Investitionsprüfung: Erwerb eines Anteils an der PCK Raffinerie in Schwedt gilt als freigegeben
VG Berlin v. 7.11.2023 - VG 4 K 536/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin, eine österreichische GmbH, deren Muttergesellschaft in Guernsey ansässig ist, hatte im Juli 2021 von der S. GmbH 37,5 % der Stimmrechtsanteile an der PCK erworben. Kurz darauf meldete sie das Vorhaben zum Zweck der Investitionsprüfung beim (damaligen) Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, welches ein Prüfverfahren eröffnete.
Das Unternehmen R., das ebenfalls Mitgesellschafter der Raffinerie ist, machte hierauf von dem ihm eingeräumten Vorkaufsrecht Gebrauch. In der Folge erklärte die Klägerin das Investitionsprüfverfahren daher für gegenstandslos. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine meldete die Klägerin das Vorhaben unter dem 14.6.2022 "erneut". Da die S. GmbH nunmehr unter Berufung auf den Eintritt des vereinbarten "Long-Stop-Dates" den Vertrag mit der Klägerin kündigte, leitete diese zur Frage des Fortbestandes des Vertrages ein Schiedsgerichtsverfahren ein, das noch nicht beendet ist.
Unter dem 14.10.2022 stellte das (jetzige) Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) das Investitionsprüfverfahren der Klägerin ein mit der Begründung, nach der Ausübung des Vorkaufsrechts und der Kündigung des Vertrages fehle es an einem Erwerb als Voraussetzung für die Durchführung eines solchen Verfahrens.
Hiergegen hat die Klägerin im November 2022 Klage erhoben. Sie wendet sich im Wesentlichen gegen die Einstellungsentscheidung und begehrt zugleich die gerichtliche Feststellung, dass ihr Erwerb der Stimmrechtsanteile infolge der (erneuten) Meldung des Vorhabens als fiktiv freigegeben nach den Vorschriften der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) gilt.
Die Klage hatte überwiegend Erfolg. Das VG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Berufung gegen das Urteil beim OVG Berlin-Brandenburg sowie die Sprungrevision zum BVerwG zugelassen.
Die Gründe:
Die vom BMWK vorgenommene Einstellung des Verfahrens mittels eines Verwaltungsakts ist rechtswidrig gewesen, weil es hierfür an der erforderlichen Rechtsgrundlage fehlt. Ein Verwaltungsverfahren, das auf Antrag eines Beteiligten eingeleitet worden ist, darf grundsätzlich nur mit Zustimmung des Antragstellers eingestellt werden.
Dieser Grundsatz ist auf die hier vorliegende Konstellation der bloßen Meldung eines Vorhabens übertragbar. Weder in der AWV noch im Verwaltungsverfahrensgesetz gibt es eine rechtliche Grundlage, um das Verfahren - im Ergebnis zu Lasten des Anmelders einer meldepflichtigen Transaktion - durch Verfahrenseinstellung zu beenden.
Auch der Antrag auf Feststellung der fiktiven Freigabe des Anteilserwerbs ist begründet. Das BMWK hat das Verfahren nach der zweiten Meldung nicht - wie es erforderlich gewesen wäre - eröffnet. Die zweimonatige Frist zur erneuten Eröffnung des Prüfverfahrens ist daher bereits Mitte August 2022 verstrichen gewesen. In Folge gilt das Rechtsgeschäft fiktiv als genehmigt. Auch wenn die Realisierung des Erwerbs unsicher ist, hindert dies den Fiktionseintritt nicht; dies kommt allenfalls in Betracht, wenn der Kaufvertrag offenkundig nicht mehr verwirklicht werden kann. Angesichts des noch anhängigen Schiedsverfahrens lässt sich eine solche Wertung hier aber nicht treffen; eine vollumfängliche zivilrechtliche Prüfung kann und darf die Behörde selbst nicht vornehmen. Dass die Fiktion am Ende ggf. "ins Leere gehen" kann, weil das Schiedsgericht den Vertrag als beendet ansieht, ist im Gesetz angelegt.
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VG Berlin PM Nr. 44 vom 8.11.2023
Die Klägerin, eine österreichische GmbH, deren Muttergesellschaft in Guernsey ansässig ist, hatte im Juli 2021 von der S. GmbH 37,5 % der Stimmrechtsanteile an der PCK erworben. Kurz darauf meldete sie das Vorhaben zum Zweck der Investitionsprüfung beim (damaligen) Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, welches ein Prüfverfahren eröffnete.
Das Unternehmen R., das ebenfalls Mitgesellschafter der Raffinerie ist, machte hierauf von dem ihm eingeräumten Vorkaufsrecht Gebrauch. In der Folge erklärte die Klägerin das Investitionsprüfverfahren daher für gegenstandslos. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine meldete die Klägerin das Vorhaben unter dem 14.6.2022 "erneut". Da die S. GmbH nunmehr unter Berufung auf den Eintritt des vereinbarten "Long-Stop-Dates" den Vertrag mit der Klägerin kündigte, leitete diese zur Frage des Fortbestandes des Vertrages ein Schiedsgerichtsverfahren ein, das noch nicht beendet ist.
Unter dem 14.10.2022 stellte das (jetzige) Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) das Investitionsprüfverfahren der Klägerin ein mit der Begründung, nach der Ausübung des Vorkaufsrechts und der Kündigung des Vertrages fehle es an einem Erwerb als Voraussetzung für die Durchführung eines solchen Verfahrens.
Hiergegen hat die Klägerin im November 2022 Klage erhoben. Sie wendet sich im Wesentlichen gegen die Einstellungsentscheidung und begehrt zugleich die gerichtliche Feststellung, dass ihr Erwerb der Stimmrechtsanteile infolge der (erneuten) Meldung des Vorhabens als fiktiv freigegeben nach den Vorschriften der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) gilt.
Die Klage hatte überwiegend Erfolg. Das VG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Berufung gegen das Urteil beim OVG Berlin-Brandenburg sowie die Sprungrevision zum BVerwG zugelassen.
Die Gründe:
Die vom BMWK vorgenommene Einstellung des Verfahrens mittels eines Verwaltungsakts ist rechtswidrig gewesen, weil es hierfür an der erforderlichen Rechtsgrundlage fehlt. Ein Verwaltungsverfahren, das auf Antrag eines Beteiligten eingeleitet worden ist, darf grundsätzlich nur mit Zustimmung des Antragstellers eingestellt werden.
Dieser Grundsatz ist auf die hier vorliegende Konstellation der bloßen Meldung eines Vorhabens übertragbar. Weder in der AWV noch im Verwaltungsverfahrensgesetz gibt es eine rechtliche Grundlage, um das Verfahren - im Ergebnis zu Lasten des Anmelders einer meldepflichtigen Transaktion - durch Verfahrenseinstellung zu beenden.
Auch der Antrag auf Feststellung der fiktiven Freigabe des Anteilserwerbs ist begründet. Das BMWK hat das Verfahren nach der zweiten Meldung nicht - wie es erforderlich gewesen wäre - eröffnet. Die zweimonatige Frist zur erneuten Eröffnung des Prüfverfahrens ist daher bereits Mitte August 2022 verstrichen gewesen. In Folge gilt das Rechtsgeschäft fiktiv als genehmigt. Auch wenn die Realisierung des Erwerbs unsicher ist, hindert dies den Fiktionseintritt nicht; dies kommt allenfalls in Betracht, wenn der Kaufvertrag offenkundig nicht mehr verwirklicht werden kann. Angesichts des noch anhängigen Schiedsverfahrens lässt sich eine solche Wertung hier aber nicht treffen; eine vollumfängliche zivilrechtliche Prüfung kann und darf die Behörde selbst nicht vornehmen. Dass die Fiktion am Ende ggf. "ins Leere gehen" kann, weil das Schiedsgericht den Vertrag als beendet ansieht, ist im Gesetz angelegt.
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Wolfgang Heckenberger, WUW 2023, 309
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