28.11.2013

Anspruch auf Vergütungsanpassung im Urheberrecht ist verfassungsgemäß

Um sozialen oder wirtschaftlichen Ungleichgewichten entgegenzuwirken, darf der Gesetzgeber die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen einzelvertraglich zu vereinbaren, durch zwingendes Gesetzesrecht begrenzen. Eine urheberrechtliche Regelung, die einen Anspruch auf gerichtliche Kontrolle der Angemessenheit vertraglich vereinbarter Vergütungen für die Werknutzung gewährt, ist daher mit dem GG vereinbar.

BVerfG 23.10.2013, 1 BvR 1842/11 u.a.
Der Sachverhalt:
Der Kläger des Ausgangsverfahrens 1 BvR 1843/11 hatte aufgrund eines Vertrags mit der Beschwerdeführerin, einem Hardcover-Verlag, das Sachbuch "Destructive Emotions - Dialog mit dem Dalai Lama" übersetzt. Die Vereinbarung umfasste ein Seitenhonorar von 19 € pro Normseite, ein prozentuales Absatzhonorar bei Verkauf von mehr als 15.000 Exemplaren und eine Beteiligung an Lizenzerlösen aus der Verwertung von Nebenrechten. Die Beschwerdeführerin bezahlte rund 13.500 € an den Kläger. LG und OLG wiesen die Klage auf Vertragsanpassung ab. Der BGH hob die Urteile teilweise auf und verurteilte die Beschwerdeführerin dazu, in eine Anhebung der Absatz- und Nebenrechtsbeteiligung einzuwilligen, Auskunft zu erteilen und rund 6.841 € nachzuzahlen (Urteil v. 20.1.2011, Az.: I ZR 19/09).

Der Kläger im Ausgangsverfahren 1 BvR 1842/11 hatte mit der Beschwerdeführerin im Februar/März 2002 die Übersetzung des Romans "Drop City" von T. C. Boyle vereinbart. Das Seitenhonorar betrug 18,50 € pro Normseite. Hinzu kamen ein prozentuales Absatzhonorar bei Verkauf von mehr als 20.000 Exemplaren und eine Beteiligung an Lizenzerlösen. Der Kläger erhielt rund 18.000 € von der Beschwerdeführerin. Auch in diesem Verfahren hob der BGH die klagabweisenden Urteile der Vorinstanzen teilweise auf (Urteil v. 20.1.2011, Az.: I ZR 20/09). Er verurteilte die Beschwerdeführerin, in eine Anhebung der Absatz- und Nebenrechtsbeteiligung einzuwilligen, Auskunft zu erteilen und rund 13.073 € nachzuzahlen.

Mit ihren Verfassungsbe+schwerden richtet die Beschwerdeführerin sich gegen die im Jahr 2002 novellierte Regelung im Urheberrechtsgesetz sowie gegen die beiden darauf beruhenden Entscheidungen des BGH zur Angemessenheit von Übersetzerhonoraren im Verlagswesen. Die Verfassungsbeschwerden blieben allerdings erfolglos.

Die Gründe:
§ 32 UrhG ist mit der Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

Der Gesetzgeber ist in nachvollziehbarer Weise davon ausgegangen, dass die angemessene Beteiligung der Urheber am wirtschaftlichen Nutzen ihrer Arbeit und Werke nur teilweise gewährleistet ist. § 32 UrhG soll insbesondere Urhebern mit schwacher Verhandlungsposition und niedrigen Einkommen helfen, ihr Urheberrecht auch wirtschaftlich zu realisieren. Die Regelung der gerichtlichen Angemessenheitsprüfung von Urhebervergütungen bringt die Grundrechte der Betroffenen zu einem angemessenen Ausgleich. Grundgedanke des Urheberrechts ist die angemessene Beteiligung der Urheber am wirtschaftlichen Nutzen ihrer Werke, was im Beteiligungs-grundsatz des § 11 S. 2 UrhG gesetzlich geregelt ist. Der Anspruch des Urhebers auf eine angemessene Vergütung ist auch Gegenstand völker- und europarechtlicher Gewährleistungen.

Zwar wird die Berufsausübungsfreiheit der Verwerter durch die Regelung nicht unerheblich beeinträchtigt. Denn die Freiheit, den Inhalt der Vergütungsvereinbarungen mit Urhebern aushandeln zu können, ist ein wesentlicher Bestandteil ihrer Berufsausübung. Zugleich gehört die Vereinbarung des geschuldeten Preises für eine Leistung zum Kern der Privatautonomie und wird in der Regel dem Marktmechanismus überlassen. Zudem wird die Funktion eines Vertrags, für beide Seiten Rechts- und Planungssicherheit zu schaffen, durch § 32 UrhG geschmälert.

Allerdings steht die Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit der Verwerter bei einer Gesamtbetrachtung nicht außer Verhältnis zum Schutz des Interesses der Urheber an einer angemessenen Beteiligung am wirtschaftlichen Nutzen ihrer Werke. § 32 UrhG nimmt den Verwertern nicht jeglichen Verhandlungsspielraum hinsichtlich Höhe und Modalitäten der Urhebervergütung, sondern schließt lediglich die Vereinbarung einer unangemessen niedrigen Vergütung aus.

Soweit die Übergangsregelung des § 132 Abs. 3 S. 3 UrhG anordnet, dass § 32 UrhG auch auf Verträge anwendbar ist, die vor Inkrafttreten der Neuregelung geschlossen wurden, verstößt dies nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot aus Art. 20 Abs. 3 GG. Denn durch die Rückwirkung wollte der Gesetzgeber verhindern, dass Werke, bei denen nach bereits geschlossenen Verträgen keine zusätzliche Vergütung zu zahlen wäre, mit jenen in Konkurrenz treten, deren Nutzungsrechte nach der Neuregelung übertragen wurden. Letztlich verletzt die Bestimmung der angemessenen Vergütung durch den BGH die Beschwerdeführerin auch nicht durch objektiv willkürliche Rechtsanwendung in ihrem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Das gilt insbesondere auch für die Anknüpfung der Beteiligung des Übersetzers an den Erlösen aus der Nebenrechtsvergabe an den Anteil des ausländischen Autors ("Autorenanteil").

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BVerfG PM Nr. 71 vom 28.11.2013
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