DSGVO: Zulässiges Auskunftsersuchen des Gesellschafters
BGH v. 24.10.2023 - II ZB 3/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Zweitmarktfondsgesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft und gehört neben anderen Zweitmarktfondsgesellschaften der H-Unternehmensgruppe an. Sie ist mit einem Anteil von nominal 20.000 € über einen Treuhand- und Servicevertrag mit der Beklagten als Treuhandkommanditistin an der I. GmbH & Co. geschlossene lnvestment-KG (Fondsgesellschaft) beteiligt.
Die Beklagte führt im Auftrag der Fondsgesellschaft ein Register mit den personenbezogenen Daten sowie der Beteiligungshöhe sämtlicher Treugeber. Nach § 6 Nr. 4 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags (GV) der Fondsgesellschaft sind die Treugeber mittelbar beteiligte Anleger i.S.d. KAGB und haben im lnnenverhältnis der Gesellschaft und der Gesellschafter zueinander die gleiche Rechtsstellung wie ein Kommanditist. Die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags gelten nach § 6 Nr. 4 Satz 2 GV entsprechend für die Treugeber. Gem. § 6 Nr. 2 GV werden die Treugeber von der Treuhandkommanditistin bevollmächtigt, deren Mitgliedschaftsrechte im Umfang ihrer Treuhandeinlage selbst auszuüben. Dies schließt ausdrücklich die Befugnis ein, an Gesellschafterversammlungen der Gesellschaft direkt teilzunehmen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.6.2021 begehrte die Klägerin von der Beklagten vergeblich Auskunft über persönliche Daten sowie die Beteiligungshöhen der an der Fondsgesellschaft beteiligten Treugeberkommanditisten. Zur Begründung hieß es, die Klägerin benötige die Gesellschafterliste, um mit diesen zur Vorbereitung einer Gesellschafterversammlung und zum Zwecke des Meinungsaustauschs in Kontakt zu treten. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass die Daten dazu benötigt würden, den Mitgesellschaftern ein Kaufangebot zu unterbreiten.
Das AG gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte, der Klägerin Auskunft über den akademischen Titel, die Namen und die Adressen sowie die Beteiligungshöhe sämtlicher Treugeberkommanditisten der Fondsgesellschaft zu erteilen. Das LG verwarf die Berufung der Beklagten als unzulässig. Zuvor hatte es den Wert des Beschwerdegegenstands für das Berufungsverfahren auf 300 € festgesetzt, die Berufung nicht zugelassen und die Beklagte darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die gegen den Verwerfungsbeschluss gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Eine klärungsbedürftige umstrittene Rechtsfrage stellt sich nicht.
Nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung stellt ein Auskunftsersuchen des Gesellschafters, das auch dem Ziel dient, die Namen, Anschriften und Beteiligungshöhe der Mitgesellschafter dazu zu verwenden, diesen Kaufangebote für ihre Anteile zu unterbreiten, keine unzulässige Rechtsausübung und keinen Missbrauch des Auskunftsrechts dar. Einem solchen Auskunftsbegehren stehen auch nicht die Regelungen der DSGVO entgegen. Diese Rechtsprechung ist in der Literatur auf Zustimmung gestoßen. Eine Grundsatzbedeutung i.S.d. § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kann entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht durch die abweichende, zumal nicht rechtskräftig gewordene Entscheidung des LG München I (22.12.2017 - 15 O 3391/17) begründet werden. Ebenso wenig vermag die von der Rechtsbeschwerde angeführte abweichende Literaturstimme, welche die Kenntnis der Beteiligungshöhe der übrigen Mitgesellschafter lediglich für sinnvoll, nicht aber für erforderlich i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst.
b) DSGVO erachtet, grundsätzlichen Klärungsbedarf begründen.
Diese obergerichtliche Rechtsprechung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 5.2.2013 - II ZR 134/11; BGH v. 16.12.2014 - II ZR 277/13, ZIP 2015, 319). Danach muss, wer sich an einer Personen- bzw. Personenhandelsgesellschaft, insbesondere in Form einer Publikumsgesellschaft beteiligt, damit rechnen, dass neben seinen Daten auch seine Beteiligungshöhe an seine Mitgesellschafter bzw. diesen gleichgestellten Mittreugebern mitgeteilt wird. Aufgrund des durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Vertragsverhältnisses ist es ein unentziehbares mitgliedschaftliches Recht des Gesellschafters, die Beteiligungshöhe seiner Mitgesellschafter zu erfahren. Zwar bezogen sich die bisherigen Entscheidungen des BGH ausdrücklich nur auf die Kenntnis der Mitgesellschafter, d.h. deren Namen und Anschriften. Aus der Begründung des Auskunftsrechts durch den BGH ergibt sich aber mit hinreichender Klarheit, dass auch die Mitteilung der Beteiligungshöhe datenschutzrechtlich zulässig ist.
In jeder Gesellschaft ist das Zusammenwirken der Gesellschafter ein elementarer Bestandteil der Willensbildung. Deshalb muss insbesondere der Anleger einer Publikumsgesellschaft, wenn seine Stimmkraft von der Höhe der gezeichneten Kapitaleinlage abhängig ist, wie hier nach § 11 Nr. 3 GV, wissen, wie die Stimmen und damit die Machtverhältnisse in der Gesellschaft verteilt sind, um seine Mitgliedschaftsrechte informiert ausüben zu können. Es macht für die Stellung des die Auskunft begehrenden Gesellschafters gerade einen entscheidenden Unterschied, ob neben ihm nur Kleinanleger oder auch ein oder mehrere Großanleger beteiligt sind. Infolgedessen ist auch die Kenntnis vom Umfang der Beteiligungen der Mitgesellschafter für die informierte Ausübung der Mitgliedschaftsrechte erforderlich i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b) DSGVO.
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde wird der Rahmen der üblichen gesellschaftlichen Belange nicht verlassen, wenn darüber hinaus die Auskunft auch zu dem weiteren Zweck verlangt wird, Kaufangebote für Anteile von Mitgesellschaftern vorzubereiten. Es ist ein legitimes, aus dem Gesellschaftsverhältnis und dem daraus entstandenen Vertragsverhältnis entstandenes Interesse eines Gesellschafters, seinen Einfluss auf die Gesellschaft durch den Ankauf weiterer Anteile zu vergrößern. Aufgrund der Verwendung der Daten in Angelegenheiten der Gesellschaft(er) sowie nur gegenüber Mitgesellschaftern kann ein solches Erwerbsangebot auch nicht mit einer Weitergabe der Daten an Dritte oder eine Nutzung zu gesellschaftsfremden Zwecken verglichen werden.
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BGH vom 16.12.2014 - II ZR 277/13
ZIP 2015, 319
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Die Klägerin ist eine Zweitmarktfondsgesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft und gehört neben anderen Zweitmarktfondsgesellschaften der H-Unternehmensgruppe an. Sie ist mit einem Anteil von nominal 20.000 € über einen Treuhand- und Servicevertrag mit der Beklagten als Treuhandkommanditistin an der I. GmbH & Co. geschlossene lnvestment-KG (Fondsgesellschaft) beteiligt.
Die Beklagte führt im Auftrag der Fondsgesellschaft ein Register mit den personenbezogenen Daten sowie der Beteiligungshöhe sämtlicher Treugeber. Nach § 6 Nr. 4 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags (GV) der Fondsgesellschaft sind die Treugeber mittelbar beteiligte Anleger i.S.d. KAGB und haben im lnnenverhältnis der Gesellschaft und der Gesellschafter zueinander die gleiche Rechtsstellung wie ein Kommanditist. Die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags gelten nach § 6 Nr. 4 Satz 2 GV entsprechend für die Treugeber. Gem. § 6 Nr. 2 GV werden die Treugeber von der Treuhandkommanditistin bevollmächtigt, deren Mitgliedschaftsrechte im Umfang ihrer Treuhandeinlage selbst auszuüben. Dies schließt ausdrücklich die Befugnis ein, an Gesellschafterversammlungen der Gesellschaft direkt teilzunehmen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.6.2021 begehrte die Klägerin von der Beklagten vergeblich Auskunft über persönliche Daten sowie die Beteiligungshöhen der an der Fondsgesellschaft beteiligten Treugeberkommanditisten. Zur Begründung hieß es, die Klägerin benötige die Gesellschafterliste, um mit diesen zur Vorbereitung einer Gesellschafterversammlung und zum Zwecke des Meinungsaustauschs in Kontakt zu treten. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass die Daten dazu benötigt würden, den Mitgesellschaftern ein Kaufangebot zu unterbreiten.
Das AG gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte, der Klägerin Auskunft über den akademischen Titel, die Namen und die Adressen sowie die Beteiligungshöhe sämtlicher Treugeberkommanditisten der Fondsgesellschaft zu erteilen. Das LG verwarf die Berufung der Beklagten als unzulässig. Zuvor hatte es den Wert des Beschwerdegegenstands für das Berufungsverfahren auf 300 € festgesetzt, die Berufung nicht zugelassen und die Beklagte darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die gegen den Verwerfungsbeschluss gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
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Eine klärungsbedürftige umstrittene Rechtsfrage stellt sich nicht.
Nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung stellt ein Auskunftsersuchen des Gesellschafters, das auch dem Ziel dient, die Namen, Anschriften und Beteiligungshöhe der Mitgesellschafter dazu zu verwenden, diesen Kaufangebote für ihre Anteile zu unterbreiten, keine unzulässige Rechtsausübung und keinen Missbrauch des Auskunftsrechts dar. Einem solchen Auskunftsbegehren stehen auch nicht die Regelungen der DSGVO entgegen. Diese Rechtsprechung ist in der Literatur auf Zustimmung gestoßen. Eine Grundsatzbedeutung i.S.d. § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kann entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht durch die abweichende, zumal nicht rechtskräftig gewordene Entscheidung des LG München I (22.12.2017 - 15 O 3391/17) begründet werden. Ebenso wenig vermag die von der Rechtsbeschwerde angeführte abweichende Literaturstimme, welche die Kenntnis der Beteiligungshöhe der übrigen Mitgesellschafter lediglich für sinnvoll, nicht aber für erforderlich i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst.
b) DSGVO erachtet, grundsätzlichen Klärungsbedarf begründen.
Diese obergerichtliche Rechtsprechung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 5.2.2013 - II ZR 134/11; BGH v. 16.12.2014 - II ZR 277/13, ZIP 2015, 319). Danach muss, wer sich an einer Personen- bzw. Personenhandelsgesellschaft, insbesondere in Form einer Publikumsgesellschaft beteiligt, damit rechnen, dass neben seinen Daten auch seine Beteiligungshöhe an seine Mitgesellschafter bzw. diesen gleichgestellten Mittreugebern mitgeteilt wird. Aufgrund des durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Vertragsverhältnisses ist es ein unentziehbares mitgliedschaftliches Recht des Gesellschafters, die Beteiligungshöhe seiner Mitgesellschafter zu erfahren. Zwar bezogen sich die bisherigen Entscheidungen des BGH ausdrücklich nur auf die Kenntnis der Mitgesellschafter, d.h. deren Namen und Anschriften. Aus der Begründung des Auskunftsrechts durch den BGH ergibt sich aber mit hinreichender Klarheit, dass auch die Mitteilung der Beteiligungshöhe datenschutzrechtlich zulässig ist.
In jeder Gesellschaft ist das Zusammenwirken der Gesellschafter ein elementarer Bestandteil der Willensbildung. Deshalb muss insbesondere der Anleger einer Publikumsgesellschaft, wenn seine Stimmkraft von der Höhe der gezeichneten Kapitaleinlage abhängig ist, wie hier nach § 11 Nr. 3 GV, wissen, wie die Stimmen und damit die Machtverhältnisse in der Gesellschaft verteilt sind, um seine Mitgliedschaftsrechte informiert ausüben zu können. Es macht für die Stellung des die Auskunft begehrenden Gesellschafters gerade einen entscheidenden Unterschied, ob neben ihm nur Kleinanleger oder auch ein oder mehrere Großanleger beteiligt sind. Infolgedessen ist auch die Kenntnis vom Umfang der Beteiligungen der Mitgesellschafter für die informierte Ausübung der Mitgliedschaftsrechte erforderlich i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b) DSGVO.
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde wird der Rahmen der üblichen gesellschaftlichen Belange nicht verlassen, wenn darüber hinaus die Auskunft auch zu dem weiteren Zweck verlangt wird, Kaufangebote für Anteile von Mitgesellschaftern vorzubereiten. Es ist ein legitimes, aus dem Gesellschaftsverhältnis und dem daraus entstandenen Vertragsverhältnis entstandenes Interesse eines Gesellschafters, seinen Einfluss auf die Gesellschaft durch den Ankauf weiterer Anteile zu vergrößern. Aufgrund der Verwendung der Daten in Angelegenheiten der Gesellschaft(er) sowie nur gegenüber Mitgesellschaftern kann ein solches Erwerbsangebot auch nicht mit einer Weitergabe der Daten an Dritte oder eine Nutzung zu gesellschaftsfremden Zwecken verglichen werden.
Rechtsprechung (zitierte Entscheidung, s.o.):
Urteil
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Mit dem Aktionsmodul stehen dem umfassend tätigen Gesellschaftsrechtler fünf Beratermodule zur Verfügung. Inklusive Beratermodul AG, GmbHR und ZIP. Zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Online first: Der K. Schmidt/Lutter AktG Kommentar mit den neuesten Kommentierungen zur virtuellen Hauptversammlung! 4 Wochen gratis nutzen!