Zum Vorrang der Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung
BGH v. 22.11.2022 - XI ZB 28/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem KapMuG darüber, ob der bei der Emission der Beteiligung "H. " (im Folgenden: Fonds) am 14.7.2006 aufgestellte Prospekt (im Folgenden: Prospekt) fehlerhaft ist und ob die Musterbeklagten hierfür aufgrund sog. bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen werden können.
Bei dem Fonds handelte es sich um eine Beteiligung an vier Einschiffgesellschaften in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Gegenstand der Unternehmen war der Erwerb und Betrieb des jeweiligen Schiffs. Die Musterbeklagte zu 1) war im Prospekt als Prospektverantwortliche aufgeführt und Gründungsgesellschafterin der vier Einschiffgesellschaften. Die Musterbeklagte zu 2) war ebenfalls Gründungsgesellschafterin sowie Schwestergesellschaft der Musterbeklagten zu 1), Treuhandkommanditistin und Gesellschafterin der geschäftsführenden Komplementär-Gesellschaften der Einschiffgesellschaften mit einem Anteil von jeweils 50%. Die Musterbeklagte zu 3) wurde aufgrund des Spaltungs- und Übernahmevertrags vom 11.4.2013 von der Musterbeklagten zu 2) abgespalten.
Die Musterbeklagten werden auf Schadensersatz wegen der Verwendung eines fehlerhaften Prospekts und damit einhergehender Verletzungen vorvertraglicher Aufklärungspflichten nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen.
Das LG legte dem OLG Feststellungsziele zum Zweck der Herbeiführung eines Musterentscheids vor. Das OLG konkretisierte einige Feststellungsziele, mit denen Prospektfehler geltend gemacht werden. Das OLG erklärte durch Musterentscheid den Vorlagebeschluss des LG für gegenstandslos. Zudem wies es den Antrag der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Musterklägers auf Bewilligung einer besonderen Gebühr gem. § 41a Abs. 1 Satz 1 RVG zurück. Die gegen den Musterentscheid gerichteten Rechtsbeschwerden des Musterklägers und zweier Beigeladener hatten vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat zu Recht darauf abgestellt, dass die mit den Feststellungszielen behaupteten Prospektfehler ausschließlich als anspruchsbegründende Tatsachen eines Anspruchs wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten durch Verwenden eines unrichtigen oder unvollständigen Verkaufsprospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung geltend gemacht worden sind. Das OLG ist ferner zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass es wegen des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung für die Frage, ob Prospektfehler vorliegen, am Sachentscheidungsinteresse fehlt, so dass der Vorlagebeschluss gegenstandslos ist.
Eine Haftung der Musterbeklagten als Gründungsgesellschafterinnen aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB kann nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird was der Senat in gefestigter Rechtsprechung entscheidet vielmehr durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt. Nichts anderes gilt für die Musterbeklagte zu 3), die aufgrund des Spaltungs- und Übernahmevertrags vom 11.4.2013 für die vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründeten Verbindlichkeiten der Musterbeklagten zu 2) gesamtschuldnerisch haftet. Auf den am 14.7.2006 aufgestellten Prospekt findet die Regelung des § 8g VerkProspG in der vom 1.7.2005 bis zum 31.5.2012 geltenden Fassung (a.F.) i.V.m. § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31.5.2012 geltenden Fassung (a.F.) eröffnet.
Die Musterbeklagte zu 1) ist Prospektverantwortliche i.S.v. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG a.F., denn sie hat die Verantwortung für den Prospekt ausdrücklich übernommen (Seite 9 des Prospekts). Die Musterbeklagten zu 1) und 2) sind Gründungskommanditistinnen der vier Einschiffgesellschaften und als solche Prospektveranlasserinnen i.S.v. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG a.F. Die Musterbeklagte zu 3) haftet aufgrund der Abspaltung von der Musterbeklagten zu 2) gem. § 123 Abs. 2, § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG für deren vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründete Verbindlichkeiten als Gesamtschuldnerin. Die Musterbeklagten hafteten mithin für unrichtige oder unvollständige wesentliche Angaben nach den Grundsätzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG a.F. Neben dieser ist eine Haftung der Musterbeklagten unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung ausgeschlossen.
Dies gilt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerden auch für die auf diesen Aspekt gestützte Haftung der Musterbeklagten zu 2) als Treuhandkommanditistin. Dass die Musterbeklagte zu 2) nicht nur Gründungsgesellschafterin, sondern auch Treuhandkommanditistin ist, verstärkt deren Stellung als "Hintermann" und somit als Prospektveranlasserin i.S.d. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG a.F. Die Haftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG a.F. verwirklicht in der Person eines Gründungs- und zugleich Treuhandkommanditisten stets auch die Voraussetzungen des Verschuldens bei Vertragsschluss mittels Verwendens eines fehlerhaften Verkaufsprospekts (§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB) und zwar unabhängig davon, ob es um den Abschluss des Gesellschafts- oder des Treuhandvertrags geht.
Wollte man diese allgemeinen Haftungsgrundsätze neben § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG a.F. ohne jede Einschränkung zur Anwendung bringen, hätte ein solcher Prospektveranlasser im Gegensatz zu einem Prospektveranlasser, der diese Stellung allein wegen seiner Funktion als Gründungskommanditist einnimmt nicht die Möglichkeit, sich mit dem Nachweis einfach fahrlässiger Unkenntnis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts zu entlasten (§ 45 Abs. 1 BörsG a.F.) oder sich auf die Sonderverjährungsfrist des § 46 BörsG a.F. zu berufen. Dass der Gesetzgeber innerhalb der Gruppe der Prospektveranlasser nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG a.F. eine derartige Unterscheidung einführen wollte, ist nicht ersichtlich.
Die Haftung als Treuhandkommanditist aufgrund Verschulden bei Vertragsschluss mittels Verwendens eines fehlerhaften Verkaufsprospekts stellt zudem keinen weitergehenden Anspruch i.S.d. § 47 Abs. 2 BörsG a.F. dar. Vielmehr entspricht die Haftung insoweit der vorvertraglichen Haftung eines Gründungsgesellschafters oder bleibt sogar was offenbleiben kann hinter dieser zurück. Eine solche Haftung fällt nicht unter § 47 Abs. 2 BörsG a.F.
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Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem KapMuG darüber, ob der bei der Emission der Beteiligung "H. " (im Folgenden: Fonds) am 14.7.2006 aufgestellte Prospekt (im Folgenden: Prospekt) fehlerhaft ist und ob die Musterbeklagten hierfür aufgrund sog. bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen werden können.
Bei dem Fonds handelte es sich um eine Beteiligung an vier Einschiffgesellschaften in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Gegenstand der Unternehmen war der Erwerb und Betrieb des jeweiligen Schiffs. Die Musterbeklagte zu 1) war im Prospekt als Prospektverantwortliche aufgeführt und Gründungsgesellschafterin der vier Einschiffgesellschaften. Die Musterbeklagte zu 2) war ebenfalls Gründungsgesellschafterin sowie Schwestergesellschaft der Musterbeklagten zu 1), Treuhandkommanditistin und Gesellschafterin der geschäftsführenden Komplementär-Gesellschaften der Einschiffgesellschaften mit einem Anteil von jeweils 50%. Die Musterbeklagte zu 3) wurde aufgrund des Spaltungs- und Übernahmevertrags vom 11.4.2013 von der Musterbeklagten zu 2) abgespalten.
Die Musterbeklagten werden auf Schadensersatz wegen der Verwendung eines fehlerhaften Prospekts und damit einhergehender Verletzungen vorvertraglicher Aufklärungspflichten nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen.
Das LG legte dem OLG Feststellungsziele zum Zweck der Herbeiführung eines Musterentscheids vor. Das OLG konkretisierte einige Feststellungsziele, mit denen Prospektfehler geltend gemacht werden. Das OLG erklärte durch Musterentscheid den Vorlagebeschluss des LG für gegenstandslos. Zudem wies es den Antrag der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Musterklägers auf Bewilligung einer besonderen Gebühr gem. § 41a Abs. 1 Satz 1 RVG zurück. Die gegen den Musterentscheid gerichteten Rechtsbeschwerden des Musterklägers und zweier Beigeladener hatten vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat zu Recht darauf abgestellt, dass die mit den Feststellungszielen behaupteten Prospektfehler ausschließlich als anspruchsbegründende Tatsachen eines Anspruchs wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten durch Verwenden eines unrichtigen oder unvollständigen Verkaufsprospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung geltend gemacht worden sind. Das OLG ist ferner zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass es wegen des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung für die Frage, ob Prospektfehler vorliegen, am Sachentscheidungsinteresse fehlt, so dass der Vorlagebeschluss gegenstandslos ist.
Eine Haftung der Musterbeklagten als Gründungsgesellschafterinnen aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB kann nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird was der Senat in gefestigter Rechtsprechung entscheidet vielmehr durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt. Nichts anderes gilt für die Musterbeklagte zu 3), die aufgrund des Spaltungs- und Übernahmevertrags vom 11.4.2013 für die vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründeten Verbindlichkeiten der Musterbeklagten zu 2) gesamtschuldnerisch haftet. Auf den am 14.7.2006 aufgestellten Prospekt findet die Regelung des § 8g VerkProspG in der vom 1.7.2005 bis zum 31.5.2012 geltenden Fassung (a.F.) i.V.m. § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31.5.2012 geltenden Fassung (a.F.) eröffnet.
Die Musterbeklagte zu 1) ist Prospektverantwortliche i.S.v. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG a.F., denn sie hat die Verantwortung für den Prospekt ausdrücklich übernommen (Seite 9 des Prospekts). Die Musterbeklagten zu 1) und 2) sind Gründungskommanditistinnen der vier Einschiffgesellschaften und als solche Prospektveranlasserinnen i.S.v. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG a.F. Die Musterbeklagte zu 3) haftet aufgrund der Abspaltung von der Musterbeklagten zu 2) gem. § 123 Abs. 2, § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG für deren vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründete Verbindlichkeiten als Gesamtschuldnerin. Die Musterbeklagten hafteten mithin für unrichtige oder unvollständige wesentliche Angaben nach den Grundsätzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG a.F. Neben dieser ist eine Haftung der Musterbeklagten unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung ausgeschlossen.
Dies gilt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerden auch für die auf diesen Aspekt gestützte Haftung der Musterbeklagten zu 2) als Treuhandkommanditistin. Dass die Musterbeklagte zu 2) nicht nur Gründungsgesellschafterin, sondern auch Treuhandkommanditistin ist, verstärkt deren Stellung als "Hintermann" und somit als Prospektveranlasserin i.S.d. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG a.F. Die Haftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG a.F. verwirklicht in der Person eines Gründungs- und zugleich Treuhandkommanditisten stets auch die Voraussetzungen des Verschuldens bei Vertragsschluss mittels Verwendens eines fehlerhaften Verkaufsprospekts (§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB) und zwar unabhängig davon, ob es um den Abschluss des Gesellschafts- oder des Treuhandvertrags geht.
Wollte man diese allgemeinen Haftungsgrundsätze neben § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG a.F. ohne jede Einschränkung zur Anwendung bringen, hätte ein solcher Prospektveranlasser im Gegensatz zu einem Prospektveranlasser, der diese Stellung allein wegen seiner Funktion als Gründungskommanditist einnimmt nicht die Möglichkeit, sich mit dem Nachweis einfach fahrlässiger Unkenntnis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts zu entlasten (§ 45 Abs. 1 BörsG a.F.) oder sich auf die Sonderverjährungsfrist des § 46 BörsG a.F. zu berufen. Dass der Gesetzgeber innerhalb der Gruppe der Prospektveranlasser nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG a.F. eine derartige Unterscheidung einführen wollte, ist nicht ersichtlich.
Die Haftung als Treuhandkommanditist aufgrund Verschulden bei Vertragsschluss mittels Verwendens eines fehlerhaften Verkaufsprospekts stellt zudem keinen weitergehenden Anspruch i.S.d. § 47 Abs. 2 BörsG a.F. dar. Vielmehr entspricht die Haftung insoweit der vorvertraglichen Haftung eines Gründungsgesellschafters oder bleibt sogar was offenbleiben kann hinter dieser zurück. Eine solche Haftung fällt nicht unter § 47 Abs. 2 BörsG a.F.
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