Voraussetzung für die Einbeziehung eines GmbH-Geschäftsführers in den Schutzbereich eines Anwaltsvertrages
OLG Köln v. 12.8.2021 - 18 U 197/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A-GmbH. Bei der Gesellschaft handelte es sich um eine Reiseveranstalterin. Am 15.10.2015 war der Gesellschaft der Zugang zu Internetportalen, die für diese den hauptsächlichen Vertriebsweg ihrer Leistungen darstellten, gesperrt worden. Noch am selben Tag wandte sich daher der damalige Geschäftsführer an die Beklagten, die die Gesellschaft auch bereits zuvor in anderen Angelegenheiten anwaltlich vertreten hatte. Dabei erklärte er, dass 80 % des Umsatzes über diese Internetportale generiert würden; die Existenz der Gesellschaft sei nachhaltig gefährdet, wenn die Gesellschaft nicht sofort wieder Zugang bekomme. In dem Gespräch beauftragte er die Beklagten damit, Schadensersatzforderungen geltend zu machen.
Der Kläger behauptete, der Geschäftsführer habe in dieser Besprechung auch von "Gerüchten" in der Branche berichtet, dass der Gesellschaft die Insolvenz zumindest drohe. Er klagte aus abgetretenem Recht der Personen, die im Zeitraum vor der Insolvenzeröffnung Geschäftsführer bzw. Liquidatoren der Gesellschaft waren und - nach Auffassung des Klägers - einer persönlichen Haftung von insgesamt 1.343.695 € gem. § 64 GmbHG unterlägen für im Zeitraum vom 20.10.2015 bis 20.11.2015 auf Verbindlichkeiten der Gesellschaft geleistete Zahlungen.
Der Kläger war der Ansicht, dass die Beklagten wegen anwaltlicher Falschberatung der Zedenten die Beträge zu ersetzen hätten. Die drohende Insolvenz ab dem 15.10.2015 sei in mehreren Gesprächen zwischen dem Geschäftsführer und den Beklagten thematisiert worden. Bereits am 15.10.2015 wäre für jeden Laien erkennbar gewesen, dass die Schuldnerin schlicht am wirtschaftlichen Abgrund gestanden habe. Die Beklagte hätten jedoch stetig auf den Geschäftsführer eingewirkt, keinen Insolvenzantrag zu stellen, sondern ein Liquidationsverfahren durchzuführen. Der Geschäftsführer der A-GmbH sei insoweit in den Schutzbereich des bestehenden Anwaltsvertrages, aus dem sich zumindest die Nebenpflicht zur Aufklärung über die Insolvenzantragspflicht und der daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen ergeben habe, einbezogen gewesen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. So fehle es an einer Pflichtverletzung. Das OLG hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.
Die Gründe:
Es besteht kein Anspruch der Zedenten gegen die Beklagten auf Zahlung i.H.v. 1.343.695 € als Schadensersatz wegen anwaltlicher Falschberatung nach der als einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage gem. §§ 280 Abs. 1, 675 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.
Die Beklagten haben nicht gegen ihre Pflichten aus dem Anwaltsvertrag mit der Gesellschaft verstoßen. Sie waren nicht mit der Aufstellung des Jahresabschlusses beauftragt. Ihnen lagen auch die früheren Jahresabschlüsse der Gesellschaft, aus denen sich möglicherweise Hinweise auf eine Insolvenzgefahr ergeben konnten, nicht vor. Die Frage, ob auch Erkenntnisse, die sich nicht aus einem Jahresabschluss ergeben, schon hinreichend konkret und offenkundig sein können, um eine Aufklärungspflicht auszulösen, bedarf keiner Entscheidung, denn die den Beklagten bekannten Umstände reichen hierfür jedenfalls nicht aus. Der Umstand, dass die Gesellschaft am 28.10.2015 den Geschäftsbetrieb einstellte, begründet ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine bereits eingetretene oder ernsthaft drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, da dies bereits in Zusammenhang mit dem zu diesem Zeitpunkt bereits eingeleiteten Liquidationsvorhaben stand.
Selbst eine etwaige Pflichtverletzung würde im vorliegenden Fall nicht zu einem Anspruch des Geschäftsführers geführt haben, weil dieser nicht in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen war. Voraussetzung für die Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages ist, dass bereits bei Übernahme des Mandates erkennbar ist, dass auch der Dritte in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen ist. Dies gilt für das Haftungsrisiko von GmbH-Geschäftsführern gem. § 64 GmbHG a.F. nur, wenn das Mandat sich explizit auf eine insolvenzrechtliche Beratung bezieht, nicht aber, wenn im Rahmen eines anderen Mandates Anhaltspunkte für eine Insolvenzgefahr auftreten und deshalb die Nebenpficht besteht, die Mandantin hierauf hinzuweisen.
Linkhinweis:
Den Volltext der Entscheidung finden Sie in der Datenbank Otto Schmidt online.
Justiz NRW
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A-GmbH. Bei der Gesellschaft handelte es sich um eine Reiseveranstalterin. Am 15.10.2015 war der Gesellschaft der Zugang zu Internetportalen, die für diese den hauptsächlichen Vertriebsweg ihrer Leistungen darstellten, gesperrt worden. Noch am selben Tag wandte sich daher der damalige Geschäftsführer an die Beklagten, die die Gesellschaft auch bereits zuvor in anderen Angelegenheiten anwaltlich vertreten hatte. Dabei erklärte er, dass 80 % des Umsatzes über diese Internetportale generiert würden; die Existenz der Gesellschaft sei nachhaltig gefährdet, wenn die Gesellschaft nicht sofort wieder Zugang bekomme. In dem Gespräch beauftragte er die Beklagten damit, Schadensersatzforderungen geltend zu machen.
Der Kläger behauptete, der Geschäftsführer habe in dieser Besprechung auch von "Gerüchten" in der Branche berichtet, dass der Gesellschaft die Insolvenz zumindest drohe. Er klagte aus abgetretenem Recht der Personen, die im Zeitraum vor der Insolvenzeröffnung Geschäftsführer bzw. Liquidatoren der Gesellschaft waren und - nach Auffassung des Klägers - einer persönlichen Haftung von insgesamt 1.343.695 € gem. § 64 GmbHG unterlägen für im Zeitraum vom 20.10.2015 bis 20.11.2015 auf Verbindlichkeiten der Gesellschaft geleistete Zahlungen.
Der Kläger war der Ansicht, dass die Beklagten wegen anwaltlicher Falschberatung der Zedenten die Beträge zu ersetzen hätten. Die drohende Insolvenz ab dem 15.10.2015 sei in mehreren Gesprächen zwischen dem Geschäftsführer und den Beklagten thematisiert worden. Bereits am 15.10.2015 wäre für jeden Laien erkennbar gewesen, dass die Schuldnerin schlicht am wirtschaftlichen Abgrund gestanden habe. Die Beklagte hätten jedoch stetig auf den Geschäftsführer eingewirkt, keinen Insolvenzantrag zu stellen, sondern ein Liquidationsverfahren durchzuführen. Der Geschäftsführer der A-GmbH sei insoweit in den Schutzbereich des bestehenden Anwaltsvertrages, aus dem sich zumindest die Nebenpflicht zur Aufklärung über die Insolvenzantragspflicht und der daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen ergeben habe, einbezogen gewesen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. So fehle es an einer Pflichtverletzung. Das OLG hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.
Die Gründe:
Es besteht kein Anspruch der Zedenten gegen die Beklagten auf Zahlung i.H.v. 1.343.695 € als Schadensersatz wegen anwaltlicher Falschberatung nach der als einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage gem. §§ 280 Abs. 1, 675 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.
Die Beklagten haben nicht gegen ihre Pflichten aus dem Anwaltsvertrag mit der Gesellschaft verstoßen. Sie waren nicht mit der Aufstellung des Jahresabschlusses beauftragt. Ihnen lagen auch die früheren Jahresabschlüsse der Gesellschaft, aus denen sich möglicherweise Hinweise auf eine Insolvenzgefahr ergeben konnten, nicht vor. Die Frage, ob auch Erkenntnisse, die sich nicht aus einem Jahresabschluss ergeben, schon hinreichend konkret und offenkundig sein können, um eine Aufklärungspflicht auszulösen, bedarf keiner Entscheidung, denn die den Beklagten bekannten Umstände reichen hierfür jedenfalls nicht aus. Der Umstand, dass die Gesellschaft am 28.10.2015 den Geschäftsbetrieb einstellte, begründet ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine bereits eingetretene oder ernsthaft drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, da dies bereits in Zusammenhang mit dem zu diesem Zeitpunkt bereits eingeleiteten Liquidationsvorhaben stand.
Selbst eine etwaige Pflichtverletzung würde im vorliegenden Fall nicht zu einem Anspruch des Geschäftsführers geführt haben, weil dieser nicht in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen war. Voraussetzung für die Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages ist, dass bereits bei Übernahme des Mandates erkennbar ist, dass auch der Dritte in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen ist. Dies gilt für das Haftungsrisiko von GmbH-Geschäftsführern gem. § 64 GmbHG a.F. nur, wenn das Mandat sich explizit auf eine insolvenzrechtliche Beratung bezieht, nicht aber, wenn im Rahmen eines anderen Mandates Anhaltspunkte für eine Insolvenzgefahr auftreten und deshalb die Nebenpficht besteht, die Mandantin hierauf hinzuweisen.
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Den Volltext der Entscheidung finden Sie in der Datenbank Otto Schmidt online.