Zulassung einer sog. "Haltegesellschaft" als Berufsausübungsgesellschaft
AGH NRW v. 21.6.2024 - 1 AGH 11/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Bestellte Geschäftsführer der Klägerin sind der Rechtsanwalt und Notar Dr. L. T. G. sowie der Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. V. H.. Die Klägerin begehrt die Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft nach § 59b BRAO.
Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die Y. GbR. Die Gesellschafter der Y. GbR sind die Rechtsanwälte Dr. G. und Dr. H. sowie die von der Beklagten als Berufsausübungsgesellschaft zugelassene O. mbB. Die Y. GbR ist nicht als Berufsausübungsgesellschaft zugelassen; sie ist als sog. "Haltegesellschaft" konzipiert.
Den Antrag auf Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft lehnte die Beklagte ab. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, nach § 59b Abs.1 S.1 BRAO müsse eine Berufsausübungsgesellschaft der gemeinschaftlichen Ausübung des Rechtsanwaltsberufes dienen. Es gelte das Gebot der aktiven Mitarbeit. Eine solche aktive Mitarbeit sei der Halte-GbR als Gesellschafterin nicht möglich. Daher müsse wenigstens ein weiterer Gesellschafter aufgenommen werden, welcher zur Berufsausübung berechtigt sei.
Die Klage vor dem AGH war erfolgreich. Die Berufung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
Die Gründe:
Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin neu zu bescheiden, § 113 Abs.5 S.2 VwGO. Die Zulassung der Klägerin als Berufsausübungsgesellschaft scheitert jedenfalls nicht an dem Gebot der aktiven Mitarbeit.
Nach § 59b Abs.1 S.1 BRAO dürfen sich Rechtsanwälte zur gemeinschaftlichen Ausübung ihres Berufs zu Berufsausübungsgesellschaften verbinden. Aus dieser Regelung leitet sich das "Gebot der aktiven Mitarbeit" der Gesellschafter in der Berufsausübungsgesellschaft ab. Die einzige Gesellschafterin der Klägerin, die Y. GbR, ist demgegenüber als Haltegesellschaft konzipiert, deren einziger Gesellschaftszweck nach dem Inhalt des Zulassungsantrags das Halten von Anteilen an einer zugelassenen Berufsausübungsgesellschaft und nicht die aktive Mitarbeit in der Gesellschaft ist.
Die Konzeption der Y. GbR als Haltegesellschaft steht der Zulassung der Klägerin dennoch nicht entgegen. Der Senat geht primär davon aus, dass die in den §§ 59b ff BRAO umgesetzte Berufsrechtsreform die Zulässigkeit der Beteiligung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts in Form der Haltegesellschaft als einzige Gesellschafterin einer Berufsausübungsgesellschaft nicht berühren sollte.
Die Zulässigkeit der alleinigen Beteiligung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Haltegesellschaft an einer Berufsausübungsgesellschaft geht zurück auf die Entscheidung des BGH v. 9.7.2001 (PatAnwZ 1/00). Mit diesem Beschluss hat der BGH für die Patentanwaltsgesellschaft mbH entschieden, dass auch sämtliche Gesellschaftsanteile einer Patentanwaltsgesellschaft in Form einer GbR gehalten werden können, wenn durch die Satzung der GmbH sichergestellt ist, dass der GbR nur Personen angehören, die ihrerseits zulässige Mitglieder einer Patentanwaltsgesellschaft nach § 52e PAO sein können. An dieser Rechtsauffassung hat der BGH festgehalten (vgl. BGH, Urt. v. 20.3.2017, AnwZ (Brfg) 22/16). Einigkeit besteht ferner darüber, dass die Haltegesellschaft nicht der Zulassungspflicht der §§ 59b ff BRAO n.F. unterliegt.
Im Zuge des (u.a.) durch das Urteil des BGH vom 20.3.2017 ausgelösten Reformprozesses des Berufsausübungsrechts bestand Einigkeit darüber, dass die von der Rechtsprechung bereits anerkannte Zulässigkeit des Haltens von Gesellschaftsanteilen von Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die allein auf diesen Zweck ausgerichtet sind, nicht angetastet werden sollte.
Aber auch wenn angenommen würde, dass mit den §§ 59b ff BRAO einheitliche Regelungen für alle Formen der Beteiligung von Gesellschaften an Berufsausübungsgesellschaften geschaffen werden sollten, kann das "Gebot der aktiven Mitarbeit" der Zulässigkeit der alleinigen Beteiligung einer Haltegesellschaft an einer Berufsausübungsgesellschaft nicht entgegenstehen. Andernfalls könnte das im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich erklärte Ziel, die anerkannte Zulässigkeit des Haltens von Gesellschaftsanteilen durch Gesellschaften bürgerlichen Rechts, nicht erreicht werden. Denn dann müsste mindestens eine weitere natürliche Person als Gesellschafterin der zuzulassenden Berufsausübungsgesellschaft auftreten, die in der Berufsausübungsgesellschaft mitarbeitet.
Vor der Zulassung der Klägerin als Berufsausübungsgesellschaft ist allerdings spiegelbildlich zu den Regelungen aus §§ 59b Abs.1 u. §59c BRAO zu prüfen, ob durch die Satzung der Klägerin sichergestellt ist, dass der Haltegesellschaft nur Personen und Gesellschaften angehören, die sämtliche berufsrechtliche Anforderungen erfüllen. Da die Beklagte die Satzung der Klägerin nicht eingesehen und nicht geprüft hat, ist die Sache nicht entscheidungsreif.
Die Berufung war zuzulassen. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Rechtsanwaltsgesellschaft als Berufsausübungsgesellschaft zuzulassen ist, deren einzige Gesellschafterin in Form einer GbR als Haltegesellschaft konzipiert ist, hat grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung durch den BGH liegt aus Gründen der Rechtssicherheit im allgemeinen Interesse.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung:
Freiberufler-GmbH: Partnerschaftsgesellschaft kann nicht Gesellschafterin einer Rechtsanwalts-GmbH sein
BGH vom 20.3.2017 - ANWZ (BRFG) 33/16
GmbHR 2017, 576
Aufsatz:
Die BRAO-Reform 2021 - ein Rundumschlag
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Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Bestellte Geschäftsführer der Klägerin sind der Rechtsanwalt und Notar Dr. L. T. G. sowie der Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. V. H.. Die Klägerin begehrt die Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft nach § 59b BRAO.
Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die Y. GbR. Die Gesellschafter der Y. GbR sind die Rechtsanwälte Dr. G. und Dr. H. sowie die von der Beklagten als Berufsausübungsgesellschaft zugelassene O. mbB. Die Y. GbR ist nicht als Berufsausübungsgesellschaft zugelassen; sie ist als sog. "Haltegesellschaft" konzipiert.
Den Antrag auf Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft lehnte die Beklagte ab. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, nach § 59b Abs.1 S.1 BRAO müsse eine Berufsausübungsgesellschaft der gemeinschaftlichen Ausübung des Rechtsanwaltsberufes dienen. Es gelte das Gebot der aktiven Mitarbeit. Eine solche aktive Mitarbeit sei der Halte-GbR als Gesellschafterin nicht möglich. Daher müsse wenigstens ein weiterer Gesellschafter aufgenommen werden, welcher zur Berufsausübung berechtigt sei.
Die Klage vor dem AGH war erfolgreich. Die Berufung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
Die Gründe:
Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin neu zu bescheiden, § 113 Abs.5 S.2 VwGO. Die Zulassung der Klägerin als Berufsausübungsgesellschaft scheitert jedenfalls nicht an dem Gebot der aktiven Mitarbeit.
Nach § 59b Abs.1 S.1 BRAO dürfen sich Rechtsanwälte zur gemeinschaftlichen Ausübung ihres Berufs zu Berufsausübungsgesellschaften verbinden. Aus dieser Regelung leitet sich das "Gebot der aktiven Mitarbeit" der Gesellschafter in der Berufsausübungsgesellschaft ab. Die einzige Gesellschafterin der Klägerin, die Y. GbR, ist demgegenüber als Haltegesellschaft konzipiert, deren einziger Gesellschaftszweck nach dem Inhalt des Zulassungsantrags das Halten von Anteilen an einer zugelassenen Berufsausübungsgesellschaft und nicht die aktive Mitarbeit in der Gesellschaft ist.
Die Konzeption der Y. GbR als Haltegesellschaft steht der Zulassung der Klägerin dennoch nicht entgegen. Der Senat geht primär davon aus, dass die in den §§ 59b ff BRAO umgesetzte Berufsrechtsreform die Zulässigkeit der Beteiligung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts in Form der Haltegesellschaft als einzige Gesellschafterin einer Berufsausübungsgesellschaft nicht berühren sollte.
Die Zulässigkeit der alleinigen Beteiligung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Haltegesellschaft an einer Berufsausübungsgesellschaft geht zurück auf die Entscheidung des BGH v. 9.7.2001 (PatAnwZ 1/00). Mit diesem Beschluss hat der BGH für die Patentanwaltsgesellschaft mbH entschieden, dass auch sämtliche Gesellschaftsanteile einer Patentanwaltsgesellschaft in Form einer GbR gehalten werden können, wenn durch die Satzung der GmbH sichergestellt ist, dass der GbR nur Personen angehören, die ihrerseits zulässige Mitglieder einer Patentanwaltsgesellschaft nach § 52e PAO sein können. An dieser Rechtsauffassung hat der BGH festgehalten (vgl. BGH, Urt. v. 20.3.2017, AnwZ (Brfg) 22/16). Einigkeit besteht ferner darüber, dass die Haltegesellschaft nicht der Zulassungspflicht der §§ 59b ff BRAO n.F. unterliegt.
Im Zuge des (u.a.) durch das Urteil des BGH vom 20.3.2017 ausgelösten Reformprozesses des Berufsausübungsrechts bestand Einigkeit darüber, dass die von der Rechtsprechung bereits anerkannte Zulässigkeit des Haltens von Gesellschaftsanteilen von Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die allein auf diesen Zweck ausgerichtet sind, nicht angetastet werden sollte.
Aber auch wenn angenommen würde, dass mit den §§ 59b ff BRAO einheitliche Regelungen für alle Formen der Beteiligung von Gesellschaften an Berufsausübungsgesellschaften geschaffen werden sollten, kann das "Gebot der aktiven Mitarbeit" der Zulässigkeit der alleinigen Beteiligung einer Haltegesellschaft an einer Berufsausübungsgesellschaft nicht entgegenstehen. Andernfalls könnte das im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich erklärte Ziel, die anerkannte Zulässigkeit des Haltens von Gesellschaftsanteilen durch Gesellschaften bürgerlichen Rechts, nicht erreicht werden. Denn dann müsste mindestens eine weitere natürliche Person als Gesellschafterin der zuzulassenden Berufsausübungsgesellschaft auftreten, die in der Berufsausübungsgesellschaft mitarbeitet.
Vor der Zulassung der Klägerin als Berufsausübungsgesellschaft ist allerdings spiegelbildlich zu den Regelungen aus §§ 59b Abs.1 u. §59c BRAO zu prüfen, ob durch die Satzung der Klägerin sichergestellt ist, dass der Haltegesellschaft nur Personen und Gesellschaften angehören, die sämtliche berufsrechtliche Anforderungen erfüllen. Da die Beklagte die Satzung der Klägerin nicht eingesehen und nicht geprüft hat, ist die Sache nicht entscheidungsreif.
Die Berufung war zuzulassen. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Rechtsanwaltsgesellschaft als Berufsausübungsgesellschaft zuzulassen ist, deren einzige Gesellschafterin in Form einer GbR als Haltegesellschaft konzipiert ist, hat grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung durch den BGH liegt aus Gründen der Rechtssicherheit im allgemeinen Interesse.
Rechtsprechung:
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BGH vom 20.3.2017 - ANWZ (BRFG) 33/16
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Aufsatz:
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