29.08.2022

Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung

Zum Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung sowie zur Zuständigkeit des XI. Zivilsenats für Ansprüche aus spezialgesetzlicher Prospekthaftung und für hierzu in Konkurrenz stehende Ansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne.

BGH v. 14.6.2022 - XI ZR 395/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz i.H.v. 97.500 € wegen einer Beteiligung an der Schiffsgesellschaft "H." (nachfolgend: Fondsgesellschaft). Grundlage der Beteiligung war ein Emissionsprospekt (nachfolgend: Prospekt). Der Kläger erklärte im August 2007 den Beitritt zur Fondsgesellschaft mit einer Zeichnungssumme i.H.v. 50.000 €. Im Juni 2011 beteiligte er sich im Rahmen einer Kapitalerhöhung mit weiteren 50.000 €. Er erhielt Ausschüttungen i.H.v. 2.500 €.

Die Beklagten sind Gründungskommanditistinnen der Fondsgesellschaft. Der Kläger macht verschiedene Prospektfehler geltend und beansprucht Schadensersatz i.H.v. 97.500 € Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus der Fondsbeteiligung. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Die Gründe:
Entgegen der Meinung der Beschwerde fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit der gerügten Gehörsverstöße, weil eine Haftung der Beklagten als Gründungsgesellschafterinnen aus der sog. Prospekthaftung im weiteren Sinne gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden kann. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt. Auf den veröffentlichten Prospekt findet die Regelung des § 8g VerkProspG in der bis zum 31.5.2012 geltenden Fassung in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung.

Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31.5.2012 geltenden Fassung (nachfolgend: aF) eröffnet. Ein Anspruch des Klägers nach diesen Vorschriften gegen die beklagten Gründungskommanditistinnen ist allerdings gemäß § 46 BörsG aF verjährt.

Der Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung beansprucht gleichermaßen Geltung für die spezialgesetzliche Prospekthaftung nach §§ 9, 10, 14 WpPG, nach §§ 20, 21 VermAnlG sowie nach § 306 KAGB.

Der XI. Zivilsenat ist zuständig, über die vorstehend genannten Ansprüche zu entscheiden. Der XI. Zivilsenat ist nach Geschäftsverteilungsplan des BGH für das Geschäftsjahr 2021 ausschließlich zuständig für Rechtsstreitigkeiten über Prospekthaftungsansprüche nach §§ 13, 13a VerkProspG. Die Zuständigkeit für spezialgesetzliche Prospekthaftungsansprüche besteht seit dem Jahr 1996. Der Senat ist damit auch zuständig, über das Konkurrenzverhältnis zwischen gesetzlicher Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF und bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung zu entscheiden. Denn ob letztere im Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung anwendbar ist, ist keine Frage der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung, sondern eine Frage nach der Reichweite der Rechtsfolgen der gesetzlichen Prospekthaftung (vgl. BGH v. 27.4.2021 - XI ZB 35/18; dazu Schulz, EWiR 2022, 133).

Der XI. Zivilsenat ist darüber hinaus nach Geschäftsverteilungsplan ausschließlich zuständig, über Prospekthaftungsansprüche nach § 127 InvG in der bis zum 21.7.2013 geltenden Fassung, nach §§ 21, 22, 24 WpPG in der bis zum 20.7.2019 geltenden Fassung, nach §§ 20, 21, 22 VermAnlG und nach § 306 KAGB zu entscheiden. Soweit die Voraussetzungen für die Haftung nach einer dieser Vorschriften vorliegen, ist der Senat zugleich zuständig, über eine Anspruchsgrundlagenkonkurrenz und damit darüber zu entscheiden, ob die § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB unter denselben Haftungsvoraussetzungen neben den genannten Vorschriften der spezialgesetzlichen Prospekthaftung anwendbar sind. Denn auch bei dieser Frage geht es - wie bei der Frage, ob die § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB unter denselben Haftungsvoraussetzungen neben den § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF anwendbar sind - um die Reichweite der jeweiligen spezialgesetzlichen Prospekthaftung und demzufolge um die Auslegung der in den Vorschriften über die spezialgesetzliche Prospekthaftung in den § 16 Abs. 2 WpPG, § 20 Abs. 6 Satz 2 VermAnlG und § 306 Abs. 6 Satz 2 KAGB enthaltenen Konkurrenzregelungen.

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