Schadensersatzpflicht des Unternehmensberaters gegenüber dem Geschäftsführer der beauftragenden GmbH wegen Pflichtverletzung bei Sanierungsbegutachtung
OLG Bamberg v. 31.7.2023, 2 U 38/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der B-GmbH. Diese gehörte zusammen mit der X-GmbH und der Y-GmbH zur X-Firmengruppe. Geschäftsführer der B-GmbH war Herr H. Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der D-GmbH. Diese beriet kleine und mittlere Unternehmen in Krisensituationen.
Im Frühjahr 2013 befand sich die X-Firmengruppe in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Auf Initiative der kreditgebenden Bank V. sollten die wirtschaftlichen Fortführungsmöglichkeiten durch eine externe Begutachtung festgestellt werden. Hierzu legte die D-GmbH am 25.4.2013 zunächst eine "Projektskizze" vor betreffend die Erstellung eines Sanierungsgutachtens in Anlehnung an den IDW S6 Standard (Stand 4.10.2012). Auf der letzten Seite der Projektskizze befand sich unmittelbar über den Unterschriften folgende Bestimmung:
"Die D-GmbH erbringt keine Rechts- oder Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsleistungen. Sie wird alles unternehmen, um die beschriebenen Aufgaben erfolgreich zu erfüllen und haftet für vorsätzliche und grobe Fahrlässigkeit ihrer Berater für Vermögensschäden bis zu einer Höhe von 1 Mio. €. Die D-GmbH verpflichtet sich, alle Informationen über den Auftraggeber und dessen Unternehmen, von denen die Berater im Rahmen des Projekts Kenntnis erhalten, streng vertraulich zu behandeln."
Die B-GmbH beauftragte daraufhin die D-GmbH mit der Erstellung eines Sanierungsgutachtens entsprechend dem in der Projektskizze vom 25.4.2013 beschriebenen Auftragsumfang. Dennoch wurde am 13.3.2014 aufgrund Eigenantrags der B-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser war der Ansicht, die D-GmbH habe es versäumt, auf die Insolvenzreife der B-GmbH hinzuweisen, obwohl sie hierzu bei einem Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard verpflichtet gewesen sei. Der Vertrag über das Sanierungsgutachten entfalte Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers, da er über § 64 GmbHG a.F. von der zu prüfenden Insolvenzreife in gleicher Weise betroffen sei wie die Gesellschaft selbst.
Das LG hat die Klage auf Zahlung von rund 422.214 € abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG das Urteil abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben.
Die Gründe:
Dem Kläger steht unter Berücksichtigung eines anspruchskürzenden Mitverschuldens des Geschäftsführers der B-GmbH von 50% ein Zahlungsanspruch von 211.107 € gem. §§ 280 Abs. 1, 611, 675, 398 BGB zu.
Eine Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB der D-GmbH war gegeben. Sie hatte nicht in der vertraglich geschuldeten Form auf eine bei Vorlage des Gutachtens bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit der B-GmbH hingewiesen. Im Rahmen einer Sanierungsbegutachtung nach IDW S6 - Standard gehört es zu den Kernanforderungen an den Gutachter, in einer Form auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinzuweisen, die geeignet ist, die verantwortlichen Personen zur Einleitung der insolvenzrechtlich erforderlichen (Eil-)Maßnahmen anzuhalten. Ein Verweis des Gutachters auf die Nichterbringung von Rechts- und Steuerberaterleistungen, weil der beauftragte Gutachter weder Rechtsanwalt noch Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer ist, befreit diesen nicht von den zur Erfüllung der Pflichten nach IDW S6 zu treffenden Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.
Der Geschäftsführer kommt aufgrund § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. mit der Frage der Insolvenzreife der GmbH in gleicher Weise in Berührung wie die GmbH als Auftraggeber selbst, weshalb der Begutachtungsvertrag nach IDW S6 - Standard Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers entfaltet. Entgegen der Auffassung des LG war eine tatsächlich erfolgte Inanspruchnahme des Geschäftsführers H, der seine Ansprüche gegen die D-GmbH wirksam an den Kläger abgetreten hatte, nicht erforderlich. Die drohende Inanspruchnahme des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. begründete zunächst einen gegen die D-GmbH gerichteten Freistellungsanspruch des H., der sich erst mit der Abtretung an den Kläger in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat. Die im unterlassenen Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit begründete Pflichtverletzung der D-GmbH war auch kausal für diesen eingetretenen Schaden.
Ein Sanierungsberater mit spezifischen Fachkenntnissen nimmt bei umfassender Beauftragung nach IDW S6 - Standard ein besonderes Vertrauen in Anspruch, wie es wirtschaftsprüfenden Professionen mit besonderem gesetzlich geregelten Haftungsregime entgegengebracht wird. Eine klauselmäßige Beschränkung dessen Haftung für eine Verletzung der zentralen Hauptpflichten auf grobe Fahrlässigkeit neben einer höhenmäßigen Beschränkung benachteiligt den Auftraggeber unbillig und ist wegen Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gem. § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB unwirksam.
Ein nicht unerhebliches Mitverschulden des Geschäftsführers H. der B-GmbH ergab sich aus dem Umstand, dass bereits seit 2009 ununterbrochen Zahlungsunfähigkeit bestand, ohne dass ersichtlich war, dass seitens der gesetzlichen Vertreter Schritte zur Feststellung der finanziellen Gesamtsituation sowie erforderlicher insolvenzrechtlicher Schritte unternommen worden wären. Dieses geschah erst mit der Beauftragung der D-GmbH im Frühjahr 2013 und damit etwa 3,5 Jahre nach dem klägerseits behaupteten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Hieraus folgte eine maßgebliche Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers zur Beobachtung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens sowie zur Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen, einschließlich der zeitnahen Heranziehung wirtschaftlicher und rechtlicher Expertise.
Mehr zum Thema:
Aufsatz:
Haftung für verbotene Zahlungen nach § 15b Ins
Holger Altmeppen, ZIP 2023, 721
ZIP0053823
Aktionsmodul Gesellschaftsrecht:
Mit dem Aktionsmodul stehen dem umfassend tätigen Gesellschaftsrechtler fünf Module zur Verfügung. Jetzt neu mit dem Beratermodul ZIP. Jetzt zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!
Bayern.Recht
Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der B-GmbH. Diese gehörte zusammen mit der X-GmbH und der Y-GmbH zur X-Firmengruppe. Geschäftsführer der B-GmbH war Herr H. Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der D-GmbH. Diese beriet kleine und mittlere Unternehmen in Krisensituationen.
Im Frühjahr 2013 befand sich die X-Firmengruppe in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Auf Initiative der kreditgebenden Bank V. sollten die wirtschaftlichen Fortführungsmöglichkeiten durch eine externe Begutachtung festgestellt werden. Hierzu legte die D-GmbH am 25.4.2013 zunächst eine "Projektskizze" vor betreffend die Erstellung eines Sanierungsgutachtens in Anlehnung an den IDW S6 Standard (Stand 4.10.2012). Auf der letzten Seite der Projektskizze befand sich unmittelbar über den Unterschriften folgende Bestimmung:
"Die D-GmbH erbringt keine Rechts- oder Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsleistungen. Sie wird alles unternehmen, um die beschriebenen Aufgaben erfolgreich zu erfüllen und haftet für vorsätzliche und grobe Fahrlässigkeit ihrer Berater für Vermögensschäden bis zu einer Höhe von 1 Mio. €. Die D-GmbH verpflichtet sich, alle Informationen über den Auftraggeber und dessen Unternehmen, von denen die Berater im Rahmen des Projekts Kenntnis erhalten, streng vertraulich zu behandeln."
Die B-GmbH beauftragte daraufhin die D-GmbH mit der Erstellung eines Sanierungsgutachtens entsprechend dem in der Projektskizze vom 25.4.2013 beschriebenen Auftragsumfang. Dennoch wurde am 13.3.2014 aufgrund Eigenantrags der B-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser war der Ansicht, die D-GmbH habe es versäumt, auf die Insolvenzreife der B-GmbH hinzuweisen, obwohl sie hierzu bei einem Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard verpflichtet gewesen sei. Der Vertrag über das Sanierungsgutachten entfalte Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers, da er über § 64 GmbHG a.F. von der zu prüfenden Insolvenzreife in gleicher Weise betroffen sei wie die Gesellschaft selbst.
Das LG hat die Klage auf Zahlung von rund 422.214 € abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG das Urteil abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben.
Die Gründe:
Dem Kläger steht unter Berücksichtigung eines anspruchskürzenden Mitverschuldens des Geschäftsführers der B-GmbH von 50% ein Zahlungsanspruch von 211.107 € gem. §§ 280 Abs. 1, 611, 675, 398 BGB zu.
Eine Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB der D-GmbH war gegeben. Sie hatte nicht in der vertraglich geschuldeten Form auf eine bei Vorlage des Gutachtens bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit der B-GmbH hingewiesen. Im Rahmen einer Sanierungsbegutachtung nach IDW S6 - Standard gehört es zu den Kernanforderungen an den Gutachter, in einer Form auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinzuweisen, die geeignet ist, die verantwortlichen Personen zur Einleitung der insolvenzrechtlich erforderlichen (Eil-)Maßnahmen anzuhalten. Ein Verweis des Gutachters auf die Nichterbringung von Rechts- und Steuerberaterleistungen, weil der beauftragte Gutachter weder Rechtsanwalt noch Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer ist, befreit diesen nicht von den zur Erfüllung der Pflichten nach IDW S6 zu treffenden Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.
Der Geschäftsführer kommt aufgrund § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. mit der Frage der Insolvenzreife der GmbH in gleicher Weise in Berührung wie die GmbH als Auftraggeber selbst, weshalb der Begutachtungsvertrag nach IDW S6 - Standard Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers entfaltet. Entgegen der Auffassung des LG war eine tatsächlich erfolgte Inanspruchnahme des Geschäftsführers H, der seine Ansprüche gegen die D-GmbH wirksam an den Kläger abgetreten hatte, nicht erforderlich. Die drohende Inanspruchnahme des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. begründete zunächst einen gegen die D-GmbH gerichteten Freistellungsanspruch des H., der sich erst mit der Abtretung an den Kläger in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat. Die im unterlassenen Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit begründete Pflichtverletzung der D-GmbH war auch kausal für diesen eingetretenen Schaden.
Ein Sanierungsberater mit spezifischen Fachkenntnissen nimmt bei umfassender Beauftragung nach IDW S6 - Standard ein besonderes Vertrauen in Anspruch, wie es wirtschaftsprüfenden Professionen mit besonderem gesetzlich geregelten Haftungsregime entgegengebracht wird. Eine klauselmäßige Beschränkung dessen Haftung für eine Verletzung der zentralen Hauptpflichten auf grobe Fahrlässigkeit neben einer höhenmäßigen Beschränkung benachteiligt den Auftraggeber unbillig und ist wegen Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gem. § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB unwirksam.
Ein nicht unerhebliches Mitverschulden des Geschäftsführers H. der B-GmbH ergab sich aus dem Umstand, dass bereits seit 2009 ununterbrochen Zahlungsunfähigkeit bestand, ohne dass ersichtlich war, dass seitens der gesetzlichen Vertreter Schritte zur Feststellung der finanziellen Gesamtsituation sowie erforderlicher insolvenzrechtlicher Schritte unternommen worden wären. Dieses geschah erst mit der Beauftragung der D-GmbH im Frühjahr 2013 und damit etwa 3,5 Jahre nach dem klägerseits behaupteten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Hieraus folgte eine maßgebliche Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers zur Beobachtung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens sowie zur Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen, einschließlich der zeitnahen Heranziehung wirtschaftlicher und rechtlicher Expertise.
Aufsatz:
Haftung für verbotene Zahlungen nach § 15b Ins
Holger Altmeppen, ZIP 2023, 721
ZIP0053823
Aktionsmodul Gesellschaftsrecht:
Mit dem Aktionsmodul stehen dem umfassend tätigen Gesellschaftsrechtler fünf Module zur Verfügung. Jetzt neu mit dem Beratermodul ZIP. Jetzt zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!