01.09.2021

Anordnung von Vorschuss auf Vergütung eines Gläubigerausschuss-Mitglieds ist insolvenzgerichtliche Erlaubnis

Die Anordnung eines Vorschusses auf die Vergütung des Mitglieds des Gläubigerausschusses stellt keine vollstreckungsfähige Entscheidung dar. Es handelt sich vielmehr lediglich um eine insolvenzgerichtliche Erlaubnis, die im Wege der Aufsicht durch das Insolvenzgericht durchzusetzen ist.

BGH v. 22.7.2021 - IX ZB 47/19
Der Sachverhalt:
Der Schuldner des Vollstreckungsverfahrens (im Folgenden: Insolvenzverwalter) ist Verwalter in dem am 1.8.2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der P-GmbH. Der Gläubiger des Vollstreckungsverfahrens war im vorläufigen Insolvenzverfahren Mitglied des dort gebildeten Gläubigerausschusses. Im eröffneten Insolvenzverfahren wurde er nicht mehr zum Mitglied des endgültigen Gläubigerausschusses bestellt.

Für seine Tätigkeit als Gläubigerausschussmitglied im vorläufigen Insolvenzverfahren beantragte der Gläubiger einen Vorschuss auf die zu erwartende Vergütung, den das Insolvenzgericht durch Beschluss vom 23.11.2016 auf rd. 74.000 € brutto festsetzte. Aufgrund dieses Beschlusses erwirkte er am 26.4.2018 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bzgl. des vom Insolvenzverwalter für die Masse geführten Bankkontos.

Mit Beschluss vom 27.4.2018 stellte das AG - Vollstreckungsgericht - auf Antrag des Schuldners die Vollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss einstweilen ein. Auf Antrag des Gläubigers hob das AG - Vollstreckungsgericht - am 24.7.2018 seinen Einstellungsbeschluss wieder auf. Der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde des Schuldners half das AG - Insolvenzgericht -, an welches das Verfahren zwischenzeitlich zuständigkeitshalber abgegeben worden war, nicht ab. Das LG wies die sofortige Beschwerde zurück.

Auf die Rechtsmittel des Schuldners hob der BGH den Beschluss des LG und den Beschluss des AG vom 24.7.2018 auf.

Die Gründe:
Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 26.4.2018 war nichtig und deshalb ohne rechtliche Wirkung. Die angefochtenen Beschlüsse, welche die Wirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses voraussetzen, können daher keinen Bestand haben.

Die Nichtigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses folgt nicht bereits daraus, dass die Vorschussanordnung des Insolvenzgerichts vom 23.11.2016, mit der die Auszahlung eines Vergütungsvorschusses an den Gläubiger i.H.v. 3 % der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters bewilligt wurde, wegen Sittenwidrigkeit nichtig gewesen wäre. Die Nichtigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses folgt aber daraus, dass es an einem geeigneten Titel fehlt. Die Vorschussanordnung entsprechend § 9 InsVV stellt keine vollstreckungsfähige Entscheidung dar, sondern lediglich eine insolvenzgerichtliche Erlaubnis, die im Wege der Aufsicht nach § 58 InsO durchzusetzen ist.

Auch wenn es sich bei der Vorschussanordnung nicht um einen Vollstreckungstitel handelt, wird ein Gläubigerausschussmitglied, zu dessen Gunsten eine Vorschussanordnung getroffen worden ist, nicht rechtlos gestellt, wenn sich der Insolvenzverwalter wie hier weigert, den Vorschuss auszuzahlen. Anders als der Insolvenzverwalter kann das Gläubigerausschussmitglied mangels Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis den vom Insolvenzgericht bewilligten Vorschuss nicht ohne weiteres aus der Insolvenzmasse in sein eigenes Vermögen überführen. Ihm bleibt aber die Möglichkeit, beim Insolvenzgericht auf eine Durchsetzung des Vorschusses im Rahmen der Aufsicht nach § 58 InsO hinzuwirken.

Der Senat hat bereits entschieden, dass die Bewilligung des Vorschusses zugunsten des Insolvenzverwalters nach § 9 InsVV im Rahmen der Aufsicht des Insolvenzgerichts gem. § 58 InsO getroffen wird. Ebenso wie die Aufsicht des Insolvenzgerichts die Entnahme des Vorschusses des Verwalters zu seinen eigenen Gunsten erfasst, erstreckt sie sich auch auf die Entnahme von Vorschüssen zugunsten weiterer Vorschussberechtigter. Der Verwalter wird vom Insolvenzgericht im Sinne einer insolvenzrechtlichen Erlaubnis ermächtigt, den Vorschuss aus der Insolvenzmasse zu entnehmen und zur Auszahlung zu bringen.

Anders als der Wortlaut der Regelung in § 9 Satz 1 InsVV vermuten lässt, wonach der Insolvenzverwalter den Vorschuss aus der Insolvenzmasse entnehmen "kann", steht dem Verwalter jedenfalls bei der insolvenzgerichtlichen Vorschussanordnung zugunsten des Gläubigerausschussmitglieds kein Ermessen zu. Die Entscheidung über die Bewilligung eines Vorschusses steht vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzgerichts. Neben den in § 9 Satz 2 InsVV genannten Gründen, die in der Regel die Bewilligung eines Vorschusses erfordern, kann das Insolvenzgericht auch berücksichtigen, ob und inwieweit eine ggf. während des Insolvenzverfahrens angezeigte Masseunzulänglichkeit oder Massearmut der Bewilligung eines Vorschusses entgegensteht.

Im Übrigen bleibt dem Gläubigerausschussmitglied die Möglichkeit, den Insolvenzverwalter nach § 60 Abs. 1 InsO auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, wenn dieser die Auszahlung des vom Insolvenzgericht bewilligten Vorschusses an das Gläubigerausschussmitglied schuldhaft verzögert und dadurch die Befriedigungsreihenfolge nach § 207 Abs. 3 Satz 1 InsO verletzt hat.
BGH online
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