25.08.2015

§ 7 S. 1 ElektroG: Dauerhafte Kennzeichnung von Elektrogeräten setzt Mindestmaß an Unzerstörbarkeit voraus

Die Bestimmung des § 7 S. 1 ElektroG stellt insofern eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG dar, als sie den Schutz der Mitbewerber vor einer Belastung mit höheren Entsorgungskosten infolge nicht gekennzeichneter Elektrogeräte durch andere Marktteilnehmer bezweckt. Die Kennzeichnung eines Elektro- oder Elektronikgeräts ist als dauerhaft i.S.v. § 7 S. 1 ElektroG anzusehen, wenn sie ein Mindestmaß an Unzerstörbarkeit aufweist und auch sonst nicht unschwer zu entfernen ist.

BGH 9.7.2015, I ZR 224/13
Der Sachverhalt:
Die Parteien stehen beim Vertrieb von Kopfhörern und ähnlichen Elektronikwaren über die Handelsplattform eBay miteinander in Wettbewerb. Die Beklagte verpflichtete sich nach vorangegangenem Schriftverkehr der Parteien mit einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 31.10.2012 dem Kläger gegenüber, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr kennzeichnungspflichtige Waren aus dem Sortiment Unterhaltungselektronik i.S.d. ElektroG wie insbesondere Ohrhörer für MP3-Player und MP4-Player in den Verkehr zu bringen, ohne vorher sicherzustellen, dass die Waren gem. dem ElektroG gekennzeichnet waren. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung versprach sie dem Kläger die Zahlung einer Vertragsstrafe i.H.v. 5.100 €.

Der Kläger ließ bei der Beklagten am 1.11.2012 und am 5.12.2012 durch von ihm beauftragte Personen zwei Testkäufe vornehmen. Die bei diesen Testkäufen erworbenen Kopfhörer wiesen Fähnchen auf, die um die Kabel verklebt und mit der nach dem ElektroG vorgesehenen Kennzeichnung versehen waren. Mit seiner gegen die Beklagte nach erneuter Abmahnung erhobenen Klage macht der Kläger geltend, die Beklagte habe in beiden Fällen dadurch gegen das ElektroG verstoßen und die Vertragsstrafe verwirkt, dass die Kennzeichnung des Herstellers nicht dauerhaft auf den Geräten angebracht gewesen sei. Er begehrt Unterlassung, Zahlung von zwei Vertragsstrafen i.H.v. jeweils 5.100 €, die Erstattung von Abmahnkosten i.H.v. 555 € sowie der Kosten für die beiden Testkäufe i.H.v. 86 € und 29 € nebst Zinsen.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab dem Unterlassungsantrag und dem Antrag auf Ersatz der Kosten für die Testkäufe statt, sah nur eine einzige Vertragsstrafe als verwirkt an und erkannte hinsichtlich der Abmahnkosten dem Kläger keinen Ersatz, sondern lediglich einen Freistellungsanspruch zu. Die Anschlussrevision des Klägers hatte lediglich insoweit Erfolg, dass die Beklagte nicht zur Freistellung des Klägers von der Honorarforderung seiner Prozessbevollmächtigten i.H.v. bis zu 555 €, sondern zur Zahlung von 555 € nebst Zinsen verurteilt wird. Die weitergehende Anschlussrevision sowie die Revision der Beklagten hatten keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Unterlassungsantrag ist aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 S. 1 ElektroG begründet.

Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Bestimmung des § 7 S. 1 ElektroG nicht deshalb eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG darstellt, weil sie den Schutz der Umwelt bezweckt. Die Vorschrift des § 7 S. 1 ElektroG bezweckt weiterhin nicht den Schutz von Verbraucherinteressen. Vielmehr schützt die Bestimmung Mitbewerber vor einer Belastung mit höheren Entsorgungskosten infolge nicht gekennzeichneter Erlektrogeräte durch andere Marktteilnehmer. Die in § 7 S. 1 ElektroG bestimmte Kennzeichnungspflicht ist erforderlich, um die Altgeräte für ihre Zuordnung nach § 14 Abs. 5 S. 7 ElektroG identifizieren zu können und dadurch die Inanspruchnahme der Kollektivgemeinschaft zu verhindern. Die Beurteilung des OLG, die Kennzeichnung an den Kabeln der bei den Testkäufen am 1.11. und 5.12.2012 erworbenen Kopfhörer sei nicht als dauerhaft i.S.v. § 7 S. 1 ElektroG anzusehen, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

Das in § 7 S. 1 ElektroG geregelte Erfordernis der Dauerhaftigkeit der Kennzeichnung steht jedenfalls seit 13.8.2012 mit dem Unionsrecht in Einklang. Nach Ansicht des OLG ist von der Dauerhaftigkeit einer Kennzeichnung nur auszugehen, wenn die Kennzeichnung ein Mindestmaß an Unzerstörbarkeit aufweist und nicht leicht zu entfernen ist. Dies sei nicht der Fall, wenn die Kennzeichnung ohne nennenswerte Schwierigkeiten und ohne die Gefahr einer Beschädigung des Produkts durch einen einfachen Schnitt mit einer Schere vom Produkt entfernt werden könne. Danach ist vorliegend davon auszugehen, dass die an den von der Beklagten vertriebenen Kopfhörern angebrachten Herstellerkennzeichnungen jedenfalls deshalb nicht dauerhaft i.S.v. § 7 S. 1 ElektroG angebracht waren, weil sie einerseits objektiv leicht und ohne großes Risiko zu entfernen und andererseits aus der Sicht der Verwender der Kopfhörer störend waren, weshalb ihre Entfernung durch die Verwender nahelag.

Keinen Rechtsfehler lässt die Beurteilung des OLG erkennen, die Beklagte habe die Vertragsstrafe i.H.v. 5.100 €, zu deren Zahlung sie sich in der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 31.10.2002 dem Kläger gegenüber verpflichtet hatte, bei den von diesem veranlassten Testkäufen einmal verwirkt. Das Versprechen, eine Vertragsstrafe "für jeden Fall der Zuwiderhandlung" zu zahlen, kann dahin auszulegen sein, dass mehrere zeitlich nicht zu weit auseinanderliegende Einzelverstöße, die auf fahrlässigem Verhalten beruhen, als eine einzige Zuwiderhandlung angesehen werden. Wenn es zu einer Mehr- oder Vielzahl von Verstößen gekommen ist, ist dabei zunächst zu prüfen, ob diese eine natürliche Handlungseinheit und damit nur eine Handlung darstellen.

Wenn keine solche Handlungseinheit vorliegt, kann die Auslegung des Unterlassungsvertrags ergeben, dass mehrere fahrlässig begangene und zeitlich nicht zu weit auseinanderliegende Zuwiderhandlungen, die in der Weise zusammenhängen, dass sie gleichartig und unter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen worden sind, nur als ein Verstoß zu werten sind. Nach diesen Maßstäben hält die Beurteilung des OLG, die Beklagte habe durch die Abgabe nicht dauerhaft gekennzeichneter Kopfhörer bei den vom Kläger veranlassten Testkäufen die bedungene Vertragsstrafe nur einmal verwirkt, der rechtlichen Nachprüfung stand.

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