Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 44)
Keine Gleichwertigkeit der notariellen Online-Beglaubigung nach österreichischem Recht mit deutscher Beglaubigung mittels Videokommunikation
Die nach österreichischem Recht erfolgte notarielle Online-Beglaubigung ist einer deutschen Beglaubigung mittels Videokommunikation nach § 40a BeurkG nicht gleichwertig. Eine Pflicht zur Anerkennung ergibt sich auch nicht aus der Gesellschaftsrechtsrichtlinie in der Fassung der Digitalisierungsrechtlinie der EU.
(amtl.)
OLG Hamm 17.6.2024, 8 U 102/23
Gesamtschuldnerische Haftung der Mitgesellschafter einem Gesellschafter gegenüber bei Drittverbindlichkeit der GbR auch nach Inkrafttreten des MoPeG
1. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) zum 1.1.2024 finden mangels auf sie zugeschnittener Übergangsvorschriften § 721 Satz 1 BGB n.F. (Haftung des Gesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft bürgerlichen Rechts), § 728 Abs. 1 BGB n.F. (Ansprüche des ausgeschiedenen Gesellschafters auf Abfindung und Freistellung) und § 728b Abs. 1 BGB n.F. (fünfjährige Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters) auch auf vor dem 31.12.2023 liegende Sachverhalte Anwendung. Ein Rückgriff auf den Grundsatz lex temporis actus ist nämlich jedenfalls dann nicht geboten, wenn sich die materielle Rechtslage durch die geänderten Normen des BGB und des HGB (§§ 128, 160 BGB a.F. analog) nicht inhaltlich verändert.
2. Auch nach der neuen Rechtslage haften bei einer Drittverbindlichkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Mitgesellschafter einem Gesellschafter gegenüber hierfür grundsätzlich gem. § 721 Satz 1 BGB n.F. gesamtschuldnerisch, wobei sich der Gläubiger-Gesellschafter seinen eigenen Verlustanteil, die Quote gem. § 709 Abs. 3 BGB n.F., abziehen lassen muss (im Anschluss an die zur bisherigen Rechtslage entwickelte höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. BGH, Urt. v. 8.10.2013 - II ZR 310/12, NZG 2013, 1334 ff.). Drittansprüche sind auch nach neuem Recht solche, die ihre Grundlage in einem Rechtsverhältnis haben, das mit dem Gesellschaftsvertrag unmittelbar nichts zu tun hat und das die Gesellschaft in gleicher Weise mit einem Dritten eingehen könnte, etwa Ansprüche aus Kauf-, Miet-, Pacht- und Darlehensverträgen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter. Der Rechtsgrund der Gesellschaftsverbindlichkeit liegt auch dann in dem besonderen Vertrag und nicht im Gesellschaftsverhältnis, wenn der Gesellschaftsvertrag Regelungen enthält, wonach der Gesellschafter im Rahmen seiner Beitragspflicht gehalten ist, Verträge dieser Art mit der Gesellschaft abzuschließen.
(alle amtl.)
BFH 22.11.2023, I R 9/20
Irrtümliche Zuwendung und Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis (vGA)
Für die Frage, ob eine Vermögensverschiebung von einer Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, ist bei der Prüfung eines möglicherweise fehlenden Zuwendungswillens aufgrund Irrtums des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht darauf abzustellen, ob einem ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiter der Irrtum gleichfalls unterlaufen wäre. Maßgebend ist allein, ob der konkrete Gesellschafter-Geschäftsführer einem solchen Irrtum unterlegen ist.
(amtl.)
BFH 6.5.2024, III R 7/22
Nachträgliche Betriebsausgaben des Betriebsübergebers nach unentgeltlicher Betriebsübertragung
1. Die Übertragung eines Betriebs unter Familienangehörigen kann auch dann unentgeltlich sein, wenn der Erwerber sämtliche Betriebsschulden übernimmt und das Eigenkapital im Zeitpunkt der Übertragung negativ ist.
2. Der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs gilt im Fall der unentgeltlichen Betriebsübertragung auch für den Rechtsnachfolger, so dass unrichtige Bilanzansätze, die in die nicht mehr änderbare letzte Veranlagung des Rechtsvorgängers (Betriebsübergeber) mit Auswirkungen auf dessen Gewinn oder Verlust Eingang gefunden haben, gegebenenfalls beim Betriebsübernehmer ergebniswirksam zu korrigieren sind.
3. Trotz des Grundsatzes des formellen Bilanzenzusammenhangs können im Anschluss an eine unentgeltliche Betriebsübertragung nachträgliche Betriebsausgaben des Betriebsübergebers vorliegen, wenn dieser Aufwendungen trägt, die im Zusammenhang mit seiner früheren Betriebsführung stehen.
(alle amtl.)