04.01.2021

Voraussetzungen für die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern in analoger Anwendung des § 104 AktG

Eine gerichtliche Bestellung von Mitgliedern des Aufsichtsrates in analoger Anwendung des § 104 AktG kommt nicht allein deshalb schon in Betracht, weil deren Wahl angefochten wurde. Eine analoge Anwendung des § 104 AktG setzt vielmehr eine Situation voraus, die einer akuten Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft gleichkommt.

OLG München v. 22.12.2020, 31 Wx 436/20
Der Sachverhalt:
Die Beschwerdeführer sind sämtliche Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft. Sie hatten am 15.9.2020 beim Registergericht beantragt, acht namentlich benannte Personen zu Mitgliedern des Aufsichtsrats der Gesellschaft zu bestellen. Hilfsweise hatten sie die Bestellung der genannten acht Personen aufschiebend bedingt für den Fall der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung beantragt

Hintergrund der Anträge ist ein beim Arbeitsgericht anhängiges Beschlussverfahren gem. § 22 MitbestG, in dem aufgrund behaupteter formeller Wahlmängel die Feststellung der Nichtigkeit bzw. hilfsweise die Erklärung der Unwirksamkeit der Wahl aller acht Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat geltend gemacht wird. Ferner beantragten die Beschwerdeführer die gerichtliche Bestellung des Vorsitzenden des Aufsichtsrats und - für den Fall seiner (ggf. aufschiebend bedingten) gerichtlichen Bestellung zum Mitglied des Aufsichtsrats - dessen Stellvertreter, nachdem im Anschluss an die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden die Wahl des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.

Das Registergericht hat sämtliche Anträge abgelehnt, der Gesellschaft die Kosten des Verfahrens auferlegt und den Geschäftswert auf 120.000 € festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
Zutreffend hat es das Registergericht abgelehnt, die benannten Personen zu Aufsichtsratsmitgliedern bzw. zu (stellvertretenden) Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Gesellschaft zu bestellen.

Eine Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats ist ebenso wenig gegeben wie eine Unterbesetzung bzw. ein sonstiger dringender Fall (der jedenfalls auch eine Unterbesetzung voraussetzt). Der Aufsichtsrat der Gesellschaft ist derzeit vollständig besetzt und dementsprechend auch beschlussfähig. Zu Recht hat das Registergericht darauf hingewiesen, dass die Anwendung des § 104 Abs. 2 AktG dem Wortlaut nach eine bereits bestehende Vakanz im Aufsichtsrat voraussetzt. Die Wahlanfechtung führt aber bis zur Rechtskraft eines Anfechtungsurteils nicht zur Unterschreitung der Mitgliederzahl, so dass § 104 AktG jedenfalls nicht direkt angewandt werden kann.

Auch eine analoge Anwendung des § 104 AktG kommt nicht allein deshalb schon in Betracht, weil deren Wahl angefochten wurde. Eine analoge Anwendung des § 104 AktG setzt vielmehr eine Situation voraus, die einer akuten Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft gleichkommt. Eine aufschiebend bedingte und auf den Zeitpunkt des Beschlusses rückwirkende gerichtliche Bestellung von Mitgliedern des Aufsichtsrates ist abzulehnen, da das Auswahlermessen des Registergerichts hierdurch unzulässig beeinträchtigt und die Wahlanfechtungsklage entwertet würde.
Bayern.Recht
Zurück