23.02.2021

Anfechtung des Beschlusses einer GmbH-Gesellschafterversammlung durch früheren Inhaber eines Geschäftsanteils

Der Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses durch einen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht mehr als Inhaber eines Geschäftsanteils eingetragenen Gesellschafter einer GmbH steht grundsätzlich die negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entgegen. Fehlt dem Kläger die Anfechtungsbefugnis, weil er nicht als Inhaber eines Geschäftsanteils in der Gesellschafterliste eingetragen ist, fehlt ihm auch die materielle Berechtigung zur Geltendmachung von auf positive Beschlussfeststellung gerichteten Klageanträgen. Die Anfechtung des Beschlusses der Gesellschafterversammlung einer GmbH kann analog § 244 Satz 1 AktG nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die Gesellschafterversammlung den anfechtbaren Beschluss durch einen neuen Beschluss bestätigt hat und dieser Beschluss nicht fristgerecht angefochten oder die Anfechtung rechtskräftig zurückgewiesen worden ist.

BGH v. 26.1.2021 - II ZR 391/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger sowie E und B waren Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten, die früher unter dem Namen P-GmbH firmierte. Im März 2007 befreiten die Gesellschafter den Kläger u.a. für seine Einzelfirma "B. R." von dem gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbot, soweit Tätigkeiten, welche "B. R." betrafen, nicht in Konkurrenz zur Beklagten standen. Im Juli 2014 warfen seine Mitgesellschafter dem Kläger vor, er betreibe unerlaubte Konkurrenztätigkeiten. Am 10.7.2014 forderte E den Kläger auf, die Räume der Beklagten zu verlassen. Das geschah am 11.7.2014. Am 10.10.2014, 25.8.2015, 14.3.2016, 19.4.2016 und 25.5.2016 wurden Gesellschafterversammlungen der Beklagten abgehalten, in denen die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers, dessen Abberufung als Geschäftsführer, die fristlose Kündigung von dessen Geschäftsführerdienstvertrag und die Ermächtigung zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Kläger beschlossen bzw. entsprechende Beschlüsse wiederholt oder bestätigt wurden.

Auf der Gesellschafterversammlung vom 14.3.2016 wurden zudem Beschlussvorschläge des Klägers, wonach seine beiden Mitgesellschafter als Geschäftsführer abberufen, deren Geschäftsanteile eingezogen und Schadensersatzansprüche wegen der Kündigung des Markennutzungsvertrags am 29.7.2015 gegen diese geltend gemacht werden sollten, abgelehnt. Am 24.10.2014 erstellte die Beklagte eine Gesellschafterliste. In dieser waren die Namen der drei Gründungsgesellschafter sowie der jeweils zugeordnete Geschäftsanteil mit den Nummern 1 bis 3 im Nennwert von 8.350 € durchgestrichen. Neu eingetragen mit B und E als Inhaber waren die Geschäftsanteile mit den laufenden Nummern 1 und 2 mit einem Nennbetrag von je 12.525 €. In der Veränderungsspalte befand sich der Vermerk, "Aufstockung durch Einziehung lfd. Nr. 3". Die Liste wurde vor dem 25.8.2015 in den Registerordner eingestellt.

Der Kläger erhob gegen die ihm nachteiligen Beschlussfassungen Nichtigkeitsfeststellungs- und Anfechtungsklagen und wegen der Ablehnung seiner Beschlussvorschläge zur Gesellschafterversammlung vom 14.3.2016 positive Beschlussfeststellungsklage. Zudem verlangte der Kläger die Zahlung von ausstehendem Geschäftsführergehalt, nachdem diese im August 2014 eingestellt worden war.

Das LG gab den insgesamt vier Klagen teilweise statt. Der Kläger und die Beklagte legten hiergegen Berufungen ein. Das OLG hat die Verfahren nach Eingang der Berufungsbegründungen zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Berufung des Klägers hatte überwiegend Erfolg. Die Berufung der Beklagten wies das OLG zurück. Die Revision der Beklagten hatte teilweise Erfolg.

Die Gründe:
Die Revision der Beklagten hat Erfolg, soweit nicht die Anfechtung der Beschlüsse über die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers betroffen ist. 

Die Ausführungen des OLG halten der rechtlichen Nachprüfung nur stand, soweit sie Beschlüsse über die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers bzw. die Bestätigung dieser Beschlüsse betreffen. Im Übrigen scheitert eine inhaltliche Überprüfung der angefochtenen Gesellschafterbeschlüsse daran, dass dem Kläger die Anfechtungsbefugnis fehlt, weil er bereits vor der Gesellschafterversammlung vom 25.8.2015 nicht mehr als Inhaber eines Geschäftsanteils in der Gesellschafterliste der Beklagten eingetragen war. Soweit es die Beschlüsse vom 10.10.2014 über die Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags des Klägers und über die Ermächtigung zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Kläger betrifft, wurden diese in der Gesellschafterversammlung vom 14.3.2016 bestandskräftig bestätigt, weil dem Kläger auch hinsichtlich dieser Bestätigungsbeschlüsse die Anfechtungsbefugnis fehlt. Da dem Kläger die Anfechtungsbefugnis fehlt, fehlt ihm auch die materielle Berechtigung zur Geltendmachung von auf positive Beschlussfeststellung gerichteten Klageanträgen, so dass die Revision gegen die Stattgabe dieser Anträge durch das OLG ebenfalls Erfolg hat.

Die Revision hat u.a. Erfolg, soweit das OLG den Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 14.3.2016 zu Tagesordnungspunkt 1 mit dem Inhalt "die Gesellschafterbeschlüsse vom 10.10.2014 zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 4 sind mit 2:1 Stimmen wirksam bestätigt" für nichtig erklärt hat, soweit der Beschluss nicht die Bestätigung der Entscheidung über die Abberufung des Klägers (Tagesordnungspunkt 1) zum Gegenstand hat, und führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils. Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage ist unbegründet, weil ihm die Anfechtungsbefugnis als materiell-rechtliche Voraussetzung der gesellschaftsrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage fehlt. Der Kläger ist ungeachtet seiner materiell-rechtlichen Gesellschafterstellung zur Erhebung der Anfechtungsklage nicht befugt, weil er im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht mehr als Inhaber eines Geschäftsanteils in der Gesellschafterliste der Beklagten eingetragen war. Der Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses durch einen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht mehr als Inhaber eines Geschäftsanteils eingetragenen Gesellschafters einer GmbH steht grundsätzlich die negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entgegen.

Die Revision hat ebenfalls Erfolg, soweit sie sich gegen die Nichtigerklärung der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 10.10.2014 zu Tagesordnungspunkt 2, die Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags mit dem Kläger betreffend, und zu Tagesordnungspunkt 4, die Ermächtigung zur Geltendmachung von Ersatz- und Vertragsstrafenansprüchen gegen den Kläger betreffend, richtet, und führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils. Die Anfechtung kann nicht mehr geltend gemacht werden, weil die Bestätigung dieser Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung vom 14.3.2016 mit der Senatsentscheidung bestandskräftig wird, da die vom Kläger insoweit erhobene Anfechtungsklage wegen fehlender Anfechtungsbefugnis zurückgewiesen werden muss. Die Anfechtung des Beschlusses der Gesellschafterversammlung einer GmbH kann analog § 244 Satz 1 AktG nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die Gesellschafterversammlung den anfechtbaren Beschluss durch einen neuen Beschluss bestätigt hat und dieser Beschluss nicht fristgerecht angefochten oder die Anfechtung rechtskräftig zurückgewiesen worden ist.

Die Revision hat schließlich auch Erfolg, soweit das OLG die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 14.3.2016 zu Tagesordnungspunkt 3 (Ablehnung des Antrags auf Abberufung von Frau B als Geschäftsführerin), zu Tagesordnungspunkt 4 (Ablehnung des Antrags auf Abberufung von Herrn E als Geschäftsführer), zu Tagesordnungspunkt 5 (Ablehnung des Antrags auf Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags von Frau B), zu Tagesordnungspunkt 6 (Ablehnung des Antrags auf Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags von Herrn E), zu Tagesordnungspunkt 7 (Ablehnung des Antrags auf Einziehung des Geschäftsanteils von Frau B), zu Tagesordnungspunkt 8 (Ablehnung des Antrags auf Einziehung des Geschäftsanteils von Herrn E), zu Tagesordnungspunkt 9 (Ablehnung des Antrags, Schadensersatzansprüche gegen Frau B geltend zu machen) und zu Tagesordnungspunkt 10 (Ablehnung des Antrags, Schadensersatzansprüche gegen Herrn E geltend zu machen) für nichtig erklärt hat und festgestellt hat, dass die Gesellschafterversammlung der Beklagten die zu den Tagesordnungspunkten 3, 4, 5, 6, 9 und 10 beantragten Beschlüsse gefasst hat.

Der Kläger ist nicht anfechtungsbefugt, weil er im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht mehr als Inhaber eines Geschäftsanteils in der Gesellschafterliste der Beklagten eingetragen war. Fehlt dem Kläger, wie vorliegend, die Anfechtungsbefugnis, weil er nicht als Inhaber eines Geschäftsanteils in der Gesellschafterliste der Beklagten eingetragen ist, fehlt ihm auch die materielle Berechtigung zur Geltendmachung von auf positive Beschlussfeststellung gerichteten Klageanträgen. Die Revision führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des LG durch Zurückweisung der Berufung des Klägers.
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