Zur Anwendbarkeit der Grundsätze über die fehlerhafte Organbestellung auf den besonderen Vertreter
BGH v. 17.9.2024 - II ZR 221/22
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft, deren Aktien sich auf drei Familienstämme verteilen. Im Jahr 2006 gelangte der Aktionär Dr. K. durch den Zukauf von Aktien in Besitz von mehr als 25 % der Aktien der Beklagten. Im Jahr 2011 erwarb Dr. K. weitere rund 25 % der Aktien der Beklagten. In diesem Zeitraum war er an der Dr. R. GmbH & Co. KG als Kommanditist mit 99% des Kommanditkapitals sowie als Alleingesellschafter und Geschäftsführer an deren Komplementärin, der Dr. R. GmbH, beteiligt. Die Mutter von Dr. K., Dr. K. K.-R., war Geschäftsführerin der Dr. R. GmbH & Co. KG und stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats der Beklagten. Dr. K. zeigte mit Schreiben vom 3.9.2011 die Übernahme der Mehrheit der Anteile an der Beklagten an und holte zugleich die Mitteilung der Überschreitung der 25%-Schwelle nach, die im Jahr 2006 nicht erfolgt war. Für die Geschäftsjahre 2006 bis 2010 wurden an Dr. K. Dividenden i.H.v. rd. 8,2 Mio. € ausgezahlt, die der Vorstand der Beklagten in der Folgezeit nicht zurückforderte.
Im August 2015 zeigte der Aktionär P. der Beklagten schriftlich an, dass ihm mit Wirkung vom 26.9.2011 mehr und ab dem 1.12.2012 weniger als ein Viertel der Aktien gehört hätten. Hintergrund war der Erwerb des aus dem Nachlass seiner Großmutter G. P. stammenden, sodann zum 26.9.2011 an den Aktionär Dr. K. übertragenen und von diesem an den Aktionär P. verpfändeten und zur Sicherheit abgetretenen Aktienpakets sowie der Erwerb eines weiteren, mit einem Ertragsnießbrauch zugunsten seiner Mutter belasteten Aktienpakets. Im Juli 2011 hatte der Aktionär P. ein Gewerbe zum An- und Verkauf von Fahrzeugen angemeldet. Die für das Jahr 2011 an ihn ausgezahlte Dividende i.H.v. rd. 7,4 Mio. € wurde vom Vorstand der Beklagten ebenfalls nicht zurückgefordert.
Auf der Hauptversammlung der Beklagten vom 6.10.2015 wurde unter den Tagesordnungspunkten A und B mit den Stimmen des Familienstamms Dr. P. K., der im Jahr 2015 rund 32,3 % der Aktien hielt, unter der Annahme eines Stimmverbots für die Aktionäre Dr. K. und P. beschlossen, dass Ersatzansprüche der Beklagten gegen die Aktionäre Dr. K. und P. sowie Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats "im Zusammenhang mit der Ausschüttung von Dividenden trotz Rechtsverlusts" durch den zu diesem Zweck zum besonderen Vertreter bestellten Drittwiderbeklagten geltend gemacht werden sollten. Eine Anfechtung der Geltendmachungs- und Bestellungsbeschlüsse erfolgte nicht.
Am 8.10.2015 schloss der Drittwiderbeklagte im Namen der Beklagten mit der Klägerin einen Mandatsvertrag und eine separate Vergütungsvereinbarung auf Stundenlohnbasis ab, in der die Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz als Mindestgebühr vorgesehen waren. Die in Bezug auf seine eigene Tätigkeit getroffene Vergütungsvereinbarung regelte eine Abrechnung nach dem tatsächlichen Zeitaufwand zu einem Stundensatz von 400 € mit Berechnung je angefangener 10 Minuten zeitanteilig (Ziffer 2.1), ein Mindesthonorar in Höhe der gesetzlichen Gebühren nach dem RVG (Ziffer 2.3) und die Berechnung auftragsbezogener tatsächlicher Auslagen, z.B. Fahrtkosten, Übernachtungen, Telekommunikation (Ziffer 3). Der Drittwiderbeklagte schloss für seine Tätigkeit eine Haftpflichtversicherung über eine Haftsumme von 16 Mio. € im eigenen Namen ab.
Auf Grundlage der Geltendmachungs- und Bestellungsbeschlüsse machte der Drittwiderbeklagte Ersatzansprüche gegen die Aktionäre Dr. K. und P. sowie Mitglieder des Aufsichtsrats und Vorstands der Beklagten i.H.v. etwa 15,5 Mio. € gerichtlich geltend. Die Klage blieb in zwei Instanzen ohne Erfolg. Das Berufungsgericht des Vorprozesses (OLG Karlsruhe, ZIP 2018, 627 ff.) war mit dem LG (LG Heidelberg, AG 2017, 497 ff.) der Ansicht, dass die Klage unzulässig sei. Der Drittwiderbeklagte habe die Beklagte nicht wirksam vertreten können, da der Beschluss der Hauptversammlung vom 6.10.2015 zu seiner Bestellung zum besonderen Vertreter nichtig sei. Mit Schreiben vom 3.4.2018 legte der Drittwiderbeklagte sein Amt und die Klägerin ihr Mandat nieder. Das Urteil wurde rechtskräftig, nachdem die Beklagte die vom Berufungsgericht des Vorprozesses zugelassene Revision nicht eingelegt hatte.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten restliche Vergütung für ihre anwaltliche Tätigkeit sowie Vergütung und Auslagenersatz aus abgetretenem Recht des Drittwiderbeklagten im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit als besonderer Vertreter der Beklagten. Die Beklagte nimmt den Drittwiderbeklagten auf Ersatz der ihr im Zusammenhang mit dem erfolglos geführten Vorprozess entstandenen Kosten in Anspruch.
Das LG (LG Heidelberg, ZIP 2020, 167 ff.) gab der Klage teilweise statt, verurteilte die Beklagte zur Zahlung einer restlichen Anwaltsvergütung i.H.v. rd. 180.000 € und wies die Klage im Übrigen ab. Auf die Drittwiderklage verurteilte es den Drittwiderbeklagten zur Zahlung von rd. 1,5 Mio. €. Das OLG wies die Berufung der Klägerin zurück, änderte auf die Berufung und Anschlussberufung der Beklagten das Urteil des LG unter Berücksichtigung einer Hilfsaufrechnung gegen den aus abgetretenem Recht verfolgten Klageanspruch i.H.v. rd. 10.000 € lediglich im Zinsausspruch ab und ermäßigte auf die Berufung des Drittwiderbeklagten dessen Verurteilung auf die Zahlung von rd. 1,1 Mio. €. Mit ihren Revisionen wenden sich die Parteien jeweils gegen das Berufungsurteil, soweit zu ihren Lasten erkannt worden ist.
Auf die Revisionen der Klägerin und des Drittwiderbeklagten hob der BGH das Urteil des OLG insoweit auf, als der Klageanspruch auf die Hilfsaufrechnung der Beklagten hin abgewiesen und zum Nachteil des Drittwiderbeklagten erkannt wurde, und verwies die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Die gegen das Urteil des OLG gerichteten Angriffe der Revision der Beklagten haben u.a. insoweit keinen Erfolg, als diese sich gegen die Verurteilung zur Zahlung restlicher Anwaltsvergütung richten.
Das OLG hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Klägerin ein Restvergütungsanspruch aus einem Anwaltsvertrag zusteht. Der Drittwiderbeklagte hat die Beklagte nach den Grundsätzen der fehlerhaften Bestellung gegenüber der Klägerin wirksam vertreten, so dass es auf die Frage, ob die Klägerin auf den Rechtsschein einer wirksamen Bestellung des Drittwiderbeklagten vertrauen konnte, nicht ankommt. Die Geltendmachungsbeschlüsse sind nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig, soweit von ihnen Ansprüche gegenüber den Aktionären wegen unberechtigter Dividendenzahlung, also Ansprüche aus § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20 Abs. 1 AktG, erfasst sind. Das OLG ist aufgrund dessen rechtsfehlerfrei von der Gesamtnichtigkeit der Geltendmachungsbeschlüsse ausgegangen. Die Bestellungsbeschlüsse haben im Hinblick darauf keine Grundlage.
Das OLG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die mit der Klägerin geschlossene Mandatsvereinbarung wirksam zustande gekommen ist. Im Rahmen seines Aufgabenkreises besitzt der besondere Vertreter Organqualität, so dass die Grundsätze der fehlerhaften Bestellung auf ihn anwendbar sind. Dies hat zur Folge, dass auch bei einer Nichtigerklärung des angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses die bis zur Abberufung vollzogenen Rechtshandlungen des besonderen Vertreters für die Gesellschaft wirksam bleiben. Dies gilt entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht auch für Handlungen des besonderen Vertreters im Außenverhältnis.
Entgegen der Auffassung des OLG steht dem die Rechtsprechung des Senats nicht entgegen, wonach das Aufsichtsratsmitglied, dessen Wahl nichtig ist oder für nichtig erklärt wird, für die Stimmabgabe und Beschlussfassung wie ein Nichtmitglied zu behandeln ist. Die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Bestellung kann ausnahmsweise aufgrund höherrangiger Interessen der Allgemeinheit bzw. einzelner besonders schutzwürdiger Personen ausgeschlossen sein. Ein solcher Ausschluss ist anzunehmen, wenn die rechtliche Anerkennung des tatsächlichen, fehlerhaften Zustands zu gewichtigen Interessen der Allgemeinheit oder einzelner besonders schutzwürdiger Personen in Widerspruch treten würde. Durch den im Streit stehenden Bestellungsbeschluss werden besonders schutzwürdige Individualbelange, etwa geschäfts- oder organunfähiger Personen, erkennbar nicht berührt.
Die Tätigkeit des Drittwiderbeklagten ist nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Organbestellung zu vergüten. Dem vom OLG zugesprochenen Vergütungsanspruch des Drittwiderbeklagten steht nicht entgegen, dass er sich auf Tätigkeiten des Drittwiderbeklagten bezieht, die erbracht wurden, nachdem der Vorstand der Beklagten dem Drittwiderbeklagten mit Schreiben vom 22.5.2017 und vom 19.6.2017 mitgeteilt hat, sein Tätigwerden für die Beklagte nicht zu akzeptieren, und ihn aufgefordert hat, seine Tätigkeit einzustellen. Diese einseitigen Erklärungen gegenüber dem Drittwiderbeklagten haben nicht dazu geführt, dass die fehlerhafte Bestellung mit Wirkung für die Zukunft beendet war. Ob der Vorstand die fehlerhafte Bestellung durch Erklärung gegenüber dem besonderen Vertreter beenden kann, ist umstritten. Der Senat entscheidet diese Frage dahingehend, dass der Vorstand der Aktiengesellschaft die fehlerhafte Bestellung eines besonderen Vertreters grundsätzlich nicht durch einseitige Erklärung beenden kann.
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BGH online
Die Beklagte ist eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft, deren Aktien sich auf drei Familienstämme verteilen. Im Jahr 2006 gelangte der Aktionär Dr. K. durch den Zukauf von Aktien in Besitz von mehr als 25 % der Aktien der Beklagten. Im Jahr 2011 erwarb Dr. K. weitere rund 25 % der Aktien der Beklagten. In diesem Zeitraum war er an der Dr. R. GmbH & Co. KG als Kommanditist mit 99% des Kommanditkapitals sowie als Alleingesellschafter und Geschäftsführer an deren Komplementärin, der Dr. R. GmbH, beteiligt. Die Mutter von Dr. K., Dr. K. K.-R., war Geschäftsführerin der Dr. R. GmbH & Co. KG und stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats der Beklagten. Dr. K. zeigte mit Schreiben vom 3.9.2011 die Übernahme der Mehrheit der Anteile an der Beklagten an und holte zugleich die Mitteilung der Überschreitung der 25%-Schwelle nach, die im Jahr 2006 nicht erfolgt war. Für die Geschäftsjahre 2006 bis 2010 wurden an Dr. K. Dividenden i.H.v. rd. 8,2 Mio. € ausgezahlt, die der Vorstand der Beklagten in der Folgezeit nicht zurückforderte.
Im August 2015 zeigte der Aktionär P. der Beklagten schriftlich an, dass ihm mit Wirkung vom 26.9.2011 mehr und ab dem 1.12.2012 weniger als ein Viertel der Aktien gehört hätten. Hintergrund war der Erwerb des aus dem Nachlass seiner Großmutter G. P. stammenden, sodann zum 26.9.2011 an den Aktionär Dr. K. übertragenen und von diesem an den Aktionär P. verpfändeten und zur Sicherheit abgetretenen Aktienpakets sowie der Erwerb eines weiteren, mit einem Ertragsnießbrauch zugunsten seiner Mutter belasteten Aktienpakets. Im Juli 2011 hatte der Aktionär P. ein Gewerbe zum An- und Verkauf von Fahrzeugen angemeldet. Die für das Jahr 2011 an ihn ausgezahlte Dividende i.H.v. rd. 7,4 Mio. € wurde vom Vorstand der Beklagten ebenfalls nicht zurückgefordert.
Auf der Hauptversammlung der Beklagten vom 6.10.2015 wurde unter den Tagesordnungspunkten A und B mit den Stimmen des Familienstamms Dr. P. K., der im Jahr 2015 rund 32,3 % der Aktien hielt, unter der Annahme eines Stimmverbots für die Aktionäre Dr. K. und P. beschlossen, dass Ersatzansprüche der Beklagten gegen die Aktionäre Dr. K. und P. sowie Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats "im Zusammenhang mit der Ausschüttung von Dividenden trotz Rechtsverlusts" durch den zu diesem Zweck zum besonderen Vertreter bestellten Drittwiderbeklagten geltend gemacht werden sollten. Eine Anfechtung der Geltendmachungs- und Bestellungsbeschlüsse erfolgte nicht.
Am 8.10.2015 schloss der Drittwiderbeklagte im Namen der Beklagten mit der Klägerin einen Mandatsvertrag und eine separate Vergütungsvereinbarung auf Stundenlohnbasis ab, in der die Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz als Mindestgebühr vorgesehen waren. Die in Bezug auf seine eigene Tätigkeit getroffene Vergütungsvereinbarung regelte eine Abrechnung nach dem tatsächlichen Zeitaufwand zu einem Stundensatz von 400 € mit Berechnung je angefangener 10 Minuten zeitanteilig (Ziffer 2.1), ein Mindesthonorar in Höhe der gesetzlichen Gebühren nach dem RVG (Ziffer 2.3) und die Berechnung auftragsbezogener tatsächlicher Auslagen, z.B. Fahrtkosten, Übernachtungen, Telekommunikation (Ziffer 3). Der Drittwiderbeklagte schloss für seine Tätigkeit eine Haftpflichtversicherung über eine Haftsumme von 16 Mio. € im eigenen Namen ab.
Auf Grundlage der Geltendmachungs- und Bestellungsbeschlüsse machte der Drittwiderbeklagte Ersatzansprüche gegen die Aktionäre Dr. K. und P. sowie Mitglieder des Aufsichtsrats und Vorstands der Beklagten i.H.v. etwa 15,5 Mio. € gerichtlich geltend. Die Klage blieb in zwei Instanzen ohne Erfolg. Das Berufungsgericht des Vorprozesses (OLG Karlsruhe, ZIP 2018, 627 ff.) war mit dem LG (LG Heidelberg, AG 2017, 497 ff.) der Ansicht, dass die Klage unzulässig sei. Der Drittwiderbeklagte habe die Beklagte nicht wirksam vertreten können, da der Beschluss der Hauptversammlung vom 6.10.2015 zu seiner Bestellung zum besonderen Vertreter nichtig sei. Mit Schreiben vom 3.4.2018 legte der Drittwiderbeklagte sein Amt und die Klägerin ihr Mandat nieder. Das Urteil wurde rechtskräftig, nachdem die Beklagte die vom Berufungsgericht des Vorprozesses zugelassene Revision nicht eingelegt hatte.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten restliche Vergütung für ihre anwaltliche Tätigkeit sowie Vergütung und Auslagenersatz aus abgetretenem Recht des Drittwiderbeklagten im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit als besonderer Vertreter der Beklagten. Die Beklagte nimmt den Drittwiderbeklagten auf Ersatz der ihr im Zusammenhang mit dem erfolglos geführten Vorprozess entstandenen Kosten in Anspruch.
Das LG (LG Heidelberg, ZIP 2020, 167 ff.) gab der Klage teilweise statt, verurteilte die Beklagte zur Zahlung einer restlichen Anwaltsvergütung i.H.v. rd. 180.000 € und wies die Klage im Übrigen ab. Auf die Drittwiderklage verurteilte es den Drittwiderbeklagten zur Zahlung von rd. 1,5 Mio. €. Das OLG wies die Berufung der Klägerin zurück, änderte auf die Berufung und Anschlussberufung der Beklagten das Urteil des LG unter Berücksichtigung einer Hilfsaufrechnung gegen den aus abgetretenem Recht verfolgten Klageanspruch i.H.v. rd. 10.000 € lediglich im Zinsausspruch ab und ermäßigte auf die Berufung des Drittwiderbeklagten dessen Verurteilung auf die Zahlung von rd. 1,1 Mio. €. Mit ihren Revisionen wenden sich die Parteien jeweils gegen das Berufungsurteil, soweit zu ihren Lasten erkannt worden ist.
Auf die Revisionen der Klägerin und des Drittwiderbeklagten hob der BGH das Urteil des OLG insoweit auf, als der Klageanspruch auf die Hilfsaufrechnung der Beklagten hin abgewiesen und zum Nachteil des Drittwiderbeklagten erkannt wurde, und verwies die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Die gegen das Urteil des OLG gerichteten Angriffe der Revision der Beklagten haben u.a. insoweit keinen Erfolg, als diese sich gegen die Verurteilung zur Zahlung restlicher Anwaltsvergütung richten.
Das OLG hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Klägerin ein Restvergütungsanspruch aus einem Anwaltsvertrag zusteht. Der Drittwiderbeklagte hat die Beklagte nach den Grundsätzen der fehlerhaften Bestellung gegenüber der Klägerin wirksam vertreten, so dass es auf die Frage, ob die Klägerin auf den Rechtsschein einer wirksamen Bestellung des Drittwiderbeklagten vertrauen konnte, nicht ankommt. Die Geltendmachungsbeschlüsse sind nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig, soweit von ihnen Ansprüche gegenüber den Aktionären wegen unberechtigter Dividendenzahlung, also Ansprüche aus § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20 Abs. 1 AktG, erfasst sind. Das OLG ist aufgrund dessen rechtsfehlerfrei von der Gesamtnichtigkeit der Geltendmachungsbeschlüsse ausgegangen. Die Bestellungsbeschlüsse haben im Hinblick darauf keine Grundlage.
Das OLG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die mit der Klägerin geschlossene Mandatsvereinbarung wirksam zustande gekommen ist. Im Rahmen seines Aufgabenkreises besitzt der besondere Vertreter Organqualität, so dass die Grundsätze der fehlerhaften Bestellung auf ihn anwendbar sind. Dies hat zur Folge, dass auch bei einer Nichtigerklärung des angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses die bis zur Abberufung vollzogenen Rechtshandlungen des besonderen Vertreters für die Gesellschaft wirksam bleiben. Dies gilt entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht auch für Handlungen des besonderen Vertreters im Außenverhältnis.
Entgegen der Auffassung des OLG steht dem die Rechtsprechung des Senats nicht entgegen, wonach das Aufsichtsratsmitglied, dessen Wahl nichtig ist oder für nichtig erklärt wird, für die Stimmabgabe und Beschlussfassung wie ein Nichtmitglied zu behandeln ist. Die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Bestellung kann ausnahmsweise aufgrund höherrangiger Interessen der Allgemeinheit bzw. einzelner besonders schutzwürdiger Personen ausgeschlossen sein. Ein solcher Ausschluss ist anzunehmen, wenn die rechtliche Anerkennung des tatsächlichen, fehlerhaften Zustands zu gewichtigen Interessen der Allgemeinheit oder einzelner besonders schutzwürdiger Personen in Widerspruch treten würde. Durch den im Streit stehenden Bestellungsbeschluss werden besonders schutzwürdige Individualbelange, etwa geschäfts- oder organunfähiger Personen, erkennbar nicht berührt.
Die Tätigkeit des Drittwiderbeklagten ist nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Organbestellung zu vergüten. Dem vom OLG zugesprochenen Vergütungsanspruch des Drittwiderbeklagten steht nicht entgegen, dass er sich auf Tätigkeiten des Drittwiderbeklagten bezieht, die erbracht wurden, nachdem der Vorstand der Beklagten dem Drittwiderbeklagten mit Schreiben vom 22.5.2017 und vom 19.6.2017 mitgeteilt hat, sein Tätigwerden für die Beklagte nicht zu akzeptieren, und ihn aufgefordert hat, seine Tätigkeit einzustellen. Diese einseitigen Erklärungen gegenüber dem Drittwiderbeklagten haben nicht dazu geführt, dass die fehlerhafte Bestellung mit Wirkung für die Zukunft beendet war. Ob der Vorstand die fehlerhafte Bestellung durch Erklärung gegenüber dem besonderen Vertreter beenden kann, ist umstritten. Der Senat entscheidet diese Frage dahingehend, dass der Vorstand der Aktiengesellschaft die fehlerhafte Bestellung eines besonderen Vertreters grundsätzlich nicht durch einseitige Erklärung beenden kann.
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