20.10.2014

Betrug: Zur Garantenstellung des Rechtsanwaltes vor Abschluss einer Erfolgshonorarvereinbarung

Der § 4a Abs. 2 Nr. 1 RVG begründet kraft Gesetzes eine Garantenstellung des Rechtsanwaltes, der vor Abschluss einer Erfolgshonorarvereinbarung seinen Mandanten über die voraussichtliche gesetzliche Vergütung aufklären muss. Unterlässt er dies, kann er sich gem. § 263 StGB wegen Betruges strafbar machen.

BGH 25.9.2014, 4 StR 586/13
Der Sachverhalt:
Der Angeklagte war als Rechtsanwalt und Notar in einer Kanzlei tätig. Wegen Vermögensverfalls verlor er im Jahr 2008  seine Zulassung als Rechtsanwalt und wurde des Notaramtes enthoben. Danach war er in seiner früheren Kanzlei als "Kooperationspartner" mit dem Zusatz "Assessor jur., Unternehmensberatung" beschäftigt. Anfang August 2010 suchte der G. die Kanzlei wegen einer erbrechtlichen Angelegenheit auf. Der Vater des 54-jährigen war in der Schweiz verstorben; der Wert des Nachlasses betrug rund 800.000 €. Der Vater hatte im Testament zwar seinen Bruder als Alleinerben eingesetzt. Der das Mandat bearbeitende Angeklagte teilte dem G. jedoch mit, "dass laut Schweizer Erbrecht Kindern eines Verstorbenen 75 % des Erbes zustehen, auch wenn ein Testament vorhanden sei." Daraufhin schlossen beide Seiten eine "Vergütungsvereinbarung". Die Höhe der Vergütung knüpfte "an die Höhe des - noch unbekannten - Erbteilsanspruchs" an.

Der G. empfand die Vergütung zwar als hoch, aber auch als angemessen, zumal er bei erfolglosem Bemühen keine Kosten würde tragen müssen. Er war nicht gewillt, der vom Angeklagten dargestellten Alternative einer Abrechnung mit einem Stundensatz von 400 € nebst Vorschusszahlung näher zu treten. Der Angeklagte klärte G. "über den Umstand, dass Rechtsanwälte von Gesetzes wegen ihre Vergütung anhand des sog. Gegenstandswertes berechnen und hiernach gegebenenfalls eine erheblich geringere Vergütung abzurechnen gewesen wäre", nicht auf. In der Folge erreichte der Angeklagte aufgrund eines Vergleichs die Auszahlung von rund 493.000 € aus dem Nachlass. Hiervon brachte er in der Kostenberechnung, die er mit "Ass. Jur." unterschrieben hatte, 82.223 € in Abzug. G. ging davon aus, dass der Angeklagte noch Rechtsanwalt war.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten wegen dieser Sache zur Last gelegt, sich wegen Betruges gem. § 263 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 u. 2 Nr. 2 StGB, in Tateinheit mit Wucher nach § 291 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB, strafbar gemacht zu haben. Das LG sprach ihn "aus tatsächlichen Gründen" frei. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob der BGH das Urteil auf und wies die Sache zu erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Gründe:
Mit Recht hatte das LG zwar die Straftat des Wuchers nach § 291 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB verneint. Denn nach den bisher getroffenen Feststellungen lag die im Gesetz beschriebene sog. Opferlage nicht vor. Allerdings hielt das Urteil rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das LG eine Strafbarkeit wegen Betruges gem. § 263 StGB verneint hat. Denn nach den bisher getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte den G. bei der Vereinbarung des Erfolgshonorars durch Unterlassen getäuscht.

Begehen durch Unterlassen ist nach § 13 Abs. 1 StGB nur dann strafbar, wenn der Täter rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht. Die Gleichstellung des Unterlassens mit dem aktiven Tun setzt deshalb voraus, dass der Täter als "Garant" für die Abwendung des Erfolgs einzustehen hat. Entgegen der Auffassung des LG war der Angeklagte verpflichtet, dem G. als Mandanten über die im RVG als Regel vorgesehene Abrechnung nach den gesetzlichen Gebühren und Auslagen aufzuklären. Diese Garantenstellung folgte aus dem Gesetz, nämlich aus der Regelung in § 4a Abs. 2 Nr. 1 RVG. Diese Verpflichtung hat der Gesetzgeber dem Rechtsanwalt gerade zum Schutz des Mandanten auferlegt, mit dem jener ein Erfolgshonorar vereinbaren möchte; Allein diese Angabe bietet "einen verlässlichen und transparenten Vergleichsmaßstab für die rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürger".

Der G. war davon ausgegangen, es gebe zu den ihm vom Angeklagten aufgezeigten Möglichkeiten der Abrechnung keine Alternative. Aufgrund dieses Irrtums verfügte er über sein Vermögen, indem er die Honorarvereinbarung abschloss und dadurch einen Anspruch auf eine Rechtsdienstleistung erwarb, die er anderweitig zu einem geringen Bruchteil des vereinbarten Honorars hätte erlangen können. Da der Angeklagte zum Abzug des Erfolgshonorars von der auf sein Konto zu überweisenden Erbschaft berechtigt war, lag zumindest eine schadensgleiche Vermögensgefährdung vor. Der Umstand, dass G. mit der aufgrund der Honorarvereinbarung erbrachten Leistung des Angeklagten zufrieden war, stellte entgegen der Meinung des LG die Kausalität "zwischen einer etwaigen Täuschungshandlung und einer Vermögensverfügung bzw. einem Vermögensschaden" nicht infrage. Auf den Abschluss dieser Honorarvereinbarung, auf den er, wie er wusste, keinen Anspruch hatte, kam es dem Angeklagten gerade an.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück