19.02.2024

Insolvenzanfechtung der Rückzahlung einer Einlage an stillen Gesellschafter

Die vollumfängliche Rückzahlung einer Einlage an einen stillen Gesellschafter stellt insoweit eine unentgeltliche Leistung dar, als die Einlage durch Verluste vermindert war und es im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung keine weiteren Ansprüche auf den dem Verlust entsprechenden Betrag gab.

BGH v. 14.12.2023 - IX ZR 10/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem im Januar 2017 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der E. mbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin), welche Kapitalanlegern die Möglichkeit der Beteiligung als stille Gesellschafter bot. Die Schuldnerin warb bei Anlegern Gelder ein und reichte sie auf der Grundlage eines Rahmenkreditvertrags in Tranchen weiter an ihre Gründungskommanditistin zu 90 %, die L. GmbH & Co. KG (im Folgenden: L.). Letztere sollte mit den Geldern ein Luxuspfandhaus betreiben und aus den Einnahmen die Rückzahlung der Darlehen nebst Zinsen an die Schuldnerin bewirken. Weiterer Kommanditist der Schuldnerin zu 10 % war M.

Laut dem Gesellschaftsvertrag der Schuldnerin waren deren Kommanditisten zur Geschäftsführung berufen; die Komplementärin war demgegenüber von der Geschäftsführung ausgeschlossen.

Der Beklagte ist Alleinerbe nach seiner verstorbenen Ehefrau F. (im Folgenden: Erblasserin). Der Beklagte und die Erblasserin schlossen zwischen 2010 und 2013 jeweils drei stille Beteiligungen bei der Schuldnerin über einen Gesamtbetrag von 1.605.000 € mit einer Laufzeit von jeweils 36 Monaten ab. Diesen sechs Anlagen lagen die Prospekte L. 2 und L. P. sowie die darin enthaltenen Gesellschaftsverträge zur Errichtung einer stillen Gesellschaft zugrunde.

Tatsächlich betrieb die L. ein Schneeballsystem und wurden die von der Schuldnerin investierten Anlegergelder zweckwidrig für Darlehen innerhalb der Gruppe verwendet. Ein Pfandleihgeschäft wurde im großen Stil vorgetäuscht. Die Inpfandnahmen betrafen zumeist absichtlich zu hoch bewertete, gefälschte und wertlose Faustpfänder sowie Inhabergrundschuldbriefe oder Inhaberaktien nahestehender Personen oder Unternehmen. Aufgrund von Rahmenverrechnungsvereinbarungen mit der Schuldnerin verrechnete die L. das fällige Darlehen mit einem neu ausgereichten, um eine tatsächliche Rückerstattung an die Schuldnerin zu umgehen. Das neue Darlehen wurde für einen Pfandkredit verwendet, der teils mit demselben Objekt wie zuvor, nur mit neuer Pfandnummer und höherer Bewertung, gesichert war. Infolge dieser Geschäftspraxis waren die von der Schuldnerin an die L. ausgereichten Darlehen zum großen Teil nicht werthaltig.

Der Beklagte und die Erblasserin erhielten von der Schuldnerin in den Jahren 2013 bis 2015 Auszahlungen in Höhe von insgesamt 154.600 € abzüglich Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 % und Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 %. Ferner erhielten im April 2013 der Beklagte eine Rückzahlung einer Einlage in Höhe von 25.000 € und die Erblasserin eine Rückzahlung einer Einlage in Höhe von 500.000 €. Die neu aufgestellten Jahresabschlüsse der Schuldnerin für die Geschäftsjahre 2013 bis 2016 weisen allesamt ein negatives Ergebnis aus, ein Gewinn wurde in diesem Zeitraum nicht erwirtschaftet. Aufgrund der erzielten Verluste waren die im Jahre 2010 gewährten Einlagen des Beklagten und der Erblasserin am 30.4.2013 vermindert. Es handelt sich nach Ansicht des Klägers um Scheinguthaben. Über das Vermögen der L. wurde im Februar 2017 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Kläger hat den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der unentgeltlichen Leistung gemäß § 134 InsO auf Rückgewähr der Auszahlungen sowie der Rückzahlungen, soweit es sich nach seiner Auffassung um Scheinguthaben handelte, in Anspruch genommen. Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht den Beklagten zur Zahlung von ca. 268.300 € nebst Zinsen verurteilt und die Revision zugelassen.

Der BGH hat nun die Revision zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Bei den Auszahlungen der Schuldnerin in Höhe von 154.600 € hat es sich um Scheingewinne und daher um unentgeltliche Leistungen gehandelt. Die zugunsten des Beklagten und der Erblasserin innerhalb von vier Jahren vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung erfolgten Zahlungen stellen unentgeltliche Leistungen der Schuldnerin gemäß § 134 Abs. 1 InsO dar. Infolge des Vermögensabflusses haben die Zahlungen eine objektive Gläubigerbenachteiligung bewirkt (§ 129 Abs. 1 InsO). Die Auszahlungen sind daher gemäß § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar.

Darüber hinaus hat in Höhe von 113.667,40 € kein Anspruch auf Rückzahlung der Einlagen bestanden. Der Schuldnerin ist auch im Sinne von § 814 BGB bekannt gewesen, dass sie zu den Leistungen nicht verpflichtet gewesen ist. Entweder erfolgt eine Zurechnung - wovon auszugehen ist - bereits aufgrund der Kenntnis des Geschäftsführers von der Rechtsgrundlosigkeit der Zahlungen oder jedenfalls aufgrund der Kenntnis des Hintermannes.

Die Geltendmachung des Rückgewähranspruchs verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben, weil der Schutz des Beklagten als einer der getäuschten Anleger es nicht gebietet, den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zurücktreten zu lassen.

Die von den Auszahlungsbeträgen einbehaltene Kapitalertragsteuer und der Solidaritätszuschlag unterliegen ebenfalls der Anfechtung. Die Abgeltungswirkung zugunsten des Beklagten ist bereits mit dem Steuerabzug eingetreten, ohne dass es auf die Anmeldung und Abführung der Steuer durch die Schuldnerin ankommt. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Abgeltungswirkung gemäß § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2, § 44 Abs. 1 Satz 10 und 11, Abs. 5 EStG sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch die Voraussetzungen für eine Entreicherung des Beklagten in Bezug auf die einbehaltenen Beträge sind nicht dargelegt.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung/News:
Unentgeltliche Auszahlungen iSv § 134 InsO an den Gesellschafter bei Schneeballsystem
OLG Frankfurt a.M. vom 21.6.2023 - 4 U 158/22

Aufsatz:
Rechtsentwicklungen 2023: Rechtsentwicklungen im Insolvenzrecht 2023
Sven Schelo / Lucia Marie Rettig, DB 2023, 66

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