23.10.2015

Anbieten von Videos auf Zeitungs-Website kann unter Regelung über audiovisuelle Mediendienste fallen

Das Anbieten kurzer Videos auf der Website einer Zeitung kann unter die Regelung über audiovisuelle Mediendienste fallen. Dies ist der Fall, wenn dieses Angebot in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit der Online-Zeitung eigenständig ist.

EuGH 21.10.2015, C-347/14
Der Sachverhalt:
Die klagende österreichische Gesellschaft betreibt die Online-Zeitung "Tiroler Tageszeitung Online", in der hauptsächlich Presseartikel erscheinen. Zum streitgegenständlichen Zeitpunkt (2012) führte jedoch ein Link mit der Bezeichnung "Video" auf eine Subdomain, auf der anhand eines Suchkatalogs mehr als 300 Videos angesehen werden konnten. Diese Videos hatten unterschiedliche Länge (30 Sekunden bis mehrere Minuten) und befassten sich mit verschiedenen Themen, wie etwa lokale Veranstaltungen und Ereignisse, Befragungen von Passanten zu aktuellen Themen, Sportveranstaltungen, Filmtrailer, Bastelanleitungen für Kinder oder redaktionell ausgewählte Videos von Lesern. Nur wenige Videos hatten einen Bezug zu den Artikeln auf der Website der Zeitung. Ein Teil der Videos wurde von dem regionalen Fernsehsender Tirol TV produziert und war auch auf dessen Website abrufbar.

Nach Ansicht der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) stellt die fragliche Subdomain "Video" einen audiovisuellen Mediendienst auf Abruf dar, der in Österreich einer Anzeigepflicht unterliegt. Die zuständige österreichische Behörde für Berufungen gegen Entscheidungen der KommAustria bestätigte diese Beurteilung. Die Klägerin wandte sich daraufhin an den österreichischen Verwaltungsgerichtshof. Dieser ersuchte den EuGH um Auslegung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (Richtlinie 2010/13/EU), die u.a. darauf abzielt, Verbraucher und vor allem Minderjährige zu schützen.

In der Richtlinie sind Anforderungen festgelegt, die audiovisuelle Mediendienste insbesondere hinsichtlich kommerzieller Kommunikationen und Sponsoring erfüllen müssen. Nach der Richtlinie ist ein audiovisueller Mediendienst entweder ein Fernsehprogramm oder ein audiovisueller Mediendienst auf Abruf. Sein Hauptzweck besteht in der Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit. Die Richtlinie sieht ausdrücklich vor, dass sie nicht für elektronische Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften gilt.

Die Gründe:
Das Anbieten kurzer Videos auf der Website einer Zeitung kann unter die Regelung über audiovisuelle Mediendienste fallen.

Der Begriff "Sendung" im Sinne der Richtlinie erfasst die Bereitstellung kurzer Videos, die kurzen Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung entsprechen, in einer Subdomain der Website einer Zeitung. Die Dauer der Videos ist dabei unerheblich. Die Art und Weise, wie die Videos ausgewählt werden, unterscheidet sich nicht von derjenigen, die im Rahmen der audiovisuellen Mediendienste auf Abruf vorgeschlagen wird. Zudem treten Videos wie die in Rede stehenden in Wettbewerb zu den von den regionalen Fernsehsendern angebotenen Informationsdiensten sowie zu Musikkanälen, Sportkanälen und Unterhaltungssendungen. Die Richtlinie zielt aber gerade darauf ab, dass in einem besonders wettbewerbsstarken Medienumfeld für Anbieter, die sich an das gleiche Publikum richten, die gleichen Regeln gelten und verhindert wird, dass audiovisuelle Mediendienste auf Abruf wie die fragliche Videosammlung dem herkömmlichen Fernsehen gegenüber unlauteren Wettbewerb betreiben können.

Bei der Beurteilung des Hauptzwecks eines in der elektronischen Ausgabe einer Zeitung angebotenen Dienstes der Bereitstellung von Videos ist darauf abzustellen, ob dieser Dienst als solcher in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit des Betreibers der Website eigenständig ist und nicht nur eine untrennbare Ergänzung dieser Tätigkeit darstellt - gerade im Hinblick auf die zwischen dem audiovisuellen Angebot und dem Textangebot bestehenden Verbindungen. Dies zu beurteilen wird Sache des Verwaltungsgerichtshofs sein. Die elektronische Ausgabe einer Zeitung ist jedenfalls trotz der audiovisuellen Elemente, die sie enthält, nicht als ein audiovisueller Dienst zu betrachten, wenn diese audiovisuellen Elemente eine Nebenerscheinung darstellen und nur zur Ergänzung des Presseartikelangebots dienen.

Allerdings ist ein audiovisueller Dienst nicht immer und schon dann vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen, wenn der Betreiber der Website, zu der dieser Dienst gehört, eine Online-Zeitung verlegt. Ein Videobereich, der im Rahmen einer einheitlichen Website die Voraussetzungen für eine Einstufung als audiovisueller Mediendienst auf Abruf erfüllt, verliert diese Eigenschaft nicht allein deshalb, weil er von der Website einer Zeitung aus zugänglich ist oder in deren Rahmen angeboten wird. Vorliegend scheinen jedoch nur wenige Presseartikel mit den fraglichen Videosequenzen verlinkt zu sein. Auch ist offenbar die Mehrheit dieser Videos unabhängig vom Abrufen der Artikel der elektronischen Ausgabe der Zeitung zugänglich und abrufbar. Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, dass der in Rede stehende Dienst in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit der Klägerin eigenständig und damit ein Dienst ist, der sich von den übrigen von ihr angebotenen Diensten unterscheidet. Abschließend wird dies jedoch der Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen haben.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 127 vom 21.10.2015
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