Kein Zeugnisverweigerungsrecht für die Robert Bosch GmbH im Zusammenhang mit dem Abgasskandal
LG Stuttgart 13.7.2018, 22 O 205/16 u.a.In zwei Streitverfahren von Kapitalanlegern gegen die Porsche Automobil Holding Se wegen Verletzung sog. Ad-hoc-Mitteilungspflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz im Zusammenhang mit dem sog. VW-Abgasskandal ordnete das LG gegenüber der Drittbeteiligten Robert Bosch GmbH gem. § 142 ZPO die Herausgabe von Unterlagen, insbesondere einer Reihe von E-Mails, an.
Die Robert Bosch GmbH wandte sich gegen diese Anordnung unter Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht aus sachlichen Gründen gem. § 384 ZPO. Der Einwand wurde durch das LG zurückgewiesen. Das Zwischenurteil kann von der Robert Bosch GmbH mit der sofortigen Beschwerde zum OLG angefochten werden.
Die Gründe:
Das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 1 ZPO setzt voraus, dass durch die Beantwortung der Frage bzw. die Herausgabe der Unterlagen ein unmittelbarer vermögensrechtlicher Schaden verursacht wird. Die Urkundenvorlage verursacht einen solchen Schaden aber bei der Robert Bosch GmbH nicht. Sie ist als bloßes Zulieferunternehmen nicht für den Schutz von Kapitalanlegern ihrer Vertragspartner verantwortlich. Ebenso trifft sie keine Verantwortung gegenüber den Anlegern sonstiger Unternehmen, wie der Porsche Automobil Holding SE, da sie zu dieser noch nicht einmal in einer Geschäftsbeziehung steht.
§ 384 ZPO begründet ein Herausgabeverweigerungsrecht über Unterlagen, die dem Zeugen zur Unehre gereichen oder die Gefahr begründen würde wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. Diese Gefahr ist im Streitfall nicht durch die Herausgabe der Unterlagen gegeben, denn durch die Vorlage, die ein compliancegemäßes Verhalten bis Juni 2018 attestierten, setzt sich die Robert Bosch GmbH gerade nicht der Gefahr der Strafverfolgung aus. Einer Verfolgung steht das Prozesshindernis der Verjährung entgegen.
Zudem liegt kein Verweigerungsrecht nach § 384 Nr. 3 ZPO vor. Danach darf das Zeugnis verweigert werden, wenn der Zeuge mit der Herausgabe der Unterlagen ein Kunst- oder Gewerbegeheimnis offenbaren würde. Bei der Softwaremanipulation der Motorsteuerung handelt es sich um eine wettbewerbswidrige Praxis. Die schutzwürdige Geheimhaltung wettbewerbswidriger Geheimnisse unterliegt engen Grenzen. Im Streitfall ist nicht die Robert Bosch GmbH nicht schutzwürdig, da die Herausgabe der Urkunden nicht in Rechtsgüter Unbeteiligter eingreift, sondern sich gegen den Gefahrverursacher, die Volkswagen AG, richtet.