3 Mio € Schadensersatz: Finanzdienstleister haftet für fehlerhaften Angaben im Rahmen der Anlagenvermittlung
LG München I v. 24.4.2023 - 32 O 2905/22
Der Sachverhalt:
Die klagende Gemeinde hatte im November 2020 vermittelt durch den beklagten Finanzdienstleister mit einer Bank einen Vertrag über eine Festgeldanlage in Höhe von 3 Mio € abgeschlossen. Der Finanzdienstleister hatte der Gemeinde eine Übersicht über in Betracht kommende Festgeldanlagen zur Verfügung gestellt, bei der die Bonität der emittierenden Bank mit A- angegeben war. Tatsächlich war die Bonität auf BBB+ herabgestuft worden. Über das Vermögen der Bank wurde am 16.3.2021 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Geld war verloren, da es, was unstreitig bekannt war, keine Sicherheit über den Einlagensicherungsfonds gab.
Die Gemeinde machte geltend, sie hätte bei Kenntnis des wahren Sachverhalts die Festgeldanlage nicht gezeichnet; sie sei zur Beachtung einer A-Bonität auch verpflichtet gewesen. Der Finanzdienstleister vertrat die Ansicht, ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien liege nicht vor. Er habe rein aufgrund eines Maklervertrags mit der Bank gehandelt. Allein von dieser habe er auch Provision erhalten. Zwischen ihm und der Gemeinde sei weder ein Anlagevermittlungsvertrag noch ein Auskunftsvertrag zustande gekommen. Selbst wenn ein Schaden vorläge, sei dieser jedoch nicht auf die Fehlinformation über das Rating zurückzuführen, da dessen Verschlechterung lediglich geringfügig sei.
Das LG hat entschieden, dass der Finanzdienstleister für seine fehlerhaften Angaben haftet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Die Gründe:
Zwar ergeben sich aus dem zwischen dem Finanzdienstleister und der Bank geschlossenen Maklervertrag grundsätzlich keine vertraglichen Pflichten des Finanzdienstleisters gegenüber der Gemeinde. Ferner kann im Maklervertrag kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, hier der Gemeinde, gesehen werden, der einen Schadensersatzanspruch für die Klägerin rechtfertigen könnte. Auch bei Bestehen eines Maklervertrages kann aber zwischen dem Makler und dem Dritten ein weiteres, vom Maklervertrag unabhängiges Vertragsverhältnis, bestehen. Zwischen der Gemeinde und dem Finanzdienstleister ist insoweit konkludent ein Auskunftsvertrag im Rahmen der Anlagevermittlung geschlossen worden.
Der Finanzdienstleister ist gegenüber der Gemeinde nämlich nicht nur als "Makler", sondern unter der Bezeichnung "Finanzierungen/Anlagevermittlung" aufgetreten. Er hat so als Vermittler für Finanzprodukte und darüber hinaus durch das Auftreten seiner Mitarbeiterin als "Rating-Analyst (univ.)" für sich besondere Sachkunde reklamiert. Die Gemeinde hat durch die Inanspruchnahme der Leistungen des Finanzdienstleisters deutlich gemacht, dass sie auf dessen besondere Sachkunde und seine Verbindungen vertraue. Damit ist zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis geschlossen worden.
Der Annahme eines Auskunftsvertrags steht auch nicht entgegen, dass die Gemeinde selbst keine Zahlungen an den Finanzdienstleister geleistet hat. Es ist anerkannt, dass ein Anlagevermittlungsvertrag bzw. ein Auskunftsvertrag auch unentgeltlich geschlossen werden kann und bei Vermittlern auch regelmäßig unentgeltlich geschlossen wird.
Die falsche Auskunft des Finanzdienstleisters ist auch ursächlich für den Anlagenkauf der Gemeinde gewesen. Diese hätte die fragliche Festgeldanlage nicht abgeschlossen, wenn sie zutreffend informiert worden wäre, dass die emittierende Bank tatsächlich nur über ein Rating von BBB+ verfügte.
Dabei streitet im Rahmen eines Anlagevermittlungsvertrags für die Gemeinde die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Diese Vermutung hat der Finanzdienstleister nicht widerlegen können. Vielmehr hat die Gemeinde die Ursächlichkeit der fehlerhaften Auskunft für ihre Entscheidung nachweisen können. Das Gericht ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme der Überzeugung, dass die Klägerin bei Kenntnis des tatsächliche für die Bank bestehenden Ratings BBB+ vom Abschluss des streitgegenständlichen Vertrags mit der Bank Abstand genommen hätte.
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LG München I PM Nr. 11 vom 28.4.2023
Die klagende Gemeinde hatte im November 2020 vermittelt durch den beklagten Finanzdienstleister mit einer Bank einen Vertrag über eine Festgeldanlage in Höhe von 3 Mio € abgeschlossen. Der Finanzdienstleister hatte der Gemeinde eine Übersicht über in Betracht kommende Festgeldanlagen zur Verfügung gestellt, bei der die Bonität der emittierenden Bank mit A- angegeben war. Tatsächlich war die Bonität auf BBB+ herabgestuft worden. Über das Vermögen der Bank wurde am 16.3.2021 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Geld war verloren, da es, was unstreitig bekannt war, keine Sicherheit über den Einlagensicherungsfonds gab.
Die Gemeinde machte geltend, sie hätte bei Kenntnis des wahren Sachverhalts die Festgeldanlage nicht gezeichnet; sie sei zur Beachtung einer A-Bonität auch verpflichtet gewesen. Der Finanzdienstleister vertrat die Ansicht, ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien liege nicht vor. Er habe rein aufgrund eines Maklervertrags mit der Bank gehandelt. Allein von dieser habe er auch Provision erhalten. Zwischen ihm und der Gemeinde sei weder ein Anlagevermittlungsvertrag noch ein Auskunftsvertrag zustande gekommen. Selbst wenn ein Schaden vorläge, sei dieser jedoch nicht auf die Fehlinformation über das Rating zurückzuführen, da dessen Verschlechterung lediglich geringfügig sei.
Das LG hat entschieden, dass der Finanzdienstleister für seine fehlerhaften Angaben haftet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Die Gründe:
Zwar ergeben sich aus dem zwischen dem Finanzdienstleister und der Bank geschlossenen Maklervertrag grundsätzlich keine vertraglichen Pflichten des Finanzdienstleisters gegenüber der Gemeinde. Ferner kann im Maklervertrag kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, hier der Gemeinde, gesehen werden, der einen Schadensersatzanspruch für die Klägerin rechtfertigen könnte. Auch bei Bestehen eines Maklervertrages kann aber zwischen dem Makler und dem Dritten ein weiteres, vom Maklervertrag unabhängiges Vertragsverhältnis, bestehen. Zwischen der Gemeinde und dem Finanzdienstleister ist insoweit konkludent ein Auskunftsvertrag im Rahmen der Anlagevermittlung geschlossen worden.
Der Finanzdienstleister ist gegenüber der Gemeinde nämlich nicht nur als "Makler", sondern unter der Bezeichnung "Finanzierungen/Anlagevermittlung" aufgetreten. Er hat so als Vermittler für Finanzprodukte und darüber hinaus durch das Auftreten seiner Mitarbeiterin als "Rating-Analyst (univ.)" für sich besondere Sachkunde reklamiert. Die Gemeinde hat durch die Inanspruchnahme der Leistungen des Finanzdienstleisters deutlich gemacht, dass sie auf dessen besondere Sachkunde und seine Verbindungen vertraue. Damit ist zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis geschlossen worden.
Der Annahme eines Auskunftsvertrags steht auch nicht entgegen, dass die Gemeinde selbst keine Zahlungen an den Finanzdienstleister geleistet hat. Es ist anerkannt, dass ein Anlagevermittlungsvertrag bzw. ein Auskunftsvertrag auch unentgeltlich geschlossen werden kann und bei Vermittlern auch regelmäßig unentgeltlich geschlossen wird.
Die falsche Auskunft des Finanzdienstleisters ist auch ursächlich für den Anlagenkauf der Gemeinde gewesen. Diese hätte die fragliche Festgeldanlage nicht abgeschlossen, wenn sie zutreffend informiert worden wäre, dass die emittierende Bank tatsächlich nur über ein Rating von BBB+ verfügte.
Dabei streitet im Rahmen eines Anlagevermittlungsvertrags für die Gemeinde die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Diese Vermutung hat der Finanzdienstleister nicht widerlegen können. Vielmehr hat die Gemeinde die Ursächlichkeit der fehlerhaften Auskunft für ihre Entscheidung nachweisen können. Das Gericht ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme der Überzeugung, dass die Klägerin bei Kenntnis des tatsächliche für die Bank bestehenden Ratings BBB+ vom Abschluss des streitgegenständlichen Vertrags mit der Bank Abstand genommen hätte.
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