Angebot von Zahnreinigungs- und Bleachingleistungen zum Festpreis ist wettbewerbswidrig
OLG Frankfurt a.M. 21.7.2016, 6 U 136/15Die Klägerin ist die berufsständische Vertretung der Zahnärzte in Hessen. Sie nahm die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch, weil diese im Oktober bzw. Dezember 2014 über ein Internetportal kosmetische Zahnreinigungen für 29,90 € bzw. kosmetisches Bleaching zum Einzelpreis von 149,90 € angeboten hatte. Auf dem besagten Portal können Kunden über das Angebot sog. "Deals" Gutscheine zu Festpreisen erwerben, die bei verschiedenen Anbietern, etwa für Restaurantbesuche, Reisen, Freizeitveranstaltungen oder Wellnessleistungen eingelöst werden können. Diese "Deals" laufen über einen begrenzten Zeitraum, was dem Interessenten über einen rückwärts laufenden "Countdown" zugleich mit einer Angabe der bereits verkauften Anzahl von Gutscheinen angezeigt wird.
Die Klägerin war der Ansicht, die Beklagte habe in unzulässiger Weise zahnärztliche Leistungen zu einem rabattierten Festpreis angeboten, der den von der Gebührenordnung festgelegten Rahmen deutlich unterschreite, und handle daher wettbewerbswidrig. Das LG gab der Unterlassungsklage teilweise statt. Es war der Auffassung, dass es von dem in § 5 Abs. 2 S. 1 GOZ eröffneten Ermessensspielraum des Zahnarztes umfasst sei, für alltäglich und zahlreich anfallende, weitgehend gleichförmig zu erbringende Leistungen, die nur vergleichsweise geringe Gebühren auslösen, eine nach seiner Erfahrung angemessene Pauschale festzusetzen. Auf die Berufung der Klägerin gab das OLG der Unterlassungsklage auch in diesem Punkt statt. Die Anschlussberufung der Beklagten blieb hingegen erfolglos.
Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung des Angebots zahnärztlicher Leistungen für zahnmedizinisch notwendige ebenso wie für zahnmedizinisch nicht veranlasste Behandlungen zu pauschal kalkulierten Festpreisen gem. §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3a UWG i.V.m. §§ 5 Abs. 2, 2 Abs. 3 GOZ zu.
Bei der zahnärztlichen Gebührenordnung (GOZ) handelt es sich um ein für alle Zahnärzte geltendes zwingendes Preisrecht. Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich und verletzt insbesondere weder die Kompetenzordnung des Grundgesetzes noch die Berufsfreiheit der Zahnärzte. Das streitgegenständliche Angebot einer professionellen Zahnreinigung zu einem im Vorhinein festgelegten Preis muss an den Bestimmungen der §§ 1, 2, 5 Abs. 2 GOZ gemessen werden. Demnach darf ein Zahnarzt gem. § 1 Abs. 2 S. 1 GOZ Vergütungen grundsätzlich nur für solche Leistungen berechnen, die für eine zahnmedizinisch notwendige zahnärztliche Versorgung erforderlich sind. Darüber hinausgehende Leistungen - etwa das kosmetische Bleaching - darf er nur dann berechnen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht wurden (§ 1 Abs. 2 S. 2 GOZ; sog. "Verlangensleistungen"). Diese Verlangensleistungen müssen in einem vor Erbringung der Leistungen erstellten Heil- und Kostenplan schriftlich vereinbart werden (§ 2 Abs. 3 S. 1 GOZ).
§ 5 Abs. 1 GOZ schreibt vor, dass die Höhe der einzelnen Gebühr - soweit nicht im Gesetz anderweitig geregelt - nach dem einfachen bis 3,5-fachen des Gebührensatzes zu bemessen ist. Gebührensatz ist der Betrag, der sich ergibt, wenn die Punktzahl der einzelnen Leistung des Gebührenverzeichnisses mit dem in § 5 Abs. 1 S. 3 GOZ festgelegten Punktwert vervielfacht wird. § 5 Abs. 2 S. 1 GOZ verlangt, dass innerhalb des Gebührenrahmens die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen sind. Die Vorschrift hat den gleichen Wortlaut wie § 5 Abs. 2 S. 1 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und soll nach dem Willen des Gesetzgebers nach ähnlichen Kriterien ausgelegt werden.
Das Angebot der Beklagten für die kosmetische Zahnreinigung wird unstreitig durch die Gebührenziffer 1040 zur GOZ erfasst. Der Senat konnte sich der Erwägung der Vorinstanz, wonach es der Beklagten offen stehen müsse, das ihm zugebilligte Ermessen dadurch auszuüben, dass sie für professionelle Zahnreinigungen eine Pauschale festlege, nicht anschließen. Die Klägerin hat darlegen können, dass das LG von einer unzureichenden Tatsachengrundlage ausgegangen war. Es traf etwa nicht zu, dass die Zahnreinigung im Kontext des zahnärztlichen Gebührenrechts eine Leistung darstellt, die nur vergleichsweise geringe Gebühren auslöst. Entsprechendes galt auch für das Angebot des kosmetischen "Bleaching". Hier verstieß die Beklagte mit ihren Angeboten" gegen §§ 1 Abs. 2 S. 2, 2 Abs. 3 S. 1 GOZ.
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