02.08.2018

Einziehung eines Gesellschaftsanteils: Beschluss bei nicht ausreichend freiem Vermögen der Gesellschaft zur Zahlung des Einziehungsentgelts nichtig

Steht im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Einziehung eines Gesellschaftsanteils fest, dass das freie Vermögen der Gesellschaft zur Bezahlung des Einziehungsentgelts nicht ausreicht, ist der Einziehungsbeschluss auch dann nichtig, wenn die Gesellschaft über stille Reserven verfügt, deren Auflösung ihr die Bezahlung des Einziehungsentgelts ermöglichen würde.

BGH 26.6.2018, II ZR 65/16
Der Sachverhalt:

Die Gesellschafterversammlung der beklagten GmbH beschloss am 26.6.2000, den Geschäftsanteil der Klägerin, der sich damals auf 25 % des Stammkapitals belief, wegen Verletzung der Gesellschafterpflichten einzuziehen. Mit Schreiben vom 28.9.2000 erklärte die Klägerin ihrerseits die Kündigung der Gesellschaft.

Der Gesellschaftsvertrag (GV) beinhaltet unter § 6 die Regelung, dass die Einziehung des Geschäftsanteils ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters zulässig ist, wenn ein Gesellschafter sich eines so schweren Verstoßes gegen Gesellschaftspflichten schuldig gemacht hat, dass den übrigen Gesellschafters die Fortsetzung der Gesellschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann. Anstelle der Einziehung kann die Gesellschafterversammlung beschließen, dass der Anteil abzutreten ist. In § 16 GV ist geregelt, dass die Gesellschaft mit einer dreimonatigen Frist gekündigt werden kann und falls die verbleibenden Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen, der kündigende Gesellschafter gem. § 6 GV ausscheidet.

Die Gesellschafterversammlung der Beklagten beschloss nach der Kündigung der Klägerin die Fortsetzung der Gesellschaft, fasste aber zunächst keinen weiteren Beschluss über eine Einziehung oder Abtretung des Geschäftsanteils. Am 21.12.2000 erhielt die Klägerin eine Abfindungszahlung i.H.v. rd. 31.000 €. Am 9.8.2006 beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten unter Bezugnahme auf die Kündigung der Klägerin vom 28.9.2000 erneut die Einziehung des Geschäftsanteils der Klägerin und die Ermittlung des noch ausstehenden Abfindungsbetrags.

Das LG gab der Klage auf Zahlung einer Abfindung i.H.v. rd. 168.000 € statt. Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten zurück. Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des Urteils des OLG und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG.

Die Gründe:

Aus dem Einziehungsbeschluss vom 26.6.2000 kann sich der geltend gemachte Abfindungsanspruch nicht ergeben, da dieser Beschluss nach den tatsächlichen Feststellungen des OLG nichtig war.

Nach ständiger BGH-Rechtsprechung ist ein Einziehungsbeschluss entsprechend § 241 NR. 3 AktG nichtig, wenn bereits bei Beschlussfassung feststeht, dass das Einziehungsentgelt nicht aus freiem Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann. Dies war bei der Beschlussfassung am 26.6.2000 der Fall. Die Annahme des OLG, ein Einziehungsbeschluss sei gleichwohl wirksam, wenn die Gesellschaft über ausreichende stille Reserven verfüge, deren Auflösung für sie zumutbar sei, kann aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden.

Die hier in Rede stehende Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Einziehungsbeschlusses in Anwendung der § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 3 GmbHG dient dem Grundsatz der Kapitalerhaltung und damit dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger. Für das Auszahlungsverbot gilt eine bilanzielle Betrachtungsweise. Auszahlungen an Gesellschafter dürfen nicht zur Entstehung oder Vertiefung einer Unterbilanz führen. Stille Reserven werden daher nicht berücksichtigt.

Die Klägerin ist auch nicht durch ihre Kündigung vom 28.9.2000 aus der Gesellschaft ausgeschieden. Die Gesellschaft hat zwar den Fortbestand der Gesellschaft beschlossen, aber jedenfalls nicht vor dem 9.8.2006 den zur Umsetzung der Kündigung notwendigen Beschluss über eine Einziehung oder Abtretungsverpflichtung.

Ob die Klägerin infolge des Einziehungsbeschlusses vom 9.8.2006 aus der Gesellschaft ausgeschieden ist und aufgrund dessen den geltend gemachten Abfindungsbetrag beanspruchen kann, hat das OLG zu prüfen, da es dazu bisher keine Feststellungen getroffen hat.

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