06.06.2023

Antragsbefugnis eines Wirtschaftsverbands für das Ordnungsmittelverfahren

Betreibt ein Wirtschaftsverband (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) die Zwangsvollstreckung aus einem materiell-rechtlich auf § 8 Abs. 1 UWG gestützten Unterlassungstitel, muss der Verband zum Zeitpunkt der Entscheidung über einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO den zu diesem Zeitpunkt geltenden Anforderungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG entsprechen. Ansonsten fehlt ihm die Antragsbefugnis für das Ordnungsmittelverfahren.

OLG Hamm v. 5.5.2023 - 4 W 32/22
Der Sachverhalt:
Der Gläubiger ist ein Verband in der Rechtsform des eingetragenen Vereins, zu dessen Aufgaben nach seiner Satzung die Förderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen deutscher Online-Unternehmer und Online-Freiberufler und die Mitwirkung an der Herstellung eines fairen Wettbewerbs gehören. Der Gläubiger ist bis zum heutigen Tage weder in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG noch in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen worden.

Auf Antrag des Gläubigers erließ das LG im Juli 2018 im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung gegen die jetzige Schuldnerin, mit der es dieser, materiell-rechtlich gestützt auf § 8 Abs. 1 UWG, unter Androhung von Ordnungsmitteln u.a. untersagt hatte, mit einer "Garantie" zu werben, ohne gleichzeitig nähere Angaben zum Inhalt und zur Ausgestaltung dieser Garantie zu machen. Die Schuldnerin gab zu dieser einstweiligen Verfügung eine Abschlusserklärung ab. Im November 2021 beantragte der Gläubiger mit anwaltlichem Schriftsatz die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen die Schuldnerin, das sie im November 2021 in Produktangeboten auf einer Internethandelsplattform dem vorbezeichneten Unterlassungsgebot zuwidergehandelt habe.

Das LG wies den Antrag zurück. Dem Gläubiger fehle die für die Durchführung des Ordnungsmittelverfahrens erforderliche Prozessführungsbefugnis. Die Beschwerde des Gläubigers hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das LG hat den Ordnungsmittelantrag des Gläubigers zu Recht zurückgewiesen.

Der Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist unzulässig. Dem Gläubiger fehlt die erforderliche Antragsbefugnis. Die Regelungen in § 8 Abs. 3 Nr. 2 und 3 UWG über die Befugnis von Wirtschaftsverbänden und qualifizierten Einrichtungen zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen haben nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der auch der erkennende Senat folgt, eine Doppelnatur: Sie regeln nicht nur die materiell-rechtliche Anspruchsberechtigung (Sachbefugnis oder Aktivlegitimation), sondern in verfahrensrechtlicher Hinsicht auch die Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung von lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen nach § 8 Abs. 1 UWG.

Diese Prozessführungsbefugnis muss, soweit es - wie hier - um einen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG geht, nicht nur im Erkenntnisverfahren vorliegen, sondern auch noch bei der anschließenden Durchsetzung des titulierten Unterlassungsanspruches im Wege der Zwangsvollstreckung zum Zeitpunkt der Entscheidung über einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO gegeben sein. Da § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO von einem Antrag spricht, erscheint es sinnvoll, im Ordnungsmittelverfahren nicht den Begriff Prozessführungsbefugnis, sondern den Begriff Antragsbefugnis zu verwenden.

Die Antragsbefugnis für einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO fehlt dem Gläubiger hier spätestens seit dem Inkrafttreten der Neufassung des § 8 Abs. 3 UWG aufgrund des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020 am 1.12.2021, weil der Gläubiger bis zum heutigen Tage weder in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG noch in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen worden ist.

Gerade die Neufassung des § 8 Abs. 3 UWG durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs belegt die Richtigkeit der Auffassung, dass die Prozessführungsbefugnis (Antragsbefugnis) von Wirtschaftsverbänden und qualifizierten Einrichtungen auch noch im Ordnungsmittelverfahren fortbestehen muss: Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, dass bei einer vom Gesetzgeber angeordneten Einschränkung der Prozessführungsbefugnis von Verbänden und Einrichtungen, wie sie das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vorgenommen hat, von dieser Gesetzesänderung betroffene, nicht mehr abmahn-, anspruchs- und klageberechtigte Verbände und Einrichtungen noch ein kaum sinnvolles "Rest- und Schattendasein" als Verwalter alter Vollstreckungstitel führen könnten. Dies entspricht fraglos nicht der Intention des Gesetzgebers und schon gar nicht dem Gesetzeszweck des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020.

Mehr zum Thema:

Recherchieren Sie im Beratermodul IPRB - Recht des geistigen Eigentums und der Medien:
Das exklusive Modul für einen gezielten digitalen Zugriff auf sämtliche Inhalte des IPRB. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet dieses Modul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!
Justiz NRW
Zurück