GmbH bestellt. Die Großmutter und Mutter des Klägers übertrugen im Jahr 1998 ihre Geschäftsanteile an der S-GmbH je zur Hälfte im Wege der Schenkung an den Kläger und seinen Bruder. Zur Vollziehung der Schenkung wurde ein Rechtsanwalt der Firmengruppe des Vaters zum Ergänzungspfleger bestellt.

Das Finanzamt stellte bei einer Außenprüfung fest, dass die S-GmbH im Jahr 1998 Fahrzeuge unter dem erzielbaren Marktpreis an die Firma E-GmbH veräußert habe. Gesellschafter der E-GmbH waren die Mutter und Großmutter des Klägers, sodass eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) i.H.v. insgesamt 775.000 DM anzusetzen und dem Kläger und seinem Bruder je hälftig zuzurechnen sei. Die Veranlagungsstelle folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 1998.

Das FG wies die Klage teilweise ab. Es bejahte eine dem Kläger zuzurechnende vGA dem Grunde nach, reduzierte jedoch den Betrag der vGA auf 325.000 DM. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die vGA ist aufgrund eines verdeckten Treuhandverhältnisses nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO nicht dem Kläger zuzurechnen.

Die Zurechnung von Einkünften aus Kapitalvermögen aus einer vGA richtet sich nach § 20 Abs. 2a EStG. Anteilseigner i.S.d. Vorschrift ist derjenige, dem nach § 39 AO die Anteile an der Kapitalgesellschaft zuzurechnen sind. Nach § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen. Eigentümer i.S.d. Regelung ist der zivilrechtliche Eigentümer bzw. Inhaber des Wirtschaftsguts. Abweichend von § 39 Abs. 1 AO bestimmt § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO, dass bei Treuhandverhältnissen die Wirtschaftsgüter dem Treugeber zuzurechnen sind. Diese Vorschrift greift jedoch nur dann ein, wenn im konkreten Einzelfall ein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis besteht. Dies ist vorliegend zu bejahen, sodass die Frage, ob der Kläger nach zivilrechtlichen Grundsätzen wirksam Eigentum an den Anteilen der S-GmbH erworben hat, offenbleiben kann.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Treuhandverhältnis nur dann gegeben, wenn die mit der rechtlichen Eigentümer- bzw. Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht so zu Gunsten des Treugebers eingeschränkt ist, dass das rechtliche Eigentum bzw. die rechtliche Inhaberschaft als "leere Hülle" erscheint. Der Treugeber muss das Treuhandverhältnis beherrschen, und zwar nicht nur nach den mit dem Treuhänder getroffenen Absprachen, sondern auch bei deren tatsächlichem Vollzug. Der Treugeber muss darüber hinaus berechtigt sein, jederzeit die Rückgabe des Treuguts zu verlangen.

Bei Beachtung dieser Grundsätze hält die Würdigung des FG, der GmbH-Anteil sei dem Kläger auch wirtschaftlich zuzurechnen, da kein Treuhandverhältnis vorgelegen habe, revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Der Schluss des FG, es sei bei der Übertragung des Anteils an der S-GmbH auf den Kläger nicht lediglich die formale Einräumung einer Treuhandstellung beabsichtigt gewesen, ist rechtsfehlerhaft, denn er wird nicht von der Aussage des als Zeugen vernommenen Ergänzungspflegers getragen. Nach dessen Angabe hat der Vater Mitglieder seiner Familie und Angestellte als Gesellschafter seiner Firmen eingesetzt, um Gesellschaftsanteile dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen. Allein zu diesem Zweck sei der GmbH-Anteil auf den Kläger übertragen worden. Der Vater habe die Familie beherrscht und jederzeit die Rückübertragung der GmbH-Anteile verlangen können.

Die zivilrechtliche Stellung des geschäftsunfähigen Klägers als Gesellschafter der S-GmbH war danach lediglich eine leere Hülle. Es bestand ein Treuhandverhältnis, das auch vollzogen wurde. Dessen steuerlicher Anerkennung steht die fehlende notarielle Beurkundung der Treuhandabrede schon deshalb nicht entgegen, weil der BGH erst nach dem Streitjahr 1998 in seinem Urteil vom 19.4.1999 (II ZR 365/97) entschieden hat, dass ein Treuhandvertrag über einen GmbH-Geschäftsanteil dem Formzwang des § 15 Abs. 4 GmbHG unterliegt. Der GmbH-Anteil war dem Kläger als Treuhänder danach wirtschaftlich nicht zuzurechnen.

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