06.12.2016

Anwendung einer Schiedsklausel in einem Gesellschaftsvertrag trotz vorheriger einvernehmlicher Anrufung eines staatlichen Gerichts

Durch einvernehmliche Anrufung eines staatlichen Gerichts wollen die Parteien einer Schiedsvereinbarung deren Geltung regelmäßig allein für den betreffenden Streitgegenstand aufheben. Jedenfalls dann, wenn das staatliche Gericht in einer Streitigkeit zwischen einem ausgeschiedenen Gesellschafter und der Gesellschaft, die sich aus einer separaten Ausscheidensvereinbarung ergibt, einvernehmlich angerufen wird, folgt daraus regelmäßig kein Indiz, die Schiedsklausel eines Gesellschaftsvertrags dahin auszulegen, sie solle allgemein keine Anwendung auf nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft entstandene Streitigkeiten finden.

BGH 7.7.2016, I ZB 45/15
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller war bis Oktober 2009 Gesellschafter der Antragsgegnerin, einer überörtlichen Sozietät von Rechtsanwälten und einer Steuerberaterin. Der Sozietätsvertrag enthält in § 15 folgende Schiedsklausel:

"Alle Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit diesem Vertrag, einschließlich Streitigkeiten über seinen Bestand oder seine Beendigung, die zwischen den Sozien und/oder zwischen einem oder mehreren Sozien einerseits und der Sozietät andererseits entstehen, werden unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs von einem Schiedsgericht endgültig und verbindlich entschieden. Auf das schiedsrichterliche Verfahren finden die Vorschriften der ZPO nach der Maßgabe Anwendung, dass die Schiedsrichter bei einem deutschen Insolvenzgericht als Insolvenzverwalter bestellt sein müssen."

Im Dezember 2014 leitete die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller ein Schiedsverfahren ein. In dem Schiedsverfahren macht sie einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Antragsteller geltend. Der Anspruch bezieht sich auf den der früheren Beteiligungsquote des Antragstellers an der Sozietät entsprechenden Ausgleich etwaiger Verpflichtungen der Antragsgegnerin gegenüber ihrem Sozius U. K. wegen dessen Inanspruchnahme durch den Sonderinsolvenzverwalter der B-GmbH auf Rückzahlung einer Insolvenzverwaltervergütung i.H.v. rd. 11,4 Mio. € nebst Zinsen. Der Antragsteller hält das Schiedsverfahren für unzulässig.

Das OLG wies den Antrag des Antragstellers auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens zurück. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat zutreffend angenommen, dass der im Schiedsverfahren geltend gemachte Freistellungsanspruch von der Schiedsvereinbarung des Sozietätsvertrags erfasst wird.

Es handelt sich um eine Streitigkeit zwischen der Sozietät und dem Antragsteller in seiner Eigenschaft als ehemaliger Gesellschafter der Sozietät. Diese Streitigkeit steht im Zusammenhang mit dem Sozietätsvertrag. Der von der Antragsgegnerin geltend gemachte Freistellungsanspruch beruht auf dem früheren gesellschaftsrechtlichen Verhältnis der Parteien. Die Schiedsklausel soll ausdrücklich die in ihr bezeichneten Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Beendigung des Sozietätsvertrags umfassen, so dass auch Streitigkeiten zwischen ausgeschiedenen Sozien wie dem Antragsteller und der Sozietät erfasst werden.

Dieser Auslegung der Schiedsvereinbarung steht nicht entgegen, dass die Parteien nach dem Ausscheiden des Antragstellers aus der Sozietät das Verfahren 2 O 149/13 vor dem LG geführt haben. Das OLG, das die Geltung der Schiedsklausel für die vor dem LG erhobenen Ansprüche stillschweigend unterstellt hat, hat insoweit zu Recht angenommen, durch die einvernehmliche Anrufung eines staatlichen Gerichts wollten die Parteien einer Schiedsvereinbarung deren Geltung regelmäßig allein für den betreffenden Streitgegenstand aufheben. Besondere Umstände, die vorliegend zu einem abweichenden Auslegungsergebnis führen könnten, sind vom Antragsteller nicht dargelegt worden.

Daher liegt es fern, in der einvernehmlichen Durchführung des Verfahrens vor dem LG ein Indiz dafür zu erkennen, dass die Parteien mit dem Antragsteller nach dessen Ausscheiden aus der Sozietät entstandene Streitigkeiten generell von vornherein oder jedenfalls ab einvernehmlicher Verfahrensführung vor dem LG nachträglich von der Schiedsklausel in § 15 des Sozietätsvertrags ausnehmen wollten. Allenfalls könnte ein solcher Parteiwille hinsichtlich von Ansprüchen in Zusammenhang mit der separaten Ausscheidensvereinbarung in Betracht kommen. Der hier in Rede stehende Freistellungsanspruch betrifft dagegen der Sache nach eine nachträgliche Korrektur der Gewinnbeteiligung des Antragstellers für die Zeit seiner Zugehörigkeit zur Sozietät. Er soll der Sozietät in dem Umfang haften, wie er über die Gewinnverteilung an vom Sozius K. erzielten Honoraren beteiligt war, die dieser zurückzahlen musste.

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