Direktanspruch gegen die Berufshaftpflichtversicherung der Partnerschaftsgesellschaft mbB
OLG Köln v. 23.10.2024 - 16 U 139/23
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche im Zusammenhang mit von der Beklagten zu 1) erbrachten Prüfungsleistungen. Die Beklagte zu 1) ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die jedenfalls für die Klägerin zu 1) tätig wurde. Die Beklagte zu 1) ist in der Rechtsform einer Partnerschaft organisiert, die Beklagten zu 2) und 3) sind die Partner. Die Beklagte zu 1) unterhält seit dem 1.7.2016 eine Berufshaftpflichtversicherung bei der Beklagten zu 4). Die Beklagte zu 1) trat im Schriftverkehr gegenüber den Klägerinnen mit verschiedenen Namenszusätzen auf, die teilweise auf eine beschränkte Haftung hinwiesen. Die Klägerin zu 1) macht gegen die Beklagten im Wege der gesamtschuldnerischen Haftung einen Schadensersatzanspruch i.H.v. rd. 230.000 € geltend. Zwischen der Klägerin zu 1) und der Beklagten zu 1) bestand ein Vertrag über die Prüfung eines IT-Projekts. Die Klägerin zu 1) rügt Pflichtverletzungen und Fehler im Rahmen dieser Prüfung und begehrt Ersatz von Gutachterkosten in der eingangs genannten Höhe.
Die Klägerin zu 2) nimmt die Beklagten wegen Rückzahlung von an die Beklagte zu 1) geleisteten Rechnungsbeträgen i.H.v. rd. 270.000 € aus ungerechtfertigter Bereicherung in Anspruch. Die Klägerin zu 2) stützt sich auf eine rechtsgrundlose Zahlung. Die Klägerinnen richteten ihre Klage zunächst nur gegen die jetzige Beklagte zu 1). In der Folge erweiterten sie die Klage auf die nunmehrigen Beklagten zu 2) und 3) und beantragten die Verurteilung aller Beklagten als Gesamtschuldner. Schließlich erweiterten sie die Klage auch auf die Beklagte zu 4) und beriefen sich auf eine gesamtschuldnerische Haftung auch der Beklagten zu 4). Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass ihnen ein Direktanspruch gegen die Beklagte zu 4) als Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 1) zustehe. Dieser Anspruch folge aus § 8 Abs. 4 S. 2 PartGG i.V.m. § 115 VVG. Es handele sich hierbei um eine Rechtsfolgenverweisung, so dass eine direkte Inanspruchnahme der Versicherung ungeachtet des Vorliegens der weiteren Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 VVG möglich sei.
Das LG wies die gegen die Beklagte zu 4) gerichtete Klage mit Teilurteil ab. Die Voraussetzungen für einen Direktanspruch lägen nicht vor. Bei § 8 Abs. 4 S. 2 PartGG handele es sich um eine Rechtsgrundverweisung und nicht lediglich um eine Rechtsfolgenverweisung. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerinnen hatte vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Eine Entscheidung kann trotz des Widerrufs der Zustimmung im Schriftsatz der Klägerinnen vom 9.10.2024 im schriftlichen Verfahren ergehen. Die Voraussetzungen eines Widerrufs der Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren liegen nicht vor. Es fehlt an der von § 128 Abs. 2 S. 1 ZPO geforderten "wesentlichen Änderung der Prozesslage". Eine solche wesentliche Änderung der Prozesslage liegt nicht vor.
In dem für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Sach- und Streitstand bei Ablauf der auf den 9.10.2024 bestimmten Schriftsatzeinreichungsfrist lag zwar seit dem 7.10.2024 ein Antrag auf Insolvenzeröffnung bzgl. der Beklagten zu 1) vor. Eine wesentliche Änderung der Prozesslage würde sich jedoch für die Klägerinnen nur dann ergeben, wenn nach § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VVG entweder das Insolvenzverfahren bereits eröffnet, der Antrag mangels Masse abgelehnt oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden wäre. Nur bei Erfüllung einer dieser Voraussetzungen käme ein Direktanspruch der Klägerinnen gegen die Beklagte zu 4) in Betracht. Diese Voraussetzungen lagen im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt aber nicht vor.
Der Senat folgt dem LG zudem in der Auffassung, dass den Klägerinnen auf der Grundlage des § 8 Abs. 4 S. 2 PartGG kein Direktanspruch gegen die Beklagte zu 4) zusteht, ohne dass die weiteren Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 VVG dem Grunde nach vorliegen. Ein Teil der Literatur geht davon aus, dass im Anwendungsbereich von § 8 Abs. 4 S. 2 PartGG bei Vorliegen einer auf das Gesellschaftsvermögen der Partnerschaftsgesellschaft beschränkten Haftung ein Direktanspruch des Geschädigten gegen die Berufshaftpflichtversicherung besteht, ohne dass ein Tatbestand nach § 115 Abs. 1 S. 1 (hier Nr. 2 und 3) erfüllt sein muss. Begründet wird dies u.a. mit den Gesetzesmaterialien. Die Vertreter dieser Auffassung verweisen auch auf den hinter § 8 Abs. 4 S. 2 PartGG stehenden Schutzzweck. Es verhalte sich nämlich so, dass bei einer PartGG mbB aufgrund der Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen die Partner als weitere Haftungssubjekte entfallen. Dieser Wegfall könne angemessen nur durch einen von den weiteren Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 S. 1 VVG unabhängigen Direktanspruch kompensiert werden.
Nach der Gegenauffassung setzt ein Direktanspruch des Geschädigten gegen die Berufshaftpflichtversicherung einer PartGG mbB stets voraus, dass auch die weiteren Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 S. 1 zum Haftungsgrund erfüllt sind. Hiernach sind die Gesetzesmaterialien nicht in dem Sinne zu verstehen, dass eine Rechtsfolgenverweisung für einen Direktanspruch vorgesehen werden sollte. Der Gesetzgeber habe lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass für die Anwendbarkeit der Regelungen des VVG auf das Tatbestandsmerkmal der Pflichtversicherung habe verzichtet werden sollen. Außerdem habe der Gesetzgeber für den Bereich der Pflichtversicherungen bei anderen Berufen bewusst keinen von den weiteren Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 S. 1 VVG unabhängigen Direktanspruch vorgesehen. Dies spreche dafür, dass dies auch für die PartGG mbB nicht der Fall sein sollte. Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
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Justiz NRW
Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche im Zusammenhang mit von der Beklagten zu 1) erbrachten Prüfungsleistungen. Die Beklagte zu 1) ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die jedenfalls für die Klägerin zu 1) tätig wurde. Die Beklagte zu 1) ist in der Rechtsform einer Partnerschaft organisiert, die Beklagten zu 2) und 3) sind die Partner. Die Beklagte zu 1) unterhält seit dem 1.7.2016 eine Berufshaftpflichtversicherung bei der Beklagten zu 4). Die Beklagte zu 1) trat im Schriftverkehr gegenüber den Klägerinnen mit verschiedenen Namenszusätzen auf, die teilweise auf eine beschränkte Haftung hinwiesen. Die Klägerin zu 1) macht gegen die Beklagten im Wege der gesamtschuldnerischen Haftung einen Schadensersatzanspruch i.H.v. rd. 230.000 € geltend. Zwischen der Klägerin zu 1) und der Beklagten zu 1) bestand ein Vertrag über die Prüfung eines IT-Projekts. Die Klägerin zu 1) rügt Pflichtverletzungen und Fehler im Rahmen dieser Prüfung und begehrt Ersatz von Gutachterkosten in der eingangs genannten Höhe.
Die Klägerin zu 2) nimmt die Beklagten wegen Rückzahlung von an die Beklagte zu 1) geleisteten Rechnungsbeträgen i.H.v. rd. 270.000 € aus ungerechtfertigter Bereicherung in Anspruch. Die Klägerin zu 2) stützt sich auf eine rechtsgrundlose Zahlung. Die Klägerinnen richteten ihre Klage zunächst nur gegen die jetzige Beklagte zu 1). In der Folge erweiterten sie die Klage auf die nunmehrigen Beklagten zu 2) und 3) und beantragten die Verurteilung aller Beklagten als Gesamtschuldner. Schließlich erweiterten sie die Klage auch auf die Beklagte zu 4) und beriefen sich auf eine gesamtschuldnerische Haftung auch der Beklagten zu 4). Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass ihnen ein Direktanspruch gegen die Beklagte zu 4) als Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 1) zustehe. Dieser Anspruch folge aus § 8 Abs. 4 S. 2 PartGG i.V.m. § 115 VVG. Es handele sich hierbei um eine Rechtsfolgenverweisung, so dass eine direkte Inanspruchnahme der Versicherung ungeachtet des Vorliegens der weiteren Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 VVG möglich sei.
Das LG wies die gegen die Beklagte zu 4) gerichtete Klage mit Teilurteil ab. Die Voraussetzungen für einen Direktanspruch lägen nicht vor. Bei § 8 Abs. 4 S. 2 PartGG handele es sich um eine Rechtsgrundverweisung und nicht lediglich um eine Rechtsfolgenverweisung. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerinnen hatte vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Eine Entscheidung kann trotz des Widerrufs der Zustimmung im Schriftsatz der Klägerinnen vom 9.10.2024 im schriftlichen Verfahren ergehen. Die Voraussetzungen eines Widerrufs der Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren liegen nicht vor. Es fehlt an der von § 128 Abs. 2 S. 1 ZPO geforderten "wesentlichen Änderung der Prozesslage". Eine solche wesentliche Änderung der Prozesslage liegt nicht vor.
In dem für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Sach- und Streitstand bei Ablauf der auf den 9.10.2024 bestimmten Schriftsatzeinreichungsfrist lag zwar seit dem 7.10.2024 ein Antrag auf Insolvenzeröffnung bzgl. der Beklagten zu 1) vor. Eine wesentliche Änderung der Prozesslage würde sich jedoch für die Klägerinnen nur dann ergeben, wenn nach § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VVG entweder das Insolvenzverfahren bereits eröffnet, der Antrag mangels Masse abgelehnt oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden wäre. Nur bei Erfüllung einer dieser Voraussetzungen käme ein Direktanspruch der Klägerinnen gegen die Beklagte zu 4) in Betracht. Diese Voraussetzungen lagen im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt aber nicht vor.
Der Senat folgt dem LG zudem in der Auffassung, dass den Klägerinnen auf der Grundlage des § 8 Abs. 4 S. 2 PartGG kein Direktanspruch gegen die Beklagte zu 4) zusteht, ohne dass die weiteren Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 VVG dem Grunde nach vorliegen. Ein Teil der Literatur geht davon aus, dass im Anwendungsbereich von § 8 Abs. 4 S. 2 PartGG bei Vorliegen einer auf das Gesellschaftsvermögen der Partnerschaftsgesellschaft beschränkten Haftung ein Direktanspruch des Geschädigten gegen die Berufshaftpflichtversicherung besteht, ohne dass ein Tatbestand nach § 115 Abs. 1 S. 1 (hier Nr. 2 und 3) erfüllt sein muss. Begründet wird dies u.a. mit den Gesetzesmaterialien. Die Vertreter dieser Auffassung verweisen auch auf den hinter § 8 Abs. 4 S. 2 PartGG stehenden Schutzzweck. Es verhalte sich nämlich so, dass bei einer PartGG mbB aufgrund der Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen die Partner als weitere Haftungssubjekte entfallen. Dieser Wegfall könne angemessen nur durch einen von den weiteren Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 S. 1 VVG unabhängigen Direktanspruch kompensiert werden.
Nach der Gegenauffassung setzt ein Direktanspruch des Geschädigten gegen die Berufshaftpflichtversicherung einer PartGG mbB stets voraus, dass auch die weiteren Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 S. 1 zum Haftungsgrund erfüllt sind. Hiernach sind die Gesetzesmaterialien nicht in dem Sinne zu verstehen, dass eine Rechtsfolgenverweisung für einen Direktanspruch vorgesehen werden sollte. Der Gesetzgeber habe lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass für die Anwendbarkeit der Regelungen des VVG auf das Tatbestandsmerkmal der Pflichtversicherung habe verzichtet werden sollen. Außerdem habe der Gesetzgeber für den Bereich der Pflichtversicherungen bei anderen Berufen bewusst keinen von den weiteren Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 S. 1 VVG unabhängigen Direktanspruch vorgesehen. Dies spreche dafür, dass dies auch für die PartGG mbB nicht der Fall sein sollte. Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
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