Abschluss mehrerer Online-Verträge erfordert die Einrichtung mehrerer gesonderter Bestell-Buttons
LG Berlin v. 23.3.2023 - 67 S 9/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten, die das online-Portal X betreibt, 75 € für die Rückabwicklung einer von dieser im Zusammenhang einer auf elektronischem Wege erfolgten Flugreise gebuchten "Prime-Mitgliedschaft" sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten geltend.
Das AG gab der Klage statt. Das LG hat die dagegen erhobene Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
Die Gründe:
Ein Vertrag über die "Prime-Mitgliedschaft" ist gemäß § 312j Abs. 4 BGB nicht zustande gekommen, da die Beklagte ihre Pflichten aus § 312j Abs. 3 BGB nicht erfüllt hat. Danach ist in den Fällen, in denen eine Bestellung im elektronischen Rechtsverkehr über eine Schaltfläche erfolgt, die Hinweispflicht des Unternehmers aus Satz 1 nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern "zahlungspflichtig bestellen" oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist. Diesen Anforderungen hat die Beklagte nicht genügt.
Die von der Beklagten verwandten Schaltflächen sind lediglich mit den Aufschriften "Weiter" und "weiter mit Prime kostenlos" beschriftet. Zwar verwendet die Beklagte zur Beendigung des die Flugbuchung betreffenden Buchungsvorgangs auch die Schaltfläche "jetzt kaufen". Ob diese den Anforderungen des § 312j Abs. 3 BGB für die Flugbuchung selbst gerecht wird, kann dahinstehen. Denn in den Fällen, in denen der Unternehmer wie hier auf elektronischem Wege gleichzeitig mehrere Verträge mit dem Verbraucher abschließt, muss er seinen Hinweispflichten nach § 312j Abs. 3 BGB für jedes Vertragsverhältnis gesondert gerecht werden. Diesen Anforderungen hätte die Beklagte nur genügt, wenn sie für den Abschluss der "Prime-Mitgliedschaft" eine gesonderte zweite und den Anforderungen des § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB entsprechende Schaltfläche vorgesehen hätte.
Der Vertrag über die "Prime-Mitgliedschaft" ist auch ein solcher, der die Klägerin zu einer Zahlung i.S.d. § 312j Abs. 2 Satz 1 BGB "verpflichtet" hat, selbst wenn er innerhalb eines kurzfristigen Probezeitraums kostenfrei hätte gekündigt werden können. Denn auch lediglich bedingte Zahlungsverpflichtungen des Verbrauchers unterfallen dem Anwendungsbereich der §§ 312j Abs. 2 und 3 BGB (a.A. BGH, Urt. v. 19. Januar 2022 - VIII ZR 123/21, ZIP 2022, 378).
Die Kammer hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, um eine höchstrichterliche Klärung der Reichweite des § 312j Abs. 3 BGB bei mehreren gleichzeitig im elektronischen Rechtsverkehr zwischen Unternehmer und Verbraucher geschlossenen Verträgen zu ermöglichen. Im Übrigen ist die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, da die Kammer von der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH zur Reichweite des § 312j Abs. 2 BGB bei lediglich bedingten Zahlungsverpflichtungen des Verbrauchers abweicht.
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Justiz Berlin online
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten, die das online-Portal X betreibt, 75 € für die Rückabwicklung einer von dieser im Zusammenhang einer auf elektronischem Wege erfolgten Flugreise gebuchten "Prime-Mitgliedschaft" sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten geltend.
Das AG gab der Klage statt. Das LG hat die dagegen erhobene Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
Die Gründe:
Ein Vertrag über die "Prime-Mitgliedschaft" ist gemäß § 312j Abs. 4 BGB nicht zustande gekommen, da die Beklagte ihre Pflichten aus § 312j Abs. 3 BGB nicht erfüllt hat. Danach ist in den Fällen, in denen eine Bestellung im elektronischen Rechtsverkehr über eine Schaltfläche erfolgt, die Hinweispflicht des Unternehmers aus Satz 1 nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern "zahlungspflichtig bestellen" oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist. Diesen Anforderungen hat die Beklagte nicht genügt.
Die von der Beklagten verwandten Schaltflächen sind lediglich mit den Aufschriften "Weiter" und "weiter mit Prime kostenlos" beschriftet. Zwar verwendet die Beklagte zur Beendigung des die Flugbuchung betreffenden Buchungsvorgangs auch die Schaltfläche "jetzt kaufen". Ob diese den Anforderungen des § 312j Abs. 3 BGB für die Flugbuchung selbst gerecht wird, kann dahinstehen. Denn in den Fällen, in denen der Unternehmer wie hier auf elektronischem Wege gleichzeitig mehrere Verträge mit dem Verbraucher abschließt, muss er seinen Hinweispflichten nach § 312j Abs. 3 BGB für jedes Vertragsverhältnis gesondert gerecht werden. Diesen Anforderungen hätte die Beklagte nur genügt, wenn sie für den Abschluss der "Prime-Mitgliedschaft" eine gesonderte zweite und den Anforderungen des § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB entsprechende Schaltfläche vorgesehen hätte.
Der Vertrag über die "Prime-Mitgliedschaft" ist auch ein solcher, der die Klägerin zu einer Zahlung i.S.d. § 312j Abs. 2 Satz 1 BGB "verpflichtet" hat, selbst wenn er innerhalb eines kurzfristigen Probezeitraums kostenfrei hätte gekündigt werden können. Denn auch lediglich bedingte Zahlungsverpflichtungen des Verbrauchers unterfallen dem Anwendungsbereich der §§ 312j Abs. 2 und 3 BGB (a.A. BGH, Urt. v. 19. Januar 2022 - VIII ZR 123/21, ZIP 2022, 378).
Die Kammer hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, um eine höchstrichterliche Klärung der Reichweite des § 312j Abs. 3 BGB bei mehreren gleichzeitig im elektronischen Rechtsverkehr zwischen Unternehmer und Verbraucher geschlossenen Verträgen zu ermöglichen. Im Übrigen ist die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, da die Kammer von der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH zur Reichweite des § 312j Abs. 2 BGB bei lediglich bedingten Zahlungsverpflichtungen des Verbrauchers abweicht.
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