Kommanditgesellschaften: Gesellschafter einer Obergesellschaft haften auch gegenüber Gläubigern der Untergesellschaft
BGH v. 3.8.2021 - II ZR 123/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter von drei Schiffsfonds in der Rechtsform von Kommanditgesellschaften (Schuldnerinnen). Über das Vermögen der Schuldnerinnen wurde jeweils mit Beschluss vom 9.2.2016 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Beklagte ist mit einer Einlage von 100.000 € als Kommanditist an der H. Schiffsfonds II UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG i.L. (Dachfonds) beteiligt. Der Dachfonds ist als Obergesellschaft seinerseits mit einer Einlage i.H.v. jeweils 4,3 Mio. € als Kommanditist an den Schuldnerinnen als Untergesellschaften beteiligt. Er erhielt von den Schuldnerinnen nicht durch Gewinne gedeckte Ausschüttungen i.H.v. jeweils 1,419 Mio. €, insgesamt 4,257 Mio. €. Nach haftungsbefreienden Wiedereinlagen besteht eine offene Haftung des Dachfonds i.H.v. jeweils rd. 940.000 €.
Der Beklagte erhielt in den Jahren 2004 bis 2007 vom Dachfonds nicht durch Gewinne gedeckte Ausschüttungen i.H.v. insgesamt rd. 33.000 €. Der Kläger verlangt vom Beklagten unter dem Gesichtspunkt der teilweisen Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlange für jede der Schuldnerinnen anteilig Zahlung i.H.v. rd. 11.000 €.
Das LG gab der Klage antragsgemäß statt; das OLG wies sie ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Die Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, die als Obergesellschaft an einer anderen Kommanditgesellschaft als Untergesellschaft beteiligt ist, haften auch gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft. Diese Haftung wird in der Insolvenz der Untergesellschaft von deren Insolvenzverwalter geltend gemacht, solange nicht über das Vermögen der Obergesellschaft ihrerseits das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (§ 171 Abs. 2 HGB).
Der Kläger nimmt den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der teilweisen Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlage als Kommanditisten des Dachfonds, der seinerseits Kommanditist der Schuldnerinnen ist, für Ansprüche von Gläubigern der Schuldnerinnen in Anspruch. Das vom OLG dazu festgestellte Vorbringen des Klägers ist nicht widersprüchlich. Der Kläger ist als Insolvenzverwalter der Schuldnerinnen gem. § 171 Abs. 2 HGB zur Einziehung der wiederaufgelebten Außenhaftung des Beklagten gem. § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB für die Gläubiger der Schuldnerinnen befugt. Es ist unerheblich, dass der Beklagte an den Schuldnerinnen nicht selbst, sondern lediglich mittelbar über den Dachfonds als Kommanditist der Kommanditistin beteiligt ist.
Ob die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters gem. § 171 Abs. 2 HGB in der Insolvenz nur der Untergesellschaft auch die Inanspruchnahme eines Gesellschafters der an der Untergesellschaft beteiligten Obergesellschaft umfasst, wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird, wie auch vom OLG, bei mehrstöckigen Kommanditbeteiligungen wie der vorliegenden die Ermächtigung des Insolvenzverwalters zur Geltendmachung der Haftung der Kommanditisten der Obergesellschaft dem Dachfonds gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft den Schuldnerinnen abgelehnt, sofern ein Insolvenzverfahren über die Obergesellschaft nicht eröffnet wurde. Nur das nach § 171 Abs. 1 HGB den Gläubigern zustehende Recht werde gem. § 171 Abs. 2 HGB vom Insolvenzverwalter ausgeübt. Dieses beinhalte lediglich die Geltendmachung der Haftung der Gesellschafter derjenigen Gesellschaft, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Eine analoge Anwendung von § 171 Abs. 2 HGB sei ausgeschlossen, da sich der Sinn der Norm, die Gläubigergleichbehandlung, nicht erreichen lasse, weil neben den Gläubigern der Untergesellschaft weitere Gläubiger der nicht insolventen Obergesellschaft vorhanden sein könnten.
Zum Teil wird bei einem doppelstöckigen Fonds ein Durchgriff auf Kommanditisten der Kommanditisten für nicht möglich gehalten. Der Kommanditist hafte gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft, an der er selbst beteiligt sei. Eine Haftung in Form einer Kette bestehe nicht. Hingegen bejahen andere Instanzgerichte und Stimmen im Schrifttum in dieser Situation sowohl die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters der Untergesellschaft als auch die Haftung des Kommanditisten der Obergesellschaft gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft. Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Die Kommanditisten der Obergesellschaft haften gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft. Diese Haftung wird in der Insolvenz der Untergesellschaft von deren Insolvenzverwalter geltend gemacht, solange nicht über das Vermögen der Ober-gesellschaft ihrerseits das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (§ 171 Abs. 2 HGB).
In einer doppelstöckigen Kommanditgesellschaft haftet die Obergesellschaft gem. §§ 171, 172 HGB bzw. § 128 HGB für die Verbindlichkeiten der Untergesellschaft; für die Haftung der Obergesellschaft haften wiederum deren Gesellschafter. Die Außenhaftung der Obergesellschaft als Kommanditistin der Untergesellschaft gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft ist eine Verbindlichkeit der Obergesellschaft i.S.v. § 128 HGB bzw. §§ 171, 172 HGB. Haftungsbegründend sind dabei unabhängig von ihrem Rechtsgrund sämtliche Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft der Obergesellschaft gegenüber Dritten. Eine solche Verbindlichkeit, für die der Kommanditist der Obergesellschaft haftet, ist auch die Außenhaftung der Obergesellschaft gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft. Dementsprechend können außerhalb der Insolvenz die Gläubiger der Untergesellschaft unmittelbar auf die Kommanditisten der Obergesellschaft zugreifen, soweit die Voraussetzungen ihrer Haftung im Übrigen vorliegen. Diese Haftung wird in der Insolvenz der Untergesellschaft von deren Insolvenzverwalter geltend gemacht, solange nicht über die Obergesellschaft ihrerseits das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Für dieses Ergebnis sprechen sowohl der Wortlaut von § 171 Abs. 2 HGB als auch Sinn und Zweck der Vorschrift.
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Der Kläger ist Insolvenzverwalter von drei Schiffsfonds in der Rechtsform von Kommanditgesellschaften (Schuldnerinnen). Über das Vermögen der Schuldnerinnen wurde jeweils mit Beschluss vom 9.2.2016 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Beklagte ist mit einer Einlage von 100.000 € als Kommanditist an der H. Schiffsfonds II UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG i.L. (Dachfonds) beteiligt. Der Dachfonds ist als Obergesellschaft seinerseits mit einer Einlage i.H.v. jeweils 4,3 Mio. € als Kommanditist an den Schuldnerinnen als Untergesellschaften beteiligt. Er erhielt von den Schuldnerinnen nicht durch Gewinne gedeckte Ausschüttungen i.H.v. jeweils 1,419 Mio. €, insgesamt 4,257 Mio. €. Nach haftungsbefreienden Wiedereinlagen besteht eine offene Haftung des Dachfonds i.H.v. jeweils rd. 940.000 €.
Der Beklagte erhielt in den Jahren 2004 bis 2007 vom Dachfonds nicht durch Gewinne gedeckte Ausschüttungen i.H.v. insgesamt rd. 33.000 €. Der Kläger verlangt vom Beklagten unter dem Gesichtspunkt der teilweisen Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlange für jede der Schuldnerinnen anteilig Zahlung i.H.v. rd. 11.000 €.
Das LG gab der Klage antragsgemäß statt; das OLG wies sie ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Die Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, die als Obergesellschaft an einer anderen Kommanditgesellschaft als Untergesellschaft beteiligt ist, haften auch gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft. Diese Haftung wird in der Insolvenz der Untergesellschaft von deren Insolvenzverwalter geltend gemacht, solange nicht über das Vermögen der Obergesellschaft ihrerseits das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (§ 171 Abs. 2 HGB).
Der Kläger nimmt den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der teilweisen Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlage als Kommanditisten des Dachfonds, der seinerseits Kommanditist der Schuldnerinnen ist, für Ansprüche von Gläubigern der Schuldnerinnen in Anspruch. Das vom OLG dazu festgestellte Vorbringen des Klägers ist nicht widersprüchlich. Der Kläger ist als Insolvenzverwalter der Schuldnerinnen gem. § 171 Abs. 2 HGB zur Einziehung der wiederaufgelebten Außenhaftung des Beklagten gem. § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB für die Gläubiger der Schuldnerinnen befugt. Es ist unerheblich, dass der Beklagte an den Schuldnerinnen nicht selbst, sondern lediglich mittelbar über den Dachfonds als Kommanditist der Kommanditistin beteiligt ist.
Ob die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters gem. § 171 Abs. 2 HGB in der Insolvenz nur der Untergesellschaft auch die Inanspruchnahme eines Gesellschafters der an der Untergesellschaft beteiligten Obergesellschaft umfasst, wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird, wie auch vom OLG, bei mehrstöckigen Kommanditbeteiligungen wie der vorliegenden die Ermächtigung des Insolvenzverwalters zur Geltendmachung der Haftung der Kommanditisten der Obergesellschaft dem Dachfonds gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft den Schuldnerinnen abgelehnt, sofern ein Insolvenzverfahren über die Obergesellschaft nicht eröffnet wurde. Nur das nach § 171 Abs. 1 HGB den Gläubigern zustehende Recht werde gem. § 171 Abs. 2 HGB vom Insolvenzverwalter ausgeübt. Dieses beinhalte lediglich die Geltendmachung der Haftung der Gesellschafter derjenigen Gesellschaft, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Eine analoge Anwendung von § 171 Abs. 2 HGB sei ausgeschlossen, da sich der Sinn der Norm, die Gläubigergleichbehandlung, nicht erreichen lasse, weil neben den Gläubigern der Untergesellschaft weitere Gläubiger der nicht insolventen Obergesellschaft vorhanden sein könnten.
Zum Teil wird bei einem doppelstöckigen Fonds ein Durchgriff auf Kommanditisten der Kommanditisten für nicht möglich gehalten. Der Kommanditist hafte gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft, an der er selbst beteiligt sei. Eine Haftung in Form einer Kette bestehe nicht. Hingegen bejahen andere Instanzgerichte und Stimmen im Schrifttum in dieser Situation sowohl die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters der Untergesellschaft als auch die Haftung des Kommanditisten der Obergesellschaft gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft. Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Die Kommanditisten der Obergesellschaft haften gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft. Diese Haftung wird in der Insolvenz der Untergesellschaft von deren Insolvenzverwalter geltend gemacht, solange nicht über das Vermögen der Ober-gesellschaft ihrerseits das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (§ 171 Abs. 2 HGB).
In einer doppelstöckigen Kommanditgesellschaft haftet die Obergesellschaft gem. §§ 171, 172 HGB bzw. § 128 HGB für die Verbindlichkeiten der Untergesellschaft; für die Haftung der Obergesellschaft haften wiederum deren Gesellschafter. Die Außenhaftung der Obergesellschaft als Kommanditistin der Untergesellschaft gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft ist eine Verbindlichkeit der Obergesellschaft i.S.v. § 128 HGB bzw. §§ 171, 172 HGB. Haftungsbegründend sind dabei unabhängig von ihrem Rechtsgrund sämtliche Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft der Obergesellschaft gegenüber Dritten. Eine solche Verbindlichkeit, für die der Kommanditist der Obergesellschaft haftet, ist auch die Außenhaftung der Obergesellschaft gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft. Dementsprechend können außerhalb der Insolvenz die Gläubiger der Untergesellschaft unmittelbar auf die Kommanditisten der Obergesellschaft zugreifen, soweit die Voraussetzungen ihrer Haftung im Übrigen vorliegen. Diese Haftung wird in der Insolvenz der Untergesellschaft von deren Insolvenzverwalter geltend gemacht, solange nicht über die Obergesellschaft ihrerseits das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Für dieses Ergebnis sprechen sowohl der Wortlaut von § 171 Abs. 2 HGB als auch Sinn und Zweck der Vorschrift.