Rügelose Einlassung nach Art. 26 Abs. 1 S. 1 EuGVVO bei ausschließender Zuständigkeit nach § 23b ZPO
OLG Braunschweig 10.6.2020, 3 W 6/18
Der Sachverhalt:
Von den insgesamt noch 261 Klägern aus 31 unterschiedlichen Staaten haben 48 ihren Sitz in Deutschland und 213 außerhalb Deutschlands. Die Kläger machen als Kapitalanleger Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen angeblich pflichtwidrig unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen in Zusammenhang mit dem sog. VW-Dieselskandal geltend. Gegenstand sind behauptete Schäden in VW-Stammaktien, VW-Vorzugsaktien, PSE-Vorzugsaktien, Audi-Aktien sowie Anleihen/Bonds.
Mit Beschluss vom 20.11.2018 hat das LG Braunschweig das Verfahren gem. § 8 Abs. 1 KapMuG für 213 Kläger im Hinblick auf das durch den Vorlagebeschluss vom 5.8.2018 - 5 OH 62/16 - eingeleitete Musterverfahren vor dem Senat (3 Kap 1/16) ausgesetzt; für 66 dieser 213 Kläger hat es das Verfahren zudem im Hinblick auf das durch den Vorlagebeschluss des LG Stuttgart vom 6.12.2017 - 22 AR 2/17 Kap - eingeleitete Musterverfahren vor dem OLG Stuttgart (20 Kap 3/17 und 4/17) ausgesetzt. Bezüglich der übrigen Kläger hat das LG Braunschweig eine Entscheidung über die Aussetzung vorerst zurückgestellt.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 5.12.2018 wandte sich die Beklagte gegen die Aussetzung des Verfahrens für 203 der 213 Kläger im Hinblick auf das Musterverfahren vor dem OLG Braunschweig sowie gegen die Aussetzung des Verfahrens für 33 der 66 Kläger im Hinblick auf das Musterverfahren vor dem OLG Stuttgart. Bei zahlreichen ausländischen Klägern seien die Prozessvoraussetzungen nicht gegeben oder nicht nachgewiesen, so dass die Klage insoweit als unzulässig abzuweisen sei.
Das LG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 9.8.2019 teilweise abgeholfen. Es hat die Aussetzung im Hinblick auf das Braunschweiger Musterverfahren für 151 der 203 von der Beschwerde umfassten Kläger vorerst aufgehoben; daneben hat es die Aussetzung im Hinblick auf das Stuttgarter Musterverfahren für alle 66 davon betroffenen Kläger aufgehoben. Das OLG Braunschweig habe zwischenzeitlich klargestellt, dass eine Aussetzung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG nur erfolgen könne, wenn die Zulässigkeit der Klage zuvor vollumfänglich geprüft und bejaht worden sei; es seien keine geringeren Anforderungen als bei anderen Klagen zu stellen (Beschluss v. 18.1.2019 - 3 W 5/18). Nach diesem Maßstab sei bei 129 ausländischen Klägern die Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten (noch) nicht ausreichend nachgewiesen. Insoweit werde die Aussetzung aufgehoben. Für die verbleibenden 52 Kläger aus sechs unterschiedlichen Staaten hat es der Beschwerde nicht abgeholfen
Auf die Beschwerde der Beklagten hat das OLG den Beschluss vom 9.8.2019 teilweise abgeändert.
Die Gründe:
Die gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, § 567 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 252 ZPO zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.
Hinsichtlich der deutschen Kläger ist der Rechtsstreit zunächst nur insoweit auszusetzen, als seine Entscheidung von den Feststellungszielen des Musterverfahrens abhängt, welche die Frage der örtlichen Zuständigkeit des LG Braunschweig betreffen. Ob im Hinblick auf den hierzu ergangenen Teil-Musterentscheid des Senats vom 12.8.2019 - 3 Kap 1/19 - eine weiter gehende Aussetzung auch auf die Feststellungsziele zum materiellen Recht erfolgen soll, hat das LG nach erneuter Prüfung zu entscheiden.
Hinsichtlich der ausländischen Kläger erfolgt keine Aussetzung auf die Feststellungsziele zur örtlichen Zuständigkeit, weil diese durch rügelose Einlassung nach Art. 26 Abs. 1 EuGVVO seitens der Beklagten begründet worden ist (2). Vor einer Aussetzung auf die materiell-rechtlichen Feststellungsziele sind weitere Prüfungen zur Abhängigkeit i.S.v. § 8 Abs. 1 KapMuG durchzuführen.
Der ausschließliche Gerichtsstand des § 32b ZPO wird bei einer rügelosen Einlassung nach Art. 26 Abs. 1 S. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (EuGVVO) verdrängt. Vor einer Aussetzung nach § 8 Abs. 1 KapMuG ist auch die Aktivlegitimation des Klägers dazulegen und nötigenfalls zu beweisen (Anschluss an BGH, Beschl. v. 30.4.2019 - XI ZB 13/18.
Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz
Von den insgesamt noch 261 Klägern aus 31 unterschiedlichen Staaten haben 48 ihren Sitz in Deutschland und 213 außerhalb Deutschlands. Die Kläger machen als Kapitalanleger Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen angeblich pflichtwidrig unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen in Zusammenhang mit dem sog. VW-Dieselskandal geltend. Gegenstand sind behauptete Schäden in VW-Stammaktien, VW-Vorzugsaktien, PSE-Vorzugsaktien, Audi-Aktien sowie Anleihen/Bonds.
Mit Beschluss vom 20.11.2018 hat das LG Braunschweig das Verfahren gem. § 8 Abs. 1 KapMuG für 213 Kläger im Hinblick auf das durch den Vorlagebeschluss vom 5.8.2018 - 5 OH 62/16 - eingeleitete Musterverfahren vor dem Senat (3 Kap 1/16) ausgesetzt; für 66 dieser 213 Kläger hat es das Verfahren zudem im Hinblick auf das durch den Vorlagebeschluss des LG Stuttgart vom 6.12.2017 - 22 AR 2/17 Kap - eingeleitete Musterverfahren vor dem OLG Stuttgart (20 Kap 3/17 und 4/17) ausgesetzt. Bezüglich der übrigen Kläger hat das LG Braunschweig eine Entscheidung über die Aussetzung vorerst zurückgestellt.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 5.12.2018 wandte sich die Beklagte gegen die Aussetzung des Verfahrens für 203 der 213 Kläger im Hinblick auf das Musterverfahren vor dem OLG Braunschweig sowie gegen die Aussetzung des Verfahrens für 33 der 66 Kläger im Hinblick auf das Musterverfahren vor dem OLG Stuttgart. Bei zahlreichen ausländischen Klägern seien die Prozessvoraussetzungen nicht gegeben oder nicht nachgewiesen, so dass die Klage insoweit als unzulässig abzuweisen sei.
Das LG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 9.8.2019 teilweise abgeholfen. Es hat die Aussetzung im Hinblick auf das Braunschweiger Musterverfahren für 151 der 203 von der Beschwerde umfassten Kläger vorerst aufgehoben; daneben hat es die Aussetzung im Hinblick auf das Stuttgarter Musterverfahren für alle 66 davon betroffenen Kläger aufgehoben. Das OLG Braunschweig habe zwischenzeitlich klargestellt, dass eine Aussetzung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG nur erfolgen könne, wenn die Zulässigkeit der Klage zuvor vollumfänglich geprüft und bejaht worden sei; es seien keine geringeren Anforderungen als bei anderen Klagen zu stellen (Beschluss v. 18.1.2019 - 3 W 5/18). Nach diesem Maßstab sei bei 129 ausländischen Klägern die Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten (noch) nicht ausreichend nachgewiesen. Insoweit werde die Aussetzung aufgehoben. Für die verbleibenden 52 Kläger aus sechs unterschiedlichen Staaten hat es der Beschwerde nicht abgeholfen
Auf die Beschwerde der Beklagten hat das OLG den Beschluss vom 9.8.2019 teilweise abgeändert.
Die Gründe:
Die gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, § 567 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 252 ZPO zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.
Hinsichtlich der deutschen Kläger ist der Rechtsstreit zunächst nur insoweit auszusetzen, als seine Entscheidung von den Feststellungszielen des Musterverfahrens abhängt, welche die Frage der örtlichen Zuständigkeit des LG Braunschweig betreffen. Ob im Hinblick auf den hierzu ergangenen Teil-Musterentscheid des Senats vom 12.8.2019 - 3 Kap 1/19 - eine weiter gehende Aussetzung auch auf die Feststellungsziele zum materiellen Recht erfolgen soll, hat das LG nach erneuter Prüfung zu entscheiden.
Hinsichtlich der ausländischen Kläger erfolgt keine Aussetzung auf die Feststellungsziele zur örtlichen Zuständigkeit, weil diese durch rügelose Einlassung nach Art. 26 Abs. 1 EuGVVO seitens der Beklagten begründet worden ist (2). Vor einer Aussetzung auf die materiell-rechtlichen Feststellungsziele sind weitere Prüfungen zur Abhängigkeit i.S.v. § 8 Abs. 1 KapMuG durchzuführen.
Der ausschließliche Gerichtsstand des § 32b ZPO wird bei einer rügelosen Einlassung nach Art. 26 Abs. 1 S. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (EuGVVO) verdrängt. Vor einer Aussetzung nach § 8 Abs. 1 KapMuG ist auch die Aktivlegitimation des Klägers dazulegen und nötigenfalls zu beweisen (Anschluss an BGH, Beschl. v. 30.4.2019 - XI ZB 13/18.