28.04.2014

Abberufung eines Vorstandsmitgliedes der Commerzbank nichtig

Der Widerruf der Bestellung eines Vorstandsmitgliedes einer AG (hier: der Commerzbank) setzt das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus. Der geplante erhebliche Personalabbau sowie eine Verschlankung des Vorstandes und eine Umstrukturierung der Geschäftsfelder stellen für sich genommen noch keinen wichtigen Grund dar; vielmehr muss dargelegt werden, dass die Belassung im Vorstandsamt zu schweren wirtschaftlichen Nachteilen für die AG führen könnte oder dass es ihr aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist.

LG Frankfurt a.M. 22.4.2014, 3-05 O 8/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger war seit Juni 2006 als Vorstandsmitglied der beklagten Commerzbank AG, zuletzt zu einem Bruttomonatsgehalt von ca. 100.000 € tätig. Die Beklagte plant einen erheblichen Personalabbau. Von den ca. 30.000 Vollzeitstellen in Deutschland sollen bis Ende 2016 knapp 3000 Stellen abgebaut werden. Der Vorstand der Beklagten bestand aus neun Personen, sollte aber um zwei Posten gekürzt werden. Es war u.a. auch die Abberufung des Klägers geplant, dessen ursprüngliche Bestellung als Vorstandsmitglied bis 31.5.2017 laufen sollte. In der Folgezeit kam es zu mehreren Gesprächen zwischen den Parteien über die Aufhebung des Vorstandsamtes des Klägers, die ergebnislos blieben.

In der Aufsichtsratssitzung vom 6.11.2013 endete die Abstimmung unter Berücksichtigung des Zweitstimmrechts des Aufsichtsratsvorsitzenden mit 11 Ja gegen 10 Nein-Stimmen für die Abberufung des Klägers. Der Aufsichtsratsvorsitzende stellte daraufhin fest, dass aufgrund seines Zweitstimmrechts die Abberufung des Klägers wirksam beschlossen worden sei und verkündete den Beschluss. Im Anschluss daran überreichte der Aufsichtsratsvorsitzende dem Kläger während einer kurzen Sitzungsunterbrechung ein Schreiben, indem dem Kläger der Widerruf seiner Bestellung zum Mitglied des Vorstandes mitgeteilt wurde und der Aufsichtsrat beschlossen habe, den Kläger vom 15.11.2013 an von der Verpflichtung zur Tätigkeit für die Bank freizustellen.

Der Kläger war der Auffassung, dass die Abberufung rechtswidrig erfolgt sei. Die Abberufung sei formal unwirksam, grob willkürlich und verstoße gegen Treu und Glauben. Schließlich liege kein wichtiger Grund vor. Er klagte gegen den Aufsichtsratsbeschluss. Das LG gab der Klage statt. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig und kann mit der Berufung zum OLG Frankfurt a.M. angegriffen werden.

Die Gründe:
Auf den Antrag des Klägers war die Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschluss über die Abberufung des Klägers aus dem Vorstand der Beklagten vom 6.11.2013 festzustellen, woraus sich die Unwirksamkeit der Abberufung ergab.

Die Beklagte war nicht gem. § 84 Abs. 3 AktG zum Widerruf der Bestellung berechtigt. Der Widerruf der Bestellung setzt das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus. Es soll nämlich die Möglichkeit ausgeschlossen werden, dem Vorstand mit der Drohung der freien Abberufung die Unternehmensleitung "aus den Händen winden" zu können. Ein solcher wichtiger Grund kann zwar auch vorliegen, wenn die Belassung eines Vorstandsmitgliedes im Vorstand zu schweren wirtschaftlichen Nachteilen für die Gesellschaft führt. Allein das allgemein ein erheblicher Personalabbau bei der Beklagten und eine Verschlankung des Vorstandes sowie eine Umstrukturierung der Geschäftsfelder erfolgen sollte, rechtfertigte jedoch nicht die Abberufung des Klägers aus wichtigem Grund. Die Beklagte hatte nicht dargelegt, dass die Belassung des Klägers im Vorstandsamt zu schweren wirtschaftlichen Nachteilen für sie führt, geschweige denn aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar wäre.

Der Antrag des Klägers auf unmittelbare Weiterbeschäftigung war allerdings abzuweisen. Diesem Anspruch stand entgegen, dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut des  § 84 Ab. 3 S. 4 AktG der Widerruf der der Bestellung zum Vorstand wirksam ist, bis seine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt ist. Nur  die rechtskräftige Feststellung der Unwirksamkeit führt zum Wiederaufleben des Organverhältnisses. Die Organstellung des Abberufenen endet damit zunächst mit Zugang der Widerrufserklärung oder Eintritt des für das Wirksamwerden des Widerrufs festgelegten Zeitpunkts, auch wenn ein wichtiger Grund nicht vorgelegen haben sollte und erst mit Rechtskraft der Entscheidung über die Unwirksamkeit, bzw. Nichtigkeit der Abberufung rückt der Abberufene ohne weiteres wieder in seine Position als Vorstandsmitglied ein. Der geltend gemachte Beschäftigungsanspruch des Klägers und damit auch dessen Fälligkeit besteht daher erst mit rechtskräftiger Feststellung über eine Unwirksamkeit  der Abberufung.

LG Frankfurt a.M. PM v. 24.4.2014
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