Zwischenhändler eingeschmuggelter Zigaretten können neben Schmugglern Schuldner der Tabaksteuer sein
BFH 11.11.2014, VII R 44/11Der Kläger war wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in vier Fällen rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der Kläger habe mehrfach von einer Organisation, die unverzollte und unversteuerte Zigaretten geschmuggelt habe, solche Zigaretten abgenommen, um sie weiterzuverkaufen. Mit Bescheid aus Juli 2010 nahm das Hauptzollamt den Kläger gesamtschuldnerisch mit drei weiteren Schuldnern wegen Tabaksteuer nebst Zinsen in Anspruch.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es war der Ansicht, der Kläger habe, nachdem die Zigaretten in das Steuergebiet verbracht worden seien, diese als Empfänger in Besitz genommen, so dass er nach § 19 S. 2 TabStG Steuerschuldner geworden sei. Mit seiner Revision machte der Kläger geltend, er habe die Zigaretten erst nach Beendigung des Verbringens über die Grenze erhalten. Die in § 19 S. 2 TabStG festgelegte Steuerschuldnerschaft könne sich nicht auf Personen beziehen, die mit dem eigentlichen Einfuhrvorgang keinerlei Verbindung gehabt hätten.
Nachdem der BFH die Sache dem EuGH mit der Frage zum Vorabentscheidung vorgelegt hatte, ob Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 RL 92/12/EWG unbeschadet seines systematischen Zusammenhangs mit Art. 7 Abs. 3 RL 92/12/EWG einer gesetzlichen Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der eine Person, die in einem anderen Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführte verbrauchsteuerpflichtige Waren zu gewerblichen Zwecken in Besitz hält, nicht Steuerschuldner wird, wenn sie die Waren erst nach Beendigung des Vorgangs des Verbringens von einer anderen Person erworben hat, wiesen die Richter die Revision des Klägers zurück.
Gründe:
Der Kläger war durch Inbesitznahme der entgegen § 12 Abs. 1 TabStG aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats in das Steuergebiet verbrachten Zigaretten nach § 19 S. 2 TabStG Schuldner der Tabaksteuer geworden.
Eine Definition des Empfängerbegriffs ist den tabaksteuerrechtlichen Vorschriften nicht zu entnehmen. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist der Begriff des Empfängers jedoch in einem weiteren Wortverständnis dahin zu deuten, dass Empfänger auch derjenige sein kann, der in das Steuergebiet geschmuggelte Tabakwaren, die nach der Beendigung des Vorgangs des Verbringens bzw. Versendens nach Deutschland in hierfür bestimmten Verstecken gelagert worden sind, vom eigentlichen Verbringer oder Versender übernimmt, d.h. von diesem in Empfang nimmt, um sie im Steuergebiet an andere Personen zu veräußern. Denn als Empfänger kann nach allgemeinem Sprachgebrauch jede Person verstanden werden, an die etwas Bestimmtes (Warensendung, Nachrichten, Signale etc.) gerichtet ist bzw. der etwas Bestimmtes übermittelt wird.
Der EuGH hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auf den Streitfall Art. 7 RL 92/12/EWG Anwendung findet und dass danach die Verbrauchsteuer in dem Mitgliedstaat, in dem sich die betreffenden Waren befinden, u.a. von der Person oder dem Wirtschaftbeteiligten geschuldet werden, bei der oder bei dem sie bereitgestellt werden, so dass jeder Besitzer der Waren Schuldner der Verbrauchsteuer ist. Daraus folgte, dass nach den unionsrechtlichen Vorgaben von einer Steuerschuldnerschaft des Klägers auszugehen war, denn bei ihm waren nach Auffassung des EuGH die Zigaretten nach Art. 7 Abs. 2 RL 92/12/EWG mit der Folge bereitgestellt worden, dass er an ihnen zu gewerblichen Zwecken Besitz erlangt hatte. Darüber hinaus war davon auszugehen, dass die Zigaretten nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 RL 92/12/EWG zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten wurden.
Zwar war der vom EuGH gebildete Leitsatz in Bezug auf die Steuerschuldnerschaft von Personen, die nicht die ersten Besitzer der in das Bestimmungsland verbrachten Waren sind, offener formuliert als die entsprechenden Ausführungen in der Begründung des Urteils, doch entnahm der erkennende Senat der Begründung eine hinreichende Antwort auf die Vorlagefrage i.d.S., dass eine richtlinienkonforme Auslegung des § 19 S. 2 TabStG geboten ist. Damit ist die BGH-Entscheidung vom 2.2.2010 (Az.: 1 StR 635/09) zumindest aus verbrauchsteuerrechtlicher Sicht als überholt anzusehen. Empfänger i.S.d. § 19 S. 2 TabStG kann - wie im Streitfall - auch eine Person sein, die erst nach der Beendigung des Vorgangs des Verbringens aus einem anderen Mitgliedstaat im Steuergebiet Besitz an nicht mit deutschen Steuerzeichen versehenen Zigaretten erlangt hat.
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