Wirecard-Skandal: Keine Haftung der BaFin gegenüber Anlegern wegen Amtspflichtverletzung
OLG Frankfurt a.M. v. 6.2.2023 - 1 U 173/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger kaufte 2019 und 2020 Aktien der Wirecard AG. Er nimmt die beklagte Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) wegen behaupteter Aufsichts- und Informationsversäumnisse sowie Amtsmissbrauch auf Schadensersatz für die erlittenen Kursverluste in Anspruch. Die 1999 gegründete Wirecard AG unterlag der Finanzaufsicht der Beklagten. Im April 2020 gab ein vom Aufsichtsrat der Wirecard AG beauftragter Sonderprüfer bekannt, dass über die Existenz eines Bankguthabens auf Treuhandkonten i.H.v. insgesamt 1,9 Mrd. € keine ausreichenden Prüfungsnachweise zu erlangen gewesen seien.
Das LG wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision zum BGH begehrt werden.
Die Gründe:
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte zu.
Die Beklagte hat nicht gegen die ihr obliegenden Amtspflichten bei der Bilanzkontrolle verstoßen. Nach damaliger Rechtslage erfolgte die Bilanzkontrolle in einem zweistufigen System: zunächst durch eine private Prüfstelle und danach durch eine staatliche Instanz (die Beklagte). Die Beklagte hat dieses System eingehalten und im Februar 2019 eine Sonderprüfung durch eine private Prüfstelle veranlasst. Der Kläger hat keine greifbaren Anhaltspunkte für die Annahme vorgetragen, dass die Beklagte bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine solche Sonderprüfung hätte beauftragen müssen.
Ebenso hat der Kläger keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Beklagte die Prüfstelle nicht hinreichend überwacht hat oder wegen erheblicher Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung der Prüfung die Prüfung hätte an sich ziehen müssen. Im Übrigen fehlt es am Verschulden der Beklagten. Es ist schließlich nicht feststellbar, dass der Schaden des Klägers bei einem früheren Einschreiten der Beklagten nicht eingetreten wäre.
Einem Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung steht zudem entgegen, dass die Beklagte bei der Wahrnehmung der Bilanzkontrolle allein im öffentlichen Interesse tätig wird. Der einzelne Anleger wird grundsätzlich nicht durch die bankaufsichtsrechtliche Tätigkeit der Beklagten geschützt. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung jüngster Rechtsprechung des EuGH und der Transparenz-Richtlinien an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach Schadensersatzansprüche Dritter gegen die BaFin, etwa wegen unzureichender Aufsichtstätigkeit ausgeschlossen sind.
Der Kläger kann auch nicht wegen Amtsmissbrauchs Schadensersatz verlangen. Es ist kein amtsmissbräuchliches Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten feststellbar. Dass Mitarbeiter Aktien der Wirecard AG besessen haben, ist nicht sittenwidrig. Die von der Beklagten seit 2019 ergriffenen Maßnahmen sind pflichtgemäß erfolgt.
Mehr zum Thema:
Aufsatz:
Kapitalmarktrechtliche Pflichten bei der Erstellung von Finanzanalysen
Tim Florstedt, ZIP 2023, 113
Abrufbar auch im Aktionsmodul Gesellschaftsrecht:
Mit dem Aktionsmodul stehen dem umfassend tätigen Gesellschaftsrechtler fünf Module zur Verfügung. Inklusive Beratermodul ZIP. Zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Der erste Band Scholz GmbHG Kommentar der neuen Auflage (August 2022) ist hier topaktuell online! Wichtige Gesetzesänderungen wie die im August 2022/2023 in Kraft tretenden DiRUG und DiREG sind ausführlich kommentiert. 4 Wochen gratis nutzen!
OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 9 vom 10.2.2023
Der Kläger kaufte 2019 und 2020 Aktien der Wirecard AG. Er nimmt die beklagte Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) wegen behaupteter Aufsichts- und Informationsversäumnisse sowie Amtsmissbrauch auf Schadensersatz für die erlittenen Kursverluste in Anspruch. Die 1999 gegründete Wirecard AG unterlag der Finanzaufsicht der Beklagten. Im April 2020 gab ein vom Aufsichtsrat der Wirecard AG beauftragter Sonderprüfer bekannt, dass über die Existenz eines Bankguthabens auf Treuhandkonten i.H.v. insgesamt 1,9 Mrd. € keine ausreichenden Prüfungsnachweise zu erlangen gewesen seien.
Das LG wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision zum BGH begehrt werden.
Die Gründe:
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte zu.
Die Beklagte hat nicht gegen die ihr obliegenden Amtspflichten bei der Bilanzkontrolle verstoßen. Nach damaliger Rechtslage erfolgte die Bilanzkontrolle in einem zweistufigen System: zunächst durch eine private Prüfstelle und danach durch eine staatliche Instanz (die Beklagte). Die Beklagte hat dieses System eingehalten und im Februar 2019 eine Sonderprüfung durch eine private Prüfstelle veranlasst. Der Kläger hat keine greifbaren Anhaltspunkte für die Annahme vorgetragen, dass die Beklagte bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine solche Sonderprüfung hätte beauftragen müssen.
Ebenso hat der Kläger keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Beklagte die Prüfstelle nicht hinreichend überwacht hat oder wegen erheblicher Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung der Prüfung die Prüfung hätte an sich ziehen müssen. Im Übrigen fehlt es am Verschulden der Beklagten. Es ist schließlich nicht feststellbar, dass der Schaden des Klägers bei einem früheren Einschreiten der Beklagten nicht eingetreten wäre.
Einem Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung steht zudem entgegen, dass die Beklagte bei der Wahrnehmung der Bilanzkontrolle allein im öffentlichen Interesse tätig wird. Der einzelne Anleger wird grundsätzlich nicht durch die bankaufsichtsrechtliche Tätigkeit der Beklagten geschützt. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung jüngster Rechtsprechung des EuGH und der Transparenz-Richtlinien an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach Schadensersatzansprüche Dritter gegen die BaFin, etwa wegen unzureichender Aufsichtstätigkeit ausgeschlossen sind.
Der Kläger kann auch nicht wegen Amtsmissbrauchs Schadensersatz verlangen. Es ist kein amtsmissbräuchliches Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten feststellbar. Dass Mitarbeiter Aktien der Wirecard AG besessen haben, ist nicht sittenwidrig. Die von der Beklagten seit 2019 ergriffenen Maßnahmen sind pflichtgemäß erfolgt.
Aufsatz:
Kapitalmarktrechtliche Pflichten bei der Erstellung von Finanzanalysen
Tim Florstedt, ZIP 2023, 113
Abrufbar auch im Aktionsmodul Gesellschaftsrecht:
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