Anwaltsverträge können den Regeln über Fernabsatz unterworfen sein und widerrufen werden
BGH 23.11.2017, IX ZR 204/16Der Beklagte hatte sich an einer Fondsgesellschaft beteiligt. Am 22.1.2014 erhielt er von der i-GmbH ein Schreiben, in dem diese ihre Dienste anbot und zur Rücksendung eines ausgefüllten Fragebogens und einer Vollmacht einlud. Dem Schreiben beigefügt war u.a. eine auf die Klägerin lautende Rechtsanwaltsvollmacht. Die Klägerin hatte der Gesellschaft Blankoformulare für eine Vielzahl von potentiellen, von der Gesellschaft zu werbenden Mandanten zur Verfügung gestellt.
Der Beklagte unterzeichnete die außergerichtliche Vollmacht und sandte sie zusammen mit den anderen von ihm vervollständigten Unterlagen an die Gesellschaft zurück. Diese übermittelte die Unterlagen der Klägerin, die ohne Kontaktaufnahme mit dem Beklagten mittels eines Serienbriefes dessen Ansprüche gegenüber der Fondsgesellschaft geltend machte.
Nachdem die außergerichtliche Inanspruchnahme erfolglos geblieben war, forderte die Klägerin den Beklagten auf, eine weitere Vollmacht auf sie auszustellen, die auch die Prozessvertretung vorsah. Dies lehnte der Beklagte ab, woraufhin die Klägerin diesem ihr außergerichtliches Tätigwerden mit einer 1,3 Geschäftsgebühr in Rechnung stellte.
Der Beklagte wies diese Forderung schriftlich am 27.5.2014 und am 30.6.2014 zurück, wobei er im erstgenannten Schreiben zugleich erklärte, vorsorglich mit sofortiger Wirkung die über die Gesellschaft erteilten Vollmachten zu widerrufen. Die auf Zahlung des Anwaltshonorars nebst Zinsen gerichtete Klage blieb vor dem AG und LG erfolglos. Das galt auch für die Revision der Klägerin vor dem BGH.
Gründe:
Dem geltend gemachten Zahlungsbegehren steht der vom Beklagten erklärte Widerruf nach §§ 312b, 312d Abs. 1 S. 1, § 355 BGB a.F. entgegen. Gem. Art. 229 § 32 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB erlosch das Widerrufsrecht bei Verträgen, die - wie hier - vor dem 13.6.2014 geschlossen wurden und bei denen der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht nach § 312d BGB a.F. belehrt wurde, erst mit Ablauf des 27.6.2015.
Anwaltsverträge sind Verträge über die Erbringung einer Dienstleistung i.S.v. § 312b Abs. 1 S. 1 BGB a.F. und können als solche den Regeln über Fernabsatzverträge unterworfen sein. Der gegenteiligen Auffassung, wonach die Anwendung des Fernabsatzrechts bei Anwaltsverträgen, bei denen eine persönliche Dienstleistung im Vordergrund stehe, allgemein nicht gerechtfertigt sei, kann nicht gefolgt werden. Für die Anwendbarkeit des § 312b Abs. 1 BGB a.F. auf Anwaltsverträge sprechen gerade auch Sinn und Zweck der verbraucherschützenden Regelungen für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz. Schließlich würde eine allgemeine Unanwendbarkeit des Fernabsatzrechts auf Anwaltsverträge der Lebenswirklichkeit nicht gerecht.
Zutreffend sind die Vorinstanzen auch davon ausgegangen, dass ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem vorliegt, wenn der Unternehmer in seinem Betrieb die personellen, sachlichen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen hat, die notwendig sind, regelmäßig Geschäfte im Fernabsatz zu bewältigen. Ausreichend ist dabei die planmäßige Werbung eines Unternehmers mit dem Angebot telefonischer Bestellung und Zusendung der Ware. Demgegenüber genügt es nicht, dass der Unternehmer auf seiner Homepage lediglich Informationen (etwa über seine Waren bzw. seine Dienstleistungen und seine Kontaktdaten) zur Verfügung stellt. Ebenso wenig könnte bei einem Rechtsanwalt ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem bejaht werden, wenn dieser lediglich die technischen Möglichkeiten zum Abschluss eines Anwaltsvertrags im Fernabsatz, etwa einen Briefkasten, elektronische Postfächer und/oder Telefon- und Faxanschlüsse vorhält, die auch sonst zur Bewältigung des Betriebs einer Anwaltskanzlei erforderlich sind.
Im Streitfall ist es zudem möglich, dass sich die Klägerin der Gesellschaft bewusst bedient hat, um eine Vielzahl von Mandaten in Kapitalanlagefällen ohne persönlichen Kontakt zu den potentiellen Mandanten und unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zu gewinnen. Denn die Voraussetzungen des § 312b BGB a.F. sind auch dann erfüllt, wenn der Unternehmer ein fremdes Organisations- und Dienstleistungserbringungssystem nutzt. Die Klägerin hatte weder Tatsachen dargelegt noch unter Beweis gestellt, die eine solche Möglichkeit ausschließen könnten. Vielmehr sprechen verschiedene Umstände für eine solche Möglichkeit. So hatte die Klägerin der Gesellschaft eine Vielzahl von Blankoformularen überlassen.
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