19.08.2020

Anwendungsbereichs des KapMuG nicht eröffnet: Beschluss des Prozessgerichts zur Unzulässigkeit des Musterverfahrensantrags unanfechtbar

Der Beschluss des Prozessgerichts, der einen Musterverfahrensantrag als unzulässig verwirft, weil der Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes nicht eröffnet sei, ist gem. § 3 Abs. 1 KapMuG unanfechtbar.

BGH v. 30.7.2020 - III ZB 47/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger verlangt von der Beklagten als Mittelverwendungskontrolleurin Schadensersatz unter dem Vorwurf der Verletzung von (vor-)vertraglichen Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einer Beteiligung an der M-GmbH & Co. KG, einem geschlossenen Investitionsfonds für Schiffsbeteiligungen. Der Fondsvertrieb erfolgte auf der Grundlage eines Anlageprospekts. In seinem Klageschriftsatz brachte der Kläger zugleich einen Musterverfahrensantrag nach dem KapMuG an und benannte Feststellungsziele, die er in nachfolgenden Schriftsätzen erweiterte.

Das LG verwarf den Musterverfahrensantrag als unzulässig und führte zur Begründung aus, es fehle an einer "Verwendung" des Anlageprospekts durch die Beklagte, so dass der Anwendungsbereich des KapMuG nicht eröffnet sei. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers verwarf das OLG unter Hinweis darauf, dass der Beschluss des LG gem. § 3 Abs. 1 KapMuG unanfechtbar sei, als unzulässig. Die Rechtsbeschwerde des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Gem. § 3 Abs. 1 KapMuG ist die Anfechtung des Beschlusses, der den Musterverfahrensantrag als unzulässig verwirft, ausgeschlossen. Die vom OLG ausgesprochene Zulassung der Rechtsbeschwerde entfaltet keine Bindung für das Rechtsbeschwerdegericht.

Durch die Zulassung wird dem Beschwerdeführer die Rechtsbeschwerde nur zugänglich gemacht, wenn sie nach dem Gesetz grundsätzlich eröffnet ist, nicht aber in den Fällen, in denen die Anfechtbarkeit gesetzlich ausgeschlossen ist. Die Bindungswirkung der Rechtsmittelzulassung umfasst bei der Rechtsbeschwerde nur die in § 574 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 574 Abs. 2 ZPO genannten Zulassungsvoraussetzungen. Sie kann hingegen nicht dazu führen, dass ein gesetzlich nicht vorgesehener Instanzenzug eröffnet wird. Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung kann daher nicht durch den Ausspruch eines Gerichts der Anfechtung unterworfen werden.

So liegt es auch hier. Der Verwerfungsbeschluss des LG ist gem. § 3 Abs. 1 KapMuG unanfechtbar, so dass auch die Rechtsbeschwerde von vornherein nicht eröffnet ist. Zu Recht hat das OLG die sofortige Beschwerde des Klägers mangels Statthaftigkeit als unzulässig verworfen. Im Ansatz zutreffend weist die Rechtsbeschwerde zwar darauf hin, dass die fehlende Anwendbarkeit des KapMuG (§ 1 KapMuG) im Katalog der Unzulässigkeitsgründe des § 3 Abs. 1 KapMuG nicht ausdrücklich mit aufgeführt ist. Allerdings enthält der Wortlaut von § 3 Abs. 1 KapMuG nicht alle Gründe, die zur Verwerfung des Musterverfahrensantrags führen. Es versteht sich von selbst und ist allgemein anerkannt, dass die Zulässigkeit des Musterverfahrensantrags auch voraussetzt, dass der Anwendungsbereich des KapMuG eröffnet ist. Grund-lage für die Verwerfung des Musterverfahrensantrags als unzulässig ist auch in diesem Falle § 3 Abs. 1 KapMuG.

Die Anwendung von § 3 Abs. 1 KapMuG auf die vorliegende Fallgestaltung entspricht der erklärten Regelungsabsicht des Gesetzgebers. Danach hat das Gericht zunächst festzustellen, ob der Musterverfahrensantrag statthaft ist, die allgemeinen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind und ob er nach § 3 Abs. 1 KapMuG zulässig ist; soweit er unzulässig ist, wird er verworfen. Da § 3 KapMuG die gesamten Entscheidungsmöglichkeiten des Gerichts über die Zulässigkeit des Musterverfahrensantrags regeln soll, kann die Verwerfung dieses Antrags in dem Fall, dass der Anwendungsbereich des KapMuG nicht eröffnet ist, allein gem. § 3 Abs. 1 KapMuG erfolgen. Eben dies hat der Gesetzgeber gewollt, im Wortlaut der Norm aber unvollkommen zum Ausdruck gebracht.

Denn durch die Anbringung des Musterverfahrensantrags wird, wie das OLG zutreffend dargelegt hat, jedenfalls in prozessualer Hinsicht der Anwendungsbereich des KapMuG zur Prüfung seiner materiellen Anwendbarkeit eröffnet und ist das Gericht deshalb gehalten, hierüber nach den verfahrensrechtlichen Bestimmungen dieses Gesetzes zu befinden. Dementsprechend ist die Verwerfung des Musterverfahrensantrags wegen Unanwendbarkeit des KapMuG ebenso unanfechtbar wie die Verwerfung des Antrags aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 KapMuG aufgeführten Gründen.
BGH online
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