Anwendbarkeit des nationalen Rechts auf internationale Träger sozialer Medien wie Google, Meta und Tik Tok
EuGH, C-376/22: Schlussanträge des Generalanwalts vom 8.6.2023
Der Sachverhalt:
Google, Meta Platforms und Tik Tok wenden sich vor den österreichischen Gerichten gegen die von der österreichischen Regulierungsbehörde für Kommunikation (KommAustria) getroffene Feststellung, dass das österreichische Bundesgesetz aus dem Jahr 2020 über Maßnahmen zum Schutz der Nutzer auf Kommunikationsplattformen (KoPl-G) auf sie anwendbar sei, obwohl sie in einem anderen Mitgliedstaat, nämlich Irland, niedergelassen sind.
Mit diesem Gesetz soll die Verantwortlichkeit von Kommunikationsplattformen gestärkt werden. Im Einzelnen verpflichtet es allgemein die Betreiber von "Kommunikationsplattformen", die in Österreich oder im Ausland niedergelassen sind, ein Melde- und Überprüfungssystem für angeblich rechtswidrige Inhalte einzurichten. Außerdem sind diese Betreiber verpflichtet, regelmäßig Berichte über die Behandlung solcher Meldungen zu erstellen. Die im KoPl-G festgelegten Verpflichtungen erfordern nicht den vorherigen Erlass eines individuell-konkreten Rechtsakts. Des Weiteren sieht das Gesetz Geldstrafen bei Verstößen gegen die gesetzlichen Verpflichtungen vor.
Google, Meta Platforms und Tik Tok machen geltend, dass das KoPl-G mit der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr, insbesondere mit dem Herkunftslandprinzip, unvereinbar sei. Der österreichische Verwaltungsgerichtshof hat dem EuGH hierzu Fragen vorgelegt. Er möchte wissen, ob ein Mitgliedstaat den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus anderen Mitgliedstaaten dadurch beschränken darf, dass er nationale Maßnahmen generell-abstrakter Natur ergreift, die sich auf eine allgemein umschriebene Kategorie bestimmter Dienste der Informationsgesellschaft - nämlich "Kommunikationsplattformen" - beziehen, ohne dass diese Maßnahmen in Bezug auf einen konkreten Einzelfall ergriffen werden.
Die Gründe:
Nach den Feststellungen des österreichischen Verwaltungsgerichtshof handelt es sich bei den von den drei Unternehmen in Österreich erbrachten Dienstleistungen um Dienste der Informationsgesellschaft. Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verbietet es den Mitgliedstaaten im koordinierten Bereich, den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat einzuschränken. Vorbehaltlich von Ausnahmen lässt diese Richtlinie es nicht zu, dass der Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs strengeren Anforderungen unterliegt, als sie das in seinem Herkunftsmitgliedstaat geltende Recht vorsieht.
Zu den von der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip gilt das in den Schlussanträgen des Generalanwalts in der Rechtssache Airbnb Ireland vom 30.4.2019 gesagte (C-390/18). Ein anderer als der Herkunftsmitgliedstaat darf Ausnahmen vom freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft nur durch auf den konkreten Einzelfall bezogene Maßnahmen vorsehen, und zwar nach vorheriger Mitteilung an die Kommission und Aufforderung an den Herkunftsmitgliedstaat, Maßnahmen im Bereich der Dienste der Informationsgesellschaft zu ergreifen; dies ist vorliegend nicht geschehen.
Ginge man davon aus, dass eine generell-abstrakte Regelung, die für alle Anbieter einer Kategorie von Diensten der Informationsgesellschaft gilt, eine "Maßnahme" darstellt, liefe dies im Übrigen darauf hinaus, die Fragmentierung des Binnenmarkts durch nationale Regelungen zuzulassen. Die Anwendung unterschiedlicher Gesetze auf einen Anbieter zuzulassen, liefe außerdem dem von der Richtlinie verfolgten Ziel zuwider, die rechtlichen Hemmnisse für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu beseitigen. Daher verwehrt es die Richtlinie, dass ein Mitgliedstaat unter diesen Umständen und in derartiger Weise den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat beschränkt.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung:
EuGH: Unabhängigkeit von Diensten der Informationsgesellschaft - Airbnb
EuGH vom 19.12.2019 - C-390/18
CR 2020, 194
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EuGH PM Nr. 98 vom 8.6.2023
Google, Meta Platforms und Tik Tok wenden sich vor den österreichischen Gerichten gegen die von der österreichischen Regulierungsbehörde für Kommunikation (KommAustria) getroffene Feststellung, dass das österreichische Bundesgesetz aus dem Jahr 2020 über Maßnahmen zum Schutz der Nutzer auf Kommunikationsplattformen (KoPl-G) auf sie anwendbar sei, obwohl sie in einem anderen Mitgliedstaat, nämlich Irland, niedergelassen sind.
Mit diesem Gesetz soll die Verantwortlichkeit von Kommunikationsplattformen gestärkt werden. Im Einzelnen verpflichtet es allgemein die Betreiber von "Kommunikationsplattformen", die in Österreich oder im Ausland niedergelassen sind, ein Melde- und Überprüfungssystem für angeblich rechtswidrige Inhalte einzurichten. Außerdem sind diese Betreiber verpflichtet, regelmäßig Berichte über die Behandlung solcher Meldungen zu erstellen. Die im KoPl-G festgelegten Verpflichtungen erfordern nicht den vorherigen Erlass eines individuell-konkreten Rechtsakts. Des Weiteren sieht das Gesetz Geldstrafen bei Verstößen gegen die gesetzlichen Verpflichtungen vor.
Google, Meta Platforms und Tik Tok machen geltend, dass das KoPl-G mit der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr, insbesondere mit dem Herkunftslandprinzip, unvereinbar sei. Der österreichische Verwaltungsgerichtshof hat dem EuGH hierzu Fragen vorgelegt. Er möchte wissen, ob ein Mitgliedstaat den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus anderen Mitgliedstaaten dadurch beschränken darf, dass er nationale Maßnahmen generell-abstrakter Natur ergreift, die sich auf eine allgemein umschriebene Kategorie bestimmter Dienste der Informationsgesellschaft - nämlich "Kommunikationsplattformen" - beziehen, ohne dass diese Maßnahmen in Bezug auf einen konkreten Einzelfall ergriffen werden.
Die Gründe:
Nach den Feststellungen des österreichischen Verwaltungsgerichtshof handelt es sich bei den von den drei Unternehmen in Österreich erbrachten Dienstleistungen um Dienste der Informationsgesellschaft. Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verbietet es den Mitgliedstaaten im koordinierten Bereich, den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat einzuschränken. Vorbehaltlich von Ausnahmen lässt diese Richtlinie es nicht zu, dass der Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs strengeren Anforderungen unterliegt, als sie das in seinem Herkunftsmitgliedstaat geltende Recht vorsieht.
Zu den von der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip gilt das in den Schlussanträgen des Generalanwalts in der Rechtssache Airbnb Ireland vom 30.4.2019 gesagte (C-390/18). Ein anderer als der Herkunftsmitgliedstaat darf Ausnahmen vom freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft nur durch auf den konkreten Einzelfall bezogene Maßnahmen vorsehen, und zwar nach vorheriger Mitteilung an die Kommission und Aufforderung an den Herkunftsmitgliedstaat, Maßnahmen im Bereich der Dienste der Informationsgesellschaft zu ergreifen; dies ist vorliegend nicht geschehen.
Ginge man davon aus, dass eine generell-abstrakte Regelung, die für alle Anbieter einer Kategorie von Diensten der Informationsgesellschaft gilt, eine "Maßnahme" darstellt, liefe dies im Übrigen darauf hinaus, die Fragmentierung des Binnenmarkts durch nationale Regelungen zuzulassen. Die Anwendung unterschiedlicher Gesetze auf einen Anbieter zuzulassen, liefe außerdem dem von der Richtlinie verfolgten Ziel zuwider, die rechtlichen Hemmnisse für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu beseitigen. Daher verwehrt es die Richtlinie, dass ein Mitgliedstaat unter diesen Umständen und in derartiger Weise den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat beschränkt.
Rechtsprechung:
EuGH: Unabhängigkeit von Diensten der Informationsgesellschaft - Airbnb
EuGH vom 19.12.2019 - C-390/18
CR 2020, 194
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