20.11.2023

Späte Kündigung von atypisch stiller Beteiligung sowie Genussrechtsbeteiligung

Die Kündigungsfrist gem. § 314 Abs. 3 BGB hat den Zweck, dem anderen Vertragspartner in angemessener Zeit Klarheit über den Bestand des Vertrages zu verschaffen. Zudem ist davon auszugehen, dass ein längeres Zuwarten dafürspricht, dass der zur Kündigung Berechtigte das Festhalten am Vertrag nicht für unzumutbar hält.

OLG Brandenburg v. 8.11.2023 - 7 U 102/22
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist eine Gesellschaft nach dem Recht Englands und Wales. Der Kläger hatte sich im März 2005 an einer Firma A. als atypisch stiller Gesellschafter mit einer nominalen Einlage von 18.000 € beteiligt. Im Januar 2005 hatte er Namens-Genussrechte mit Gewinn- und Verlustbeteiligung im Wert von insgesamt 10.000 € an der Firma B. mit Sitz in Österreich erworben. Eine Kündigung war mit einer Frist von 6 Monaten frühestens zum Ablauf eines Geschäftsjahres seit Begebung der Genussrechte möglich. Nach § 6 Abs. 4 erfolgte die Rückzahlung der Genussrechte zu 100 % des Nennbetrages abzüglich eines etwaigen Verlustanteils.

Bei der Zeichnung der stillen Gesellschaftsanteile wurden der Verkaufsprospekt und die darin enthaltenen Gesellschaftsverträge zugrunde gelegt. Nach § 11 des Gesellschaftsvertrages erhält ein Gesellschafter, der ausscheidet, eine Abfindung, zu deren Ermittlung die Buchwerte zugrunde zu legen sind. Sofern der Zeitpunkt des Ausscheidens auf das Ende eines Geschäftsjahres fällt, ist dieser Stichtag für die Abfindungsermittlung entscheidend, ansonsten das Ende des vorangegangenen Geschäftsjahres. Die stille Beteiligung haftet - wie die Genussrechte - auch für Verluste bis zur vollen Höhe.

Die Firma B wurde in die Firma C., ebenfalls mit Sitz in Österreich, umgewandelt. Die Firma C. und die Firma A. sind zum 31.12.2018 mit der Beklagten verschmolzen und inzwischen aus dem Register gelöscht. Die Schlussbilanz der Firma C. zum 31.12.2017 wies einen Wert von 0 € aus, ebenso wie die der Firma A. zum Stichtag 31.03.2018. Im Februar 2019 wurde der Kläger darüber informiert, dass aufgrund der Verschmelzung sich seine Genussrechte/-scheine sowie seine stille Beteiligung jeweils automatisch in Aktien der Beklagten gewandelt hätten. Der rechnerische Wert der stillen Beteiligung wurde zum 31.3.2018 mit 12.600 € angegeben und der rechnerische Wert der Genussrechtsscheine zum 31.12.2018 mit 4.597 €.

Zum rechnerischen Wert wurde in dem jeweiligen Anschreiben erläutert, dass diesem die Werte der Rechnungslegung mit Stand vom 31.12.2018 zugrunde lägen und bezüglich der stillen Beteiligung hierbei die steuerlich nutzbare Verlustzuweisung berücksichtigt worden sei. Die Darstellungen zum Wert der Genussrechte bzw. dem rechnerischen Anteil an der Kapitalrücklage, dem Gesamtbeteiligungsbuchwert und dem rechnerischen Beteiligungsbuchwert sowie deren Berechnung stellten kein Anerkenntnis dar und begründeten keine Zahlungspflichten/ -rechte der Beklagten gegenüber dem Anleger.

Am 19.8.2020 kündigte der Kläger seine atypisch stille Beteiligung sowie die Genussrechtsbeteiligung außerordentlich und fristlos und forderte die Beklagte zur Rückzahlung der von ihm eingezahlten 28.000 € auf. Das LG hat der Klage weitestgehend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Zwar sind die Genussrechte nicht kraft Gesetzes in Aktien umgewandelt worden. Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens nach außerordentlicher Kündigung. Denn, obwohl er nach eigenem Vortrag im Februar 2019 die Mitteilungen erhalten hatte, erklärte er die Kündigung der Anlagen erst im August 2020. Ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 314 BGB stand dem Kläger zu dieser Zeit aber nicht mehr zu, da es jedenfalls nicht innerhalb der gem. § 314 Abs. 3 BGB vorgesehenen angemessenen Frist ausgeübt worden ist.

Die Frist hat den Zweck, dem anderen Vertragspartner in angemessener Zeit Klarheit über den Bestand des Vertrages zu verschaffen. Zudem ist davon auszugehen, dass ein längeres Zuwarten dafürspricht, dass der zur Kündigung Berechtigte das Festhalten am Vertrag nicht für unzumutbar hält. Dabei sind die tatsächlichen Umstände, die Bedeutung des Kündigungsgrundes, die Auswirkungen für die Beteiligten und der Umfang der für den Kündigenden zuvor vorzunehmenden Prüfungen zu berücksichtigen. Somit war hier davon auszugehen, dass eine nach ungefähr anderthalb Jahren erklärte Kündigung nicht mehr innerhalb angemessener Frist vorgenommen ist. Dass der Kläger sich vor seiner Kündigung zunächst bei der Beklagten nach der Bedeutung der Umwandlung erkundigt bzw. rechtlichen Rat eingeholt hatte, änderte nichts daran.

Auch ein Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung des § 23 UmwG war nicht begründet. Danach sind den Inhabern von stimmrechtslosen Sonderrechten an dem übertragenden Rechtsträger bei der Verschmelzung gleichwertige Rechte in dem übernehmenden Rechtsträger zu gewähren. Der für die Begründung seines Anspruchs darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat jedoch nicht darlegen können, inwiefern die Bilanzierung der Beklagten unrichtig sei oder die Verrechnung mit Verlusten den Genussrechtsbedingungen nicht entsprochen haben soll.

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