14.06.2023

Anspruch einer Dienstleistungsgesellschaft auf Rückgewähr von an einen Apotheker ausgereichten Darlehen

Der BGH hat sich vorliegend mit der Wirksamkeit von Darlehensverträgen, die zwischen dem Inhaber einer Apotheke und einer Gesellschaft geschlossen worden sind, die verschiedene Dienstleistungen für diese Apotheke erbringt und die sich ein bedingungsloses Optionsrecht zum Erwerb der Apotheke hat versprechen lassen.

BGH v. 4.5.2023 - IX ZR 157/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Rückgewähr von an den Beklagten ausgereichten Darlehen. Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und rechnet hilfsweise mit bereicherungsrechtlichen Gegenansprüchen auf.

Die Klägerin bietet verschiedene Dienstleistungen für Apotheken an. Der Beklagte ist Apotheker. Er schloss für die von ihm betriebenen Apotheken verschiedene Verträge mit der Klägerin und mit der Klägerin verbundenen Gesellschaften ab. Er betrieb u.a. die B-Apotheke in F, die zuvor von seinem Vater betrieben worden war. Die Räumlichkeiten, in denen sich die Apotheke befindet, waren an die mit der Klägerin verbundene O. GmbH verkauft und von dieser zurückgemietet worden. Der Vater des Beklagten hatte mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin verschiedene Serviceverträge und mit der O. GmbH einen Optionsvertrag geschlossen, durch den diese den Geschäftsbetrieb erwerben konnte. Der Beklagte übernahm gegen Zahlung von 50.000 € die B-Apotheke von seinem Vater, indem die O. GmbH ihr Optionsrecht ausübte und den Beklagten als Käufer benannte. In diesem Zusammenhang schloss der Beklagte mit der O. GmbH ebenfalls einen Optionsvertrag, durch den diese bis zum 31.12.2018 mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende des Quartals gegen Zahlung von 70.000 € und Abgeltung des Warenlagers den Geschäftsbetrieb erwerben konnte. Die Räumlichkeiten wurden dem Beklagten durch die I. GmbH vermietet. Bzgl. der Einrichtungsgegenstände trat er in einen Mietvertrag zwischen seinem Vater und der O. GmbH ein. Die EDV wurde von der Klägerin angemietet. Zudem waren die Parteien durch weitere Dienstleistungsverträge verbunden. Mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin schloss der Beklagte einen Rahmenvertrag über Serviceleistungen und verschiedene Servicemodulverträge.

Am 8.6.2018 schlossen die Parteien einen neuen Optionserwerbsvertrag, nach dem die Klägerin gegen Zahlung von 70.000 €, mindestens jedoch dem Buchwert des Anlagevermögens im Zeitpunkt des Übertragungstermins, und zudem gegen Abgeltung des Vorratsvermögens bis zum 31.12.2019 mit einer Frist von sechs Monaten den Geschäftsbetrieb erwerben konnte. Einen entsprechenden Vertrag schlossen die Parteien am 6.7.2018 auch bzgl. der von dem Beklagten erworbenen Be-Apotheke in I gegen eine Zahlung von 50.000 € sowie Abgeltung des Buchwerts des Anlagevermögens und des Vorratsvermögens.

Zwischen dem 25.10.2012 und dem 29.8.2017 schlossen die Parteien sechs Darlehensverträge samt Nachträgen über eine Gesamtsumme von 1,929 Mio. €. Eine Laufzeit war jeweils nicht bestimmt. Die Klägerin zahlte die Summe vollständig an den Beklagten aus. Am 5.2.2019 übte die Klägerin ihre Erwerbsoptionen für die B- und die Be-Apotheke aus. Ferner kündigte sie mit Schreiben vom 18.2.2019 die Darlehensverträge ordentlich zum 28.2.2020. Sie forderte den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 23.12.2019 zur Rückzahlung von 1,929 Mio. € samt offener Zinsen i.H.v. rd. 48.000 € und zur Begleichung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von rd. 12.000 € bis zum 10.1.2020 auf. Eine Zahlung erfolgte hierauf nicht. Mit ihrer im Urkundenprozess erhobenen Klage verlangt die Klägerin Rückzahlung des Darlehenskapitals nebst Zinsen.

Das LG gab der Klage durch Urkundenvorbehaltsurteil bis auf einen Teil der Nebenforderungen statt. Auf die Berufung des Beklagten ermäßigte das OLG die ab dem 1.4.2020 zu zahlenden Rechtshängigkeitszinsen auf fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz und wies die weitergehende Berufung des Beklagten zurück. Die Revisionen der Klägerin und des Beklagten hatten vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Klägerin stehen gegen den Beklagten die geltend gemachten darlehensrechtlichen Ansprüche zu. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta i.H.v. rd. 1,929 Mio. € gem. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Darlehensverträge sind wirksam. Ein Verstoß der Darlehensverträge gegen § 7 Satz 1 ApoG liegt nach den im Urkundenprozess festgestellten Tatsachen nicht vor. Gem. § 7 Satz 1 ApoG verpflichtet die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung. Das Leitbild des Gesetzgebers von dem "Apotheker in seiner Apotheke" hat in § 7 ApoG seinen Niederschlag gefunden, wonach die Erlaubnis zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung verpflichtet. Sinn der Vorschrift ist es, eine Aufspaltung der Verantwortung in eine gesundheitsrechtliche und eine wirtschaftliche Leitung der Apotheke zu verhindern. Es dürfen daher insbesondere keine Verträge geschlossen, Abmachungen getroffen oder faktische Verhältnisse geschaffen werden, die eine Verantwortlichkeit des Erlaubnisinhabers auf pharmazeutische Fragen und die Abwicklung des täglichen Geschäfts beschränken und unternehmerische Entscheidungen einem Dritten übertragen, der eine Betriebserlaubnis für die Apotheke nicht besitzt.

Die Darlehensverträge enthalten lediglich Regelungen zu der Darlehenssumme (§ 1), dem Zinssatz (§ 2), der Laufzeit und dem Kündigungsrecht (§ 3), der Rückzahlung (§ 4), dem Verzug (§ 5), der Abtretbarkeit und dem Erfüllungsort (§ 6) sowie Schlussbestimmungen (§ 7). Regelungen, die der Darlehensgeberin eine Einflussnahme auf die Leitung der Apotheke ermöglichen würden, finden sich nicht in den Darlehensverträgen. Die aufgenommenen Darlehen und die Rückzahlungsverpflichtungen des Beklagten führen zu keiner Beherrschung des Beklagten durch die Klägerin aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeit. Denn das LG hat insoweit festgestellt, dass die Darlehensforderung i.H.v. rd. 1,929 Mio. € zwar keine unerhebliche finanzielle Belastung des Beklagten darstellt, die Höhe der Forderung sich im Hinblick auf den durch den Beklagten erzielten Umsatz, der in 2018 in etwa 24 Mio. € betrug, jedoch relativiert.

Ein Verstoß der Darlehensverträge gegen § 7 Satz 1 ApoG ergibt sich ferner nicht aus einer Gesamtbetrachtung der vertraglichen Rechtsbeziehungen. Rechtsfehlerhaft meint das OLG, eine hierauf beruhende Nichtigkeit der Darlehensverträge könne aus einer Zusammenschau der Darlehensverträge mit dem Optionsvertrag vom 28.10.2008 und dem Gesamtgefüge der streitgegenständlichen Vereinbarungen gefolgert werden. Eine etwaige Nichtigkeit der Optionsverträge hat keinen Einfluss auf die Darlehensverträge. Die Voraussetzungen des § 139 BGB sind im Verhältnis der Darlehensverträge zu den Optionsverträgen im Streitfall nicht erfüllt. Dies kann der Senat selbst feststellen. Die vom OLG vorgenommene Gesamtschau genügt hierzu nicht.

Die gegenständlichen Darlehensverträge verstoßen auch nicht gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB, insbesondere stellen sie keine unzulässigen Knebelungsverträge dar. Eine sittenwidrige Knebelung liegt vor, wenn die wirtschaftliche Entfaltung einer Vertragspartei in einem Maße beschnitten wird, dass diese ihre Selbständigkeit und wirtschaftliche Entschließungsfreiheit im ganzen oder in einem wesentlichen Teil einbüßt. Die vorgelegten Darlehensverträge haben die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit des Beklagten nicht weiter eingeschränkt, als dies den darlehenstypischen Vertragspflichten, insbesondere der Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen und zur Rückzahlung der Darlehensvaluta, immanent ist. Im Übrigen liegt ein Verstoß der Darlehensverträge gegen § 8 Satz 2 ApoG nach den im Urkundenprozess festgestellten Tatsachen nicht vor. Die Darlehensverträge sind auch nicht gem. § 134 BGB, § 32 KWG nichtig.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | BGB
§ 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher
Schmidt-Räntsch in Erman, BGB, 16./17. Aufl. 2020/2023
09/2020

Kommentierung | BGB
§ 139 Teilnichtigkeit
Arnold in Erman, BGB, 16./17. Aufl. 2020/2023
09/2020

Auch nachzulesen im Aktionsmodul Gesellschaftsrecht:
Mit dem Aktionsmodul stehen dem umfassend tätigen Gesellschaftsrechtler fünf Beratermodule zur Verfügung. Inklusive Beratermodul AG, GmbHR und ZIP. Zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Neuauflage Lutter/Hommelhoff GmbHG Kommentar hier topaktuell online! Die jüngsten Gesetzesreformen wie das DiRUG und DiREG sind bereits ausführlich kommentiert, auch UmRUG und MoPeG sind berücksichtigt. 4 Wochen gratis nutzen!

BGH online
Zurück