20.07.2021

Staatliche Beihilfen für den Flughafen Frankfurt-Hahn?

Der EuGH hat sich vorliegend mit der Frage des Vorliegens staatliche Beihilfen für den Flughafen Frankfurt-Hahn befasst. Die zugrundeliegende Klage der Deutsche Lufthansa AG, deren wichtigster Basisflughafen der Flughafen Frankfurt a.M. ist, gegen entsprechende Beschlüsse der EU-Kommission wurde auf der Grundlage von Art. 263 Abs. 4 AEUV als unzulässig abgewiesen.

EuGH v. 15.7.2021 - C-453/19 P
Der Sachverhalt:
Der Flughafen Frankfurt-Hahn liegt in Rheinland-Pfalz, 115 km vom Flughafen Frankfurt a.M. entfernt. In den Jahren 2001 und 2002 sowie zwischen 2004 und 2009 beteiligten sich die Flughafen Frankfurt/Main GmbH, die Betreibergesellschaft des Flughafens Frankfurt a.M., sowie das Land Rheinland-Pfalz und das Land Hessen an Erhöhungen des Kapitals des Flughafens Frankfurt-Hahn. Ferner zahlte das Land Rheinland-Pfalz von 1997 bis 2004 direkte Zuschüsse zugunsten des Flughafens Frankfurt-Hahn, u.a. zur Finanzierung der Sicherheitskontrollen. 2001 und 2006 genehmigte das Land Rheinland-Pfalz die Entgeltordnungen des Flughafens Frankfurt-Hahn. Dieser schloss 1999, 2002 und 2005 individuelle Verträge mit der Billigfluggesellschaft Ryanair über die von ihr zu entrichtenden Flughafenentgelte.

Mit hier streitigem Beschluss vom 1.10.2014 stellte die EU-Kommission fest, die Kapitalerhöhungen von 2001 und 2004 zugunsten des Flughafens Frankfurt-Hahn sowie die direkten Zuschüsse seitens des Landes Rheinland-Pfalz stellten staatliche Beihilfen dar, die mit dem Binnenmarkt vereinbar seien. Hinsichtlich der Verträge mit Ryanair und der Entgeltordnungen des Flughafens Frankfurt-Hahn befand die Kommission, bei diesen Maßnahmen handele es sich nicht um staatliche Beihilfen.

Die Deutsche Lufthansa AG (im Folgenden: Rechtsmittelführerin), deren wichtigster Basisflughafen der Flughafen Frankfurt a.M. ist, erhob beim EuG Klage auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses, die auf der Grundlage von Art. 263 Abs. 4 AEUV als unzulässig abgewiesen wurde. Nach dieser Bestimmung kann jede natürliche oder juristische Person unter den Bedingungen nach den Abs. 1 und 2 dieses Artikels gegen die an sie gerichteten (im Folgenden: erste Variante) oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen (im Folgenden: zweite Variante) sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen (im Folgenden: dritte Variante), Klage erheben. Das EuG stellte jedoch fest, dass der streitige Beschluss nicht an die Rechtsmittelführerin gerichtet sei und diese auch nicht nachgewiesen habe, dass dieser Beschluss, der nicht als Rechtsakt mit Verordnungscharakter eingestuft werden könne, geeignet sei, sie individuell und unmittelbar zu berühren.

Das Rechtsmittel der Rechtsmittelführerin gegen dieses Urteil des EuG hatte vor dem EuGH keinen Erfolg. Der EuGH hat in seinem Urteil auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Nichtigkeitsklage hingewiesen, die von einer natürlichen oder juristischen Person gegen eine nicht an sie gerichtete Entscheidung der Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen erhoben wird.

Die Gründe:
Zur Stützung ihres Rechtsmittels machte die Rechtsmittelführerin u.a. geltend, das EuG habe bei der Feststellung, dass sie von dem streitigen Beschluss nicht individuell betroffen sei, gegen Art. 263 Abs. 4 AEUV verstoßen. Das EuG habe einen Rechtsfehler begangen, indem es das Fehlen einer individuellen Betroffenheit aus der angeblich fehlenden spürbaren Beeinträchtigung ihrer Marktstellung durch die vom streitigen Beschluss erfasste Beihilfe abgeleitet habe. Tatsächlich ergebe sich ihre individuelle Betroffenheit unmittelbar aus ihrer Stellung als Inhaberin von Verfahrensrechten, die ihr im Rahmen des förmlichen Verfahrens zur Prüfung dieser Beihilfe zustünden.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die individuelle Betroffenheit i.S.v. Art. 263 Abs. 4 AEUV nur dann anhand des von der Rechtsmittelführerin angeführten Kriteriums, das den Schutz der Verfahrensrechte betrifft, geprüft wird, wenn die Kommission eine Beihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt, ohne das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV eröffnet zu haben. In einem solchen Fall können die Personen, denen die in dieser Bestimmung vorgesehenen Verfahrensgarantien zugutekommen, deren Beachtung nämlich nur durchsetzen, wenn sie die Möglichkeit haben, die betreffende Entscheidung vor den Unionsgerichten anzufechten.

Der streitige Beschluss erging jedoch am Ende eines förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV, so dass der bloße Umstand, dass die Rechtsmittelführerin im Rahmen dieses Verfahrens eine aktive Rolle gespielt hatte, nicht ausreicht, um sie als von dem dieses Verfahren abschließenden Beschluss individuell betroffen anzusehen. Vielmehr hätte die Rechtsmittelführerin nachweisen müssen, dass der streitige Beschluss sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten. Insoweit sind u. a. Konkurrenten des begünstigten Unternehmens neben diesem als von einer Entscheidung der Kommission, mit der das förmliche Prüfverfahren abgeschlossen wird, individuell betroffen angesehen worden, wenn sie im Rahmen dieses Verfahrens eine aktive Rolle gespielt haben und sofern ihre Marktstellung durch die Beihilfe, die Gegenstand der fraglichen Entscheidung ist, spürbar beeinträchtigt wird.

Was die spürbare Beeinträchtigung der Marktstellung der Rechtsmittelführerin anbelangt, so ist deren Argument zurückzuweisen, dass die ihr insoweit obliegende Beweislast hätte erleichtert werden müssen, da die Kommission zu dem Ergebnis gelangt sei, dass keine staatliche Beihilfe vorliege. Nach ständiger Rechtsprechung gilt das Erfordernis einer spürbaren Beeinträchtigung der Marktstellung nämlich gleichermaßen sowohl dann, wenn die Kommission die geprüften Maßnahmen nicht als Beihilfen einstuft, als auch dann, wenn eine solche Einstufung erfolgt.

Dagegen ist festzustellen, dass dem EuG ein Rechtsfehler unterlaufen ist, als es bestimmte Argumente, die die Rechtsmittelführerin zum Nachweis einer spürbaren Beeinträchtigung ihrer Marktstellung vorgebracht hatte, mit der Begründung zurückwies, dass die Rechtsmittelführerin keine näheren Angaben zur Größe oder zur geografischen Ausdehnung des Marktes gemacht habe, auf dem sie ihrer Ansicht nach spürbar beeinträchtigt worden sei. Aus der Rechtsprechung des EuGH folgt nämlich, dass sich die spürbare Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung eines Unternehmens nicht aus einer eingehenden Prüfung der verschiedenen Wettbewerbsbeziehungen auf dem betreffenden Markt und der daraus folgenden Bestimmung des genauen Ausmaßes der Beeinträchtigung seiner Wettbewerbsstellung ergibt, sondern grundsätzlich aus einer Feststellung prima facie, dass die Durchführung der vom Beschluss der Kommission erfassten Maßnahme zu einer spürbaren Beeinträchtigung dieser Wettbewerbsstellung führt.

Mit der Annahme, dass Angaben zur Größe und zur Struktur der Märkte, auf denen die Wettbewerbsstellung der Rechtsmittelführerin ihrer Ansicht nach beeinträchtigt worden sei, sowie Angaben zu den auf diesen Märkten präsenten Wettbewerbern erforderlich seien, um den Markt oder die Märkte zu definieren, auf den oder die bei der Prüfung der Voraussetzung der spürbaren Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung abzustellen sei, ist das EuG über die Anforderungen hinausgegangen, die aus dieser Rechtsprechung hervorgehen. In Anbetracht der weiteren Entscheidungsgründe, die seine Feststellung tragen, dass keine spürbare Beeinträchtigung der Marktstellung der Rechtsmittelführerin vorliege, hat der EuGH jedoch entschieden, dass dieser Rechtsfehler des EuG im Ergebnis nicht auf die Schlussfolgerungen durchschlägt, die das EuG in Bezug auf die Unzulässigkeit der Klage der Rechtsmittelführerin gezogen hat.

Schließlich hat das EuG zu Recht festgestellt, dass die Zulässigkeitsvoraussetzung, wonach der Kläger von der fraglichen Handlung unmittelbar betroffen sein muss, in der zweiten und der dritten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV identisch ist. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass diese Voraussetzung stets verlangt, dass zwei Kriterien kumulativ erfüllt sind, nämlich zum einen, dass sich die Handlung unmittelbar auf die Rechtsstellung der betreffenden Person auswirkt, und zum anderen, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt.
EuGH online
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