Keine Erkundigungspflicht des Beifahrers nach Fahrerwechsel
OLG Hamm 18.6.2014, 1 RBs 89/14Der heute 38-jährige Betroffene war im September 2013 in dem von seiner Ehefrau gesteuerten Pkw als Beifahrer unterwegs. Auf dem Rücksitz befand sich das Kind der Eheleute. Auf einem Parkplatz in der Nähe der Gaststätte "Haus am See" an der Finnentroper Straße übernahm der Betroffene das Steuer, damit seine Frau das Kind beruhigen konnte. Ungeachtet eines zuvor angeordneten Überholverbotes überholte der Betroffene sodann einen weiteren Pkw.
Infolgedessen verurteilte das AG den Betroffenen wegen fahrlässiger Nichtbeachtung des Überholverbotes zu einer Geldbuße von 87,50 €. Es war der Ansicht, der Betroffene habe sich bei Fahrtantritt bei seiner Ehefrau nach den geltenden Verkehrsregelungen erkundigen müssen, so dass ihm beim Außerachtlassen des angeordneten Überholverbots fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen sei.
Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hob das OLG das angefochtene Urteil auf und wies den Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG zurück.
Die Gründe:
Die bisher getroffenen Feststellungen der Vorinstanz tragen nicht die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Missachtung des Überholverbotes.
Der Betroffene musste als Bei- oder Mitfahrer in dem von seiner Ehefrau gesteuerten Fahrzeug nicht auf die Verkehrszeichen achten, da er zu diesem Zeitpunkt kein Verkehrsteilnehmer war. Ein besonders gelagerter Fall, bei dem etwa ein Fahrzeughalter als Beifahrer sein Fahrzeug einer fahruntüchtigen Person überlassen hat und deswegen auch für dessen Fahrweise mitverantwortlich ist, lag hier nicht vor.
Zum Zeitpunkt des Fahrerwechsels war das Überholverbotsschild für den Betroffenen als Fahrer nicht mehr sichtbar. Er musste sich diesbezüglich auch nicht bei seiner Ehefrau nach etwaig bestehenden besonderen Verkehrsregelungen erkundigen. Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage. Denn würde man eine solche verlangen, gebe es keine Gewähr für die Richtigkeit einer erhaltenen Auskunft. Ohne eine zumindest hinreichende Gewähr für eine weit gehende Richtigkeit der erteilten Auskunft liefe jedoch letztlich auch die Annahme einer Erkundigungspflicht ins Leere und würde gegebenenfalls sogar durch eine auch im Fall unrichtiger Auskunft eintretende Exkulpation des neuen Fahrzeugführers im Hinblick auf den zu Grunde liegenden Sinn einer gewünschten gesteigerten Aufmerksamkeit in ihr Gegenteil verkehrt.
Für eine entsprechende Verpflichtung des neuen Fahrzeugführers zur Erkundigung über verkehrsbeschränkende Regelungen sprach auch nicht die ausdrücklich normierte gesetzliche Verpflichtung, sich vor Antritt einer jeden Fahrt über den ordnungsgemäßen Zustand des Fahrzeugs zu versichern, die nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 23 StVO auch im Fall eines Fahrerwechsels besteht, und zwar unabhängig davon, dass diese Verpflichtung bei lebenspraktischer Betrachtung in derartigen Fällen vermutlich nur selten eingehalten wird.
Das AG muss im anschließenden Verfahren den Sachverhalt weiter aufklären. Auch wenn der Betroffene die das Überholverbot anordnende Beschilderung vor seinem Fahrtantritt am Tag der Tat nicht zur Kenntnis genommen hatte, könnte es möglich sein, dass er sie hätte kennen müsse, weil er die Straße zuvor schon häufiger oder gar regelmäßig befahren hat. Außerdem muss geklärt werden, ob die örtlichen Gegebenheiten das Vorhandensein eines durch Beschilderung angeordneten Überholverbots besonders nahe gelegt haben. Denn auch hieraus könnte sich ein fahrlässiges Verhalten des Betroffenen ergeben.
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