Außerordentlichen Kündigung einer Kapitalanlage nach grenzüberschreitender Verschmelzung der kapitalsuchenden Gesellschaft
OLG Zweibrücken v. 20.5.2021 - 4 U 34/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger mit Wohnsitz in Deutschland zeichnete im September 2008 bei der in Österreich ansässigen T-AG Genussrechte über 12.000 €. Rechtsnachfolgerin der Emittentin wurde in der Folgezeit zunächst die ebenfalls in Österreich ansässige T-GmbH, welche sodann mit Wirkung ab dem 31.12.2018 grenzüberschreitend auf die im Vereinigten Königreich ansässige Beklagte verschmolzen wurde.
Der Kläger erklärte mit anwaltlichem Schreiben vom 17.6.2019 die außerordentliche Kündigung seiner Genussrechtsbeteiligung und begehrte basierend auf der Mitteilung der Beklagten vom Februar 2019 die Rückzahlung seiner Einlage von 12.000 € sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, insgesamt rd. 12.600 €.
Das LG gab der Klage überwiegend statt. Die Berufung der Beklagten hatte lediglich hinsichtlich der Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten Erfolg. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Das LG hat die Beklagte zu Recht zur Auszahlung des Nominalbetrages der Genussrechtsbeteiligung des Klägers i.H.v. 12.000 € verurteilt. Der Kläger hat seine im September 2008 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten gezeichnete Beteiligung (vinkulierte Namensgenussrechte) mit Anwaltsschreiben vom 17.6.2019 wirksam außerordentlich gekündigt.
Mit Wirksamwerden der grenzüberschreitenden Verschmelzung ging das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft auf die Beklagte als übernehmende Gesellschaft über. Die übernehmende Gesellschaft erwirbt die übertragende Gesellschaft vollständig, ohne dass deren Verpflichtungen erlöschen, wie dies bei einer Liquidation der Fall wäre. Dies führt ohne Novation dazu, dass die übernehmende Gesellschaft hinsichtlich sämtlicher Verträge, die von der übertragenden Gesellschaft geschlossen wurden, als Partei an deren Stelle tritt. Das nationale Recht (hier: der Republik Österreich), das vor der grenzüberschreitenden Verschmelzung auf solche Verträge anzuwenden war, bleibt auch nach der Verschmelzung auf sie anzuwenden.
Da Genussrechte im allgemeinen der Unternehmensfinanzierung dienen, sind sie auf Dauer angelegt und daher Dauerschuldverhältnisse. Als solchen ist ihnen das Recht zu einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund immanent. Dieses Recht kann nicht durch AGB abbedungen werden, wenn das weitere Festhalten am Vertrag für eine Partei unzumutbar ist. Zur Beurteilung, ob eine Lossagung vom Vertrag mit sofortiger Wirkung berechtigt ist, muss im Rahmen einer auf den Zeitpunkt der Beendigungserklärung bezogenen Gesamtbetrachtung das Bestandsinteresse des einen Vertragspartners gegen das Auflösungsinteresse des anderen Teils abgewogen werden. Der Kläger hat seine Genussrechtsbeteiligung im Juni 2019 wirksam außerordentlich gekündigt. Denn ein weiteres Festhalten an dem Vertrag bis zum Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung zum Ablauf des Jahres 2021 war ihm aufgrund des Verhaltens der Beklagten nicht zumutbar.
Das Auflösungsinteresse des Klägers überwiegt eindeutig, da die Beklagte den Fortbestand der ursprünglich vereinbarten Genussrechtsverhältnisse mit den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten klar, bestimmt und eindeutig in Abrede stellte und den Kläger stattdessen auf sog. "B-Anteile" verweisen wollte. Wegen dieses grob vertragspflichtwidrigen Verhaltens war es dem Kläger nicht zumutbar, an der Beteiligung weiter festzuhalten. Der Kläger musste sich - unabhängig von der Frage einer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit - von vornherein nicht auf die ihm von der Beklagten anstelle der Genussrechte einseitig zugeteilten "B-Anteile" verweisen lassen. Soweit die Genussrechtsbeteiligung des Klägers, was zwischen den Parteien unstreitig ist, unter Art. 15 der Dritten Richtlinie 78/855 EWG des Rates fällt, wird hierdurch allein der Inhaber von Sonderrechten berechtigt und nicht deren Emittentin. Deshalb können dem Wertpapierinhaber/Genussrechtsbeteiligten von der übernehmenden Gesellschaft nicht ohne oder gegen seinen Willen ersatzweise andere Rechte aufgedrängt werden.
Gem. § 6 Abs. 4 i.V.m. § 5 der mit dem Kläger vertraglich vereinbarten und nach dem vorstehend Ausgeführten auch für die Beklagte verbindlichen Genussrechtsbedingungen erfolgt die Rückzahlung des Beteiligungskapitals zu 100 Prozent des Nennbetrages abzgl. etwaiger Verlustanteile. Der Nennbetrag der Genussrechtsbeteiligung beläuft sich vorliegend auf 12.000 €. Im Übrigen hat der Kläger keinen Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen. Da die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers, welche mit Schreiben vom 17.6.2019 die außerordentliche Kündigung ausgesprochen haben, vor Fälligkeit der verfolgten Hauptforderung erfolgte, besteht ein entsprechender Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus nicht.
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Der Kläger mit Wohnsitz in Deutschland zeichnete im September 2008 bei der in Österreich ansässigen T-AG Genussrechte über 12.000 €. Rechtsnachfolgerin der Emittentin wurde in der Folgezeit zunächst die ebenfalls in Österreich ansässige T-GmbH, welche sodann mit Wirkung ab dem 31.12.2018 grenzüberschreitend auf die im Vereinigten Königreich ansässige Beklagte verschmolzen wurde.
Der Kläger erklärte mit anwaltlichem Schreiben vom 17.6.2019 die außerordentliche Kündigung seiner Genussrechtsbeteiligung und begehrte basierend auf der Mitteilung der Beklagten vom Februar 2019 die Rückzahlung seiner Einlage von 12.000 € sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, insgesamt rd. 12.600 €.
Das LG gab der Klage überwiegend statt. Die Berufung der Beklagten hatte lediglich hinsichtlich der Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten Erfolg. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Das LG hat die Beklagte zu Recht zur Auszahlung des Nominalbetrages der Genussrechtsbeteiligung des Klägers i.H.v. 12.000 € verurteilt. Der Kläger hat seine im September 2008 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten gezeichnete Beteiligung (vinkulierte Namensgenussrechte) mit Anwaltsschreiben vom 17.6.2019 wirksam außerordentlich gekündigt.
Mit Wirksamwerden der grenzüberschreitenden Verschmelzung ging das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft auf die Beklagte als übernehmende Gesellschaft über. Die übernehmende Gesellschaft erwirbt die übertragende Gesellschaft vollständig, ohne dass deren Verpflichtungen erlöschen, wie dies bei einer Liquidation der Fall wäre. Dies führt ohne Novation dazu, dass die übernehmende Gesellschaft hinsichtlich sämtlicher Verträge, die von der übertragenden Gesellschaft geschlossen wurden, als Partei an deren Stelle tritt. Das nationale Recht (hier: der Republik Österreich), das vor der grenzüberschreitenden Verschmelzung auf solche Verträge anzuwenden war, bleibt auch nach der Verschmelzung auf sie anzuwenden.
Da Genussrechte im allgemeinen der Unternehmensfinanzierung dienen, sind sie auf Dauer angelegt und daher Dauerschuldverhältnisse. Als solchen ist ihnen das Recht zu einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund immanent. Dieses Recht kann nicht durch AGB abbedungen werden, wenn das weitere Festhalten am Vertrag für eine Partei unzumutbar ist. Zur Beurteilung, ob eine Lossagung vom Vertrag mit sofortiger Wirkung berechtigt ist, muss im Rahmen einer auf den Zeitpunkt der Beendigungserklärung bezogenen Gesamtbetrachtung das Bestandsinteresse des einen Vertragspartners gegen das Auflösungsinteresse des anderen Teils abgewogen werden. Der Kläger hat seine Genussrechtsbeteiligung im Juni 2019 wirksam außerordentlich gekündigt. Denn ein weiteres Festhalten an dem Vertrag bis zum Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung zum Ablauf des Jahres 2021 war ihm aufgrund des Verhaltens der Beklagten nicht zumutbar.
Das Auflösungsinteresse des Klägers überwiegt eindeutig, da die Beklagte den Fortbestand der ursprünglich vereinbarten Genussrechtsverhältnisse mit den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten klar, bestimmt und eindeutig in Abrede stellte und den Kläger stattdessen auf sog. "B-Anteile" verweisen wollte. Wegen dieses grob vertragspflichtwidrigen Verhaltens war es dem Kläger nicht zumutbar, an der Beteiligung weiter festzuhalten. Der Kläger musste sich - unabhängig von der Frage einer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit - von vornherein nicht auf die ihm von der Beklagten anstelle der Genussrechte einseitig zugeteilten "B-Anteile" verweisen lassen. Soweit die Genussrechtsbeteiligung des Klägers, was zwischen den Parteien unstreitig ist, unter Art. 15 der Dritten Richtlinie 78/855 EWG des Rates fällt, wird hierdurch allein der Inhaber von Sonderrechten berechtigt und nicht deren Emittentin. Deshalb können dem Wertpapierinhaber/Genussrechtsbeteiligten von der übernehmenden Gesellschaft nicht ohne oder gegen seinen Willen ersatzweise andere Rechte aufgedrängt werden.
Gem. § 6 Abs. 4 i.V.m. § 5 der mit dem Kläger vertraglich vereinbarten und nach dem vorstehend Ausgeführten auch für die Beklagte verbindlichen Genussrechtsbedingungen erfolgt die Rückzahlung des Beteiligungskapitals zu 100 Prozent des Nennbetrages abzgl. etwaiger Verlustanteile. Der Nennbetrag der Genussrechtsbeteiligung beläuft sich vorliegend auf 12.000 €. Im Übrigen hat der Kläger keinen Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen. Da die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers, welche mit Schreiben vom 17.6.2019 die außerordentliche Kündigung ausgesprochen haben, vor Fälligkeit der verfolgten Hauptforderung erfolgte, besteht ein entsprechender Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus nicht.