02.02.2023

Zweckbetriebsvoraussetzungen beim Verkauf von Hilfsmitteln für Blinde

Der Verkauf von Waren ist grundsätzlich eine typische Handelstätigkeit, die nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs i.S.v. § 68 Nr. 4 AO erfüllt. Der Verkauf von Hilfsmitteln für blinde oder sehbehinderte Menschen über ein Ladengeschäft kann aber ein Zweckbetrieb sein, wenn über eine im Einzelhandel übliche reine Produktberatung hinaus weitere - fürsorgeorientierte - Hilfestellungen gegeben werden.

Kurzbesprechung
BFH v. 17.11.2022 - V R 12/20

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a; MwStSystRL Art. 98 Abs. 1, 2; AO §§ 14, 64, 65, 68 Nr. 4

Die Stpfl. und Klägerin betreibt als gewerblich tätige GbR einen Handel mit Waren und erbringt Dienstleistungen für blinde und sehbehinderte Menschen. Die Klägerin wandte sich in diesem Verfahren in Form der Konkurrentenklage gegen die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf die durch den Beigeladenen - ein eingetragener gemeinnütziger Verein - über ein Ladengeschäft und Internet erbrachten Leistungen. Ebenso wie die Klägerin verkauft der Beigeladene, der als Selbsthilfeorganisation die Interessen von blinden und stark sehbehinderten Menschen vertritt, Hilfsmittel für blinde und sehbehinderte Menschen.

Das FA und auch das Sächsische FG hatten die Umsätze des Beigeladenen gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG als Leistungen einer Körperschaft, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Rahmen eines Zweckbetriebs verfolgt, mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert.

Der BFH entschied nun, dass das FG § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG unzutreffend angewandt habe. Der Verkauf von Waren sei grundsätzlich eine typische Handelstätigkeit, die nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs i.S.v. § 68 Nr. 4 AO erfülle, so der BFH. Der V. Senat befand, dass das FG die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG rechtsfehlerhaft bejaht habe. Demnach erfordert die Steuersatzermäßigung, dass gem. § 64 Abs. 1 AO ein Zweckbetrieb i.S.d. §§ 65 bis 68 AO vorliegen muss, was vorliegend nicht gegeben sei. Nach Auffassung des BFH hat das FG den Umfang der vom Beigeladenen ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit unzutreffend bestimmt, in dem es die unentgeltliche Vorstellung von Hilfsmitteln und deren Gebrauch sowie das unentgeltliche Kursangebot als Teil der im Zweckbetrieb ausgeübten Tätigkeit ansah. Dienten die Verkaufstätigkeiten in ihrer Gesamtrichtung nicht dem steuerbegünstigten Satzungszweck, fehle es auch an einem Zweckbetrieb nach § 65 AO.

Der BFH hob das vorinstanzliche Urteil des Sächsischen FG auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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