Erstreckung des Anwendungsbereichs der §§ 113, 114 AktG auf den Beratungsvertrag einer AG
BGH v. 29.6.2021 - II ZR 75/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist durch mehrere Umwandlungen aus der D. AG hervorgegangen. Der Beklagte war von Juli 2006 bis Ende 2007 Vorsitzender des Aufsichtsrats der AG. Seit der Umwandlung ihrer Rechtsnachfolgerin in die D. AG (im Folgenden: D. neu) am 17.4.2008 übte der Beklagte das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden der D. (neu) bis zu seiner Abberufung am 10.3.2011 aus.
Die D. (neu) zahlte auf der Grundlage einer Vereinbarung mit der I. AG, deren Vorstandsvorsitzender der Beklagte war, ohne Zustimmung des Aufsichtsrats für die vom Beklagten im Auftrag der I. AG erbrachten Beratungsleistungen 33.914 € (Rechnung vom 27.5.2009) und 27.485 € (Rechnung vom 18.7.2010) an die I. AG. Alleinaktionär der I. AG war zurzeit der Rechnungsstellung B.
Die Klägerin verlangte vom Beklagten gerichtlich u.a. die Zahlung der an die I. AG geleisteten Beratervergütung. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das Urteil abgeändert und der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruches stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Der Klägerin steht ein durchsetzbarer Anspruch aus § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG analog gegen den Beklagten auf Rückzahlung von 61.399 € nebst Rechtshängigkeitszinsen zu.
Das Berufungsgericht hat zutreffend den Anwendungsbereich des § 114 Abs. 1 AktG auf den Vertrag einer AG mit einer juristischen Person erstreckt, deren gesetzlicher Vertreter ihr Aufsichtsratsmitglied ist. Eine Gesellschaft darf gem. § 114 Abs. 1 AktG grundsätzlich keine Honorare an ein Aufsichtsratsmitglied zahlen, bevor der zugrundeliegende Beratungsvertrag vom Aufsichtsrat genehmigt worden ist. Der Regelungszweck des § 114 AktG ist im Zusammenhang mit demjenigen des § 113 AktG zu sehen.
Der Zweck des § 114 AktG besteht zum einen darin, Umgehungen des § 113 AktG zu verhindern, indem es dem Aufsichtsrat ermöglicht wird, den vom Vorstand geschlossenen Beratungsvertrag präventiv darauf zu überprüfen, ob er tatsächlich in Übereinstimmung mit dem gesetzlichen Gebot des § 113 AktG nur Dienstleistungen außerhalb der organschaftlichen Tätigkeit zum Gegenstand hat. Der dadurch bewirkte Zwang, den Beratungsvertrag offenzulegen und dem Aufsichtsrat zur Zustimmung zu unterbreiten, soll diesem zugleich die Möglichkeit eröffnen, sachlich ungerechtfertigte Sonderleistungen der AG an einzelne Aufsichtsratsmitglieder etwa in Form überhöhter Vergütungen und damit eine denkbare unsachliche, der Erfüllung seiner Kontrollaufgabe abträgliche Beeinflussung des Aufsichtsratsmitglieds durch den Vorstand zu verhindern.
Diese Kontrolle ist auch dann geboten, wenn der Beratungsvertrag nicht mit dem Aufsichtsratsmitglied persönlich, sondern mit einer Gesellschaft geschlossen wird, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer das Aufsichtsratsmitglied ist oder an der das Aufsichtsratsmitglied beteiligt ist, und ihm dadurch mittelbare Zuwendungen zufließen, bei denen es sich nicht nur um abstrakt betrachtet ganz geringfügige Leistungen handelt oder die im Vergleich zu der von der Hauptversammlung festgesetzten Aufsichtsratsvergütung einen vernachlässigenswerten Umfang haben.
Den Angriffen der Revision stand hält auch die Auffassung des Berufungsgerichts, das Zustimmungserfordernis des § 114 Abs. 1 AktG analog auf die Vereinbarung der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der I. AG anzuwenden, welche den vom Beklagten erbrachten Beratungsleistungen zugrunde lag. Ob ein Beratungsvertrag zwischen einer Aktiengesellschaft und einer Gesellschaft, deren gesetzlicher Vertreter ihr Aufsichtsratsmitglied ist, in den Anwendungsbereich der §§ 113, 114 AktG fällt, ist umstritten. Nach einer - auch vom Berufungsgericht vertretenen - Ansicht gilt das Zustimmungserfordernis der §§ 113, 114 AktG analog § 115 Abs. 3 AktG auch für Verträge mit juristischen Personen, deren gesetzlicher Vertreter das Aufsichtsratsmitglied ist.
Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Die §§ 113, 114 AktG erfassen auch den Fall, dass die AG den Vertrag mit einer Gesellschaft schließt, deren gesetzlicher Vertreter ihr Aufsichtsratsmitglied ist. Der Normzweck der §§ 113, 114 AktG, nämlich die AG vor verdeckten Aufsichtsratvergütungen und der Gefährdung der Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds durch zu enge Beraterbeziehungen zu schützen, erfasst auch diesen Fall. Die unvoreingenommene und unabhängige Überwachung der AG durch den Aufsichtsrat kann auch dann beeinträchtigt sein, wenn das Aufsichtsratsmitglied als gesetzlicher Vertreter des Vertragspartners auf der anderen Seite eines Beratervertrages steht. Unabhängig von der Beteiligung des gesetzlichen Vertreters an seiner Gesellschaft und/oder der Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung trifft ihn der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg seiner Gesellschaft in seiner beruflichen Stellung.
BGH online
Die Klägerin ist durch mehrere Umwandlungen aus der D. AG hervorgegangen. Der Beklagte war von Juli 2006 bis Ende 2007 Vorsitzender des Aufsichtsrats der AG. Seit der Umwandlung ihrer Rechtsnachfolgerin in die D. AG (im Folgenden: D. neu) am 17.4.2008 übte der Beklagte das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden der D. (neu) bis zu seiner Abberufung am 10.3.2011 aus.
Die D. (neu) zahlte auf der Grundlage einer Vereinbarung mit der I. AG, deren Vorstandsvorsitzender der Beklagte war, ohne Zustimmung des Aufsichtsrats für die vom Beklagten im Auftrag der I. AG erbrachten Beratungsleistungen 33.914 € (Rechnung vom 27.5.2009) und 27.485 € (Rechnung vom 18.7.2010) an die I. AG. Alleinaktionär der I. AG war zurzeit der Rechnungsstellung B.
Die Klägerin verlangte vom Beklagten gerichtlich u.a. die Zahlung der an die I. AG geleisteten Beratervergütung. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das Urteil abgeändert und der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruches stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Der Klägerin steht ein durchsetzbarer Anspruch aus § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG analog gegen den Beklagten auf Rückzahlung von 61.399 € nebst Rechtshängigkeitszinsen zu.
Das Berufungsgericht hat zutreffend den Anwendungsbereich des § 114 Abs. 1 AktG auf den Vertrag einer AG mit einer juristischen Person erstreckt, deren gesetzlicher Vertreter ihr Aufsichtsratsmitglied ist. Eine Gesellschaft darf gem. § 114 Abs. 1 AktG grundsätzlich keine Honorare an ein Aufsichtsratsmitglied zahlen, bevor der zugrundeliegende Beratungsvertrag vom Aufsichtsrat genehmigt worden ist. Der Regelungszweck des § 114 AktG ist im Zusammenhang mit demjenigen des § 113 AktG zu sehen.
Der Zweck des § 114 AktG besteht zum einen darin, Umgehungen des § 113 AktG zu verhindern, indem es dem Aufsichtsrat ermöglicht wird, den vom Vorstand geschlossenen Beratungsvertrag präventiv darauf zu überprüfen, ob er tatsächlich in Übereinstimmung mit dem gesetzlichen Gebot des § 113 AktG nur Dienstleistungen außerhalb der organschaftlichen Tätigkeit zum Gegenstand hat. Der dadurch bewirkte Zwang, den Beratungsvertrag offenzulegen und dem Aufsichtsrat zur Zustimmung zu unterbreiten, soll diesem zugleich die Möglichkeit eröffnen, sachlich ungerechtfertigte Sonderleistungen der AG an einzelne Aufsichtsratsmitglieder etwa in Form überhöhter Vergütungen und damit eine denkbare unsachliche, der Erfüllung seiner Kontrollaufgabe abträgliche Beeinflussung des Aufsichtsratsmitglieds durch den Vorstand zu verhindern.
Diese Kontrolle ist auch dann geboten, wenn der Beratungsvertrag nicht mit dem Aufsichtsratsmitglied persönlich, sondern mit einer Gesellschaft geschlossen wird, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer das Aufsichtsratsmitglied ist oder an der das Aufsichtsratsmitglied beteiligt ist, und ihm dadurch mittelbare Zuwendungen zufließen, bei denen es sich nicht nur um abstrakt betrachtet ganz geringfügige Leistungen handelt oder die im Vergleich zu der von der Hauptversammlung festgesetzten Aufsichtsratsvergütung einen vernachlässigenswerten Umfang haben.
Den Angriffen der Revision stand hält auch die Auffassung des Berufungsgerichts, das Zustimmungserfordernis des § 114 Abs. 1 AktG analog auf die Vereinbarung der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der I. AG anzuwenden, welche den vom Beklagten erbrachten Beratungsleistungen zugrunde lag. Ob ein Beratungsvertrag zwischen einer Aktiengesellschaft und einer Gesellschaft, deren gesetzlicher Vertreter ihr Aufsichtsratsmitglied ist, in den Anwendungsbereich der §§ 113, 114 AktG fällt, ist umstritten. Nach einer - auch vom Berufungsgericht vertretenen - Ansicht gilt das Zustimmungserfordernis der §§ 113, 114 AktG analog § 115 Abs. 3 AktG auch für Verträge mit juristischen Personen, deren gesetzlicher Vertreter das Aufsichtsratsmitglied ist.
Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Die §§ 113, 114 AktG erfassen auch den Fall, dass die AG den Vertrag mit einer Gesellschaft schließt, deren gesetzlicher Vertreter ihr Aufsichtsratsmitglied ist. Der Normzweck der §§ 113, 114 AktG, nämlich die AG vor verdeckten Aufsichtsratvergütungen und der Gefährdung der Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds durch zu enge Beraterbeziehungen zu schützen, erfasst auch diesen Fall. Die unvoreingenommene und unabhängige Überwachung der AG durch den Aufsichtsrat kann auch dann beeinträchtigt sein, wenn das Aufsichtsratsmitglied als gesetzlicher Vertreter des Vertragspartners auf der anderen Seite eines Beratervertrages steht. Unabhängig von der Beteiligung des gesetzlichen Vertreters an seiner Gesellschaft und/oder der Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung trifft ihn der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg seiner Gesellschaft in seiner beruflichen Stellung.