02.07.2021

Zur negativen Publizität des Vereinsregisters

Ein vom bisherigen Vorstand beauftragter Rechtsanwalt ist im Hinblick auf die Prozessvollmacht kein Dritter i.S.v. § 68 BGB und kann sich deshalb nicht auf die negative Publizität des Vereinsregisters berufen.

BGH v. 11.5.2021 - II ZB 32/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger will festgestellt wissen, dass die in einer Versammlung der beklagten Mitglieder vom 11.11.2018 gefassten Beschlüsse, darunter die Abberufung seines bisherigen Vorstands und satzungsgemäß sog. Ersten Vorsitzenden Dr. T. , nichtig sind.

Das LG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Bei Klageeinreichung am 19.11.2018 sei der Kläger nicht gem. § 51 Abs. 1 ZPO nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts vertreten gewesen, da die Bestellung Dr. T. zu diesem Zeitpunkt bereits wirksam widerrufen worden sei. Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt, die das OLG mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen hat. Auch die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Klägers blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Bestellung des als gesetzlicher Vertreter des Klägers auftretenden Dr. T. in der Mitgliederversammlung vom 11.11.2018 widerrufen worden ist. Der Beschluss der Mitgliederversammlung begegnet keinen Wirksamkeitsbedenken. Die beklagten Mitglieder waren durch Beschluss des AG ermächtigt worden, die Versammlung mit der Tagesordnung "Abberufung des Vorstands und Neuwahl" einzuberufen (§ 37 Abs. 2 BGB). Die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg. Einberufungsmängel sind nicht ersichtlich.

An dem Vollmachtmangel ändert nichts, dass der Widerruf der Bestellung erst am 7.12.2018 im Vereinsregister eingetragen worden ist. Die Eintragung wirkt nämlich nur deklaratorisch. Der von Dr. T. "bevollmächtigte" Rechtsanwalt konnte sich auch nicht auf die negative Publizität des Vereinsregisters berufen (§ 68 BGB). Dieser trat dem Kläger im Hinblick auf die Prozessvollmacht schon nicht als Dritter i.S.v. § 68 BGB gegenüber. Die Vorschriften der §§ 78 ff. ZPO bilden für die Prozessvollmacht ein Sonderrecht. Materiell-rechtliche Regelungen über die Vollmacht können daher nur Geltung erlangen, wenn die ZPO auf sie verweist oder in ihnen allgemeine Rechtsgedanken der Stellvertretung zum Ausdruck kommen.

Das ist hier nicht der Fall. Es besteht kein Anlass, die dem Schutz des Geschäftsgegners dienende Vorschrift des § 68 BGB auf die Prozessvollmacht anzuwenden, zumal der ZPO eine Rechtsscheinshaftung des Vollmachtgebers fremd ist. Zudem muss der Rechtsanwalt, der den Kläger bereits im Ermächtigungsverfahren (§ 37 Abs. 2 BGB) vertreten hatte, bei lebensnaher Betrachtung mit der Beauftragung zur Klage gegen die in der Mitgliederversammlung vom 11.11.2018 gefassten Beschlüsse bekannt gewesen sein, dass darin die Bestellung Dr. T. widerrufen worden ist.

Damit hatte er Kenntnis von der Änderung des Vorstands, die nicht schon durch die im Interesse Dr. T. erhobene Nichtigkeitsfeststellungsklage ausgeschlossen wird, weswegen ihm die Änderung unbeschadet der seinerzeit noch fehlenden Ein-tragung entgegengesetzt werden kann. Jedenfalls musste sich der Rechtsanwalt der Bestellungswiderruf aufdrängen, so dass es ihm letztlich auch nach § 242 BGB verwehrt wäre, sich auf die negative Publizität des Vereinsregisters zu berufen.
BGH online
Zurück