App zur Kontaktaufnahme zwischen Taxikunden und Taxifahrern
EuGH v. 3.12.2020 - C-62/19
Der Sachverhalt:
Die rumänische Gesellschaft Star Taxi App SRL betreibt eine Smartphone-App, die eine direkte Verbindung zwischen Taxikunden und Taxifahrern herstellt. Die App ermöglicht eine Suche, die dazu führt, dass eine Liste der für eine Fahrt zur Verfügung stehenden Taxifahrer angezeigt wird. Dem Kunden steht es dann frei, einen der aufgelisteten Fahrer zu wählen. Star Taxi App übermittelt weder die Aufträge an die Taxifahrer, noch legt sie den Fahrpreis fest, der am Ende der Fahrt direkt an den Fahrer entrichtet wird. Im Dezember 2017 erließ der Rat der Stadt Bukarest den Beschluss Nr. 626/2017, mit dem die Pflicht, für die sog. Dispatching-Tätigkeit eine Zulassung einzuholen, auf Betreiber von IT-Anwendungen wie Star Taxi App ausgeweitet wurde. Wegen Verstoßes gegen diese Regelung wurde gegen Star Taxi App eine Geldbuße i.H.v. rd. 900 € verhängt.
Star Taxi App ist der Ansicht, dass ihre Tätigkeit einen Dienst der Informationsgesellschaft darstelle, für den der in der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgesehene Grundsatz der Zulassungsfreiheit gelte. Daher erhob sie beim Landgericht Bukarest Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 626/2017. In diesem Zusammenhang fragt das Landgericht den EuGH, ob eine Dienstleistung, die darin besteht, Taxikunden und Taxifahrer mittels einer elektronischen Anwendung unmittelbar miteinander in Kontakt zu bringen, einen Dienst der Informationsgesellschaft darstellt. Für den Fall, dass diese Frage bejaht wird, möchte es vom EuGH wissen, ob eine Regelung wie der Beschluss Nr. 62E6/2017 mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
Die Gründe:
Eine Dienstleistung, die darin besteht, Taxikunden und Taxifahrer mittels einer elektronischen Anwendung unmittelbar miteinander in Kontakt zu bringen, stellt einen "Dienst der Informationsgesellschaft" dar, wenn sie nicht untrennbar mit dem Taxiverkehrsdienst verbunden und daher kein integraler Bestandteil von ihm ist. Insoweit baut die von Star Taxi App angebotene Dienstleistung auf einem bereits bestehenden und organisierten Taxiverkehrsdienst auf. Zudem wählt der Dienstleister die Taxifahrer nicht aus und legt den Fahrpreis weder fest, noch erhebt er ihn; er kontrolliert auch weder die Qualität der Fahrzeuge und ihrer Fahrer noch das Verhalten der Fahrer. Folglich kann diese Dienstleistung nicht als integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung angesehen werden, die hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung bestünde.
Eine Regelung einer örtlichen Behörde, mit der die Erbringung eines "Dienstes der Informationsgesellschaft" einer Zulassungspflicht unterworfen wird, der andere Anbieter von Taxibestelldiensten bereits unterliegen, stellt keine "technische Vorschrift" i.S.d. Informationsverfahrensrichtlinie 2015/1535 dar. Eine nationale Regelung, die einen "Dienst der Informationsgesellschaft" berührt, wird als "technische Vorschrift" eingestuft, wenn sie speziell auf Dienste der Informationsgesellschaft abzielt und u.a. für die Erbringung des betreffenden Dienstes oder seine Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist. Da aber die rumänische Regelung in keiner Weise auf Dienste der Informationsgesellschaft Bezug nimmt und ohne Differenzierung Dispatching-Dienste aller Art erfasst, gleich ob sie telefonisch oder mit einer IT-Anwendung erbracht werden, stellt sie keine "technische Vorschrift" dar. Daraus folgt, dass die Pflicht, Entwürfe "technischer Vorschriften" vorab der Kommission zu übermitteln, für eine solche Regelung nicht gilt.
Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr steht dem nicht entgegen, dass auf Anbieter eines "Dienstes der Informationsgesellschaft" eine Zulassungspflicht angewandt wird, die bereits für Anbieter von wirtschaftlich äquivalenten, keine Dienste der Informationsgesellschaft darstellenden Dienstleistungen gilt. Die Dienstleistungsrichtlinie 2006/1235 erlaubt es den Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen, die Aufnahme einer Dienstleistungstätigkeit einer Zulassungsregelung zu unterwerfen. Diese Voraussetzungen sind folgende: Die Regelung darf nicht diskriminierend sein, sie muss durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, und das angestrebte Ziel darf nicht mit milderen Mitteln erreicht werden können. Insoweit ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Zulassungsregelung für Taxi-Dispatchingdienste durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Eine Zulassungsregelung beruht jedoch nicht auf Kriterien, die durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, wenn die Erteilung der Zulassung von Anforderungen abhängt, die in technologischer Hinsicht nicht zu der betreffenden Dienstleistung passen.
EuGH PM Nr. 149 vom 3.12.2020
Die rumänische Gesellschaft Star Taxi App SRL betreibt eine Smartphone-App, die eine direkte Verbindung zwischen Taxikunden und Taxifahrern herstellt. Die App ermöglicht eine Suche, die dazu führt, dass eine Liste der für eine Fahrt zur Verfügung stehenden Taxifahrer angezeigt wird. Dem Kunden steht es dann frei, einen der aufgelisteten Fahrer zu wählen. Star Taxi App übermittelt weder die Aufträge an die Taxifahrer, noch legt sie den Fahrpreis fest, der am Ende der Fahrt direkt an den Fahrer entrichtet wird. Im Dezember 2017 erließ der Rat der Stadt Bukarest den Beschluss Nr. 626/2017, mit dem die Pflicht, für die sog. Dispatching-Tätigkeit eine Zulassung einzuholen, auf Betreiber von IT-Anwendungen wie Star Taxi App ausgeweitet wurde. Wegen Verstoßes gegen diese Regelung wurde gegen Star Taxi App eine Geldbuße i.H.v. rd. 900 € verhängt.
Star Taxi App ist der Ansicht, dass ihre Tätigkeit einen Dienst der Informationsgesellschaft darstelle, für den der in der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgesehene Grundsatz der Zulassungsfreiheit gelte. Daher erhob sie beim Landgericht Bukarest Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 626/2017. In diesem Zusammenhang fragt das Landgericht den EuGH, ob eine Dienstleistung, die darin besteht, Taxikunden und Taxifahrer mittels einer elektronischen Anwendung unmittelbar miteinander in Kontakt zu bringen, einen Dienst der Informationsgesellschaft darstellt. Für den Fall, dass diese Frage bejaht wird, möchte es vom EuGH wissen, ob eine Regelung wie der Beschluss Nr. 62E6/2017 mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
Die Gründe:
Eine Dienstleistung, die darin besteht, Taxikunden und Taxifahrer mittels einer elektronischen Anwendung unmittelbar miteinander in Kontakt zu bringen, stellt einen "Dienst der Informationsgesellschaft" dar, wenn sie nicht untrennbar mit dem Taxiverkehrsdienst verbunden und daher kein integraler Bestandteil von ihm ist. Insoweit baut die von Star Taxi App angebotene Dienstleistung auf einem bereits bestehenden und organisierten Taxiverkehrsdienst auf. Zudem wählt der Dienstleister die Taxifahrer nicht aus und legt den Fahrpreis weder fest, noch erhebt er ihn; er kontrolliert auch weder die Qualität der Fahrzeuge und ihrer Fahrer noch das Verhalten der Fahrer. Folglich kann diese Dienstleistung nicht als integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung angesehen werden, die hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung bestünde.
Eine Regelung einer örtlichen Behörde, mit der die Erbringung eines "Dienstes der Informationsgesellschaft" einer Zulassungspflicht unterworfen wird, der andere Anbieter von Taxibestelldiensten bereits unterliegen, stellt keine "technische Vorschrift" i.S.d. Informationsverfahrensrichtlinie 2015/1535 dar. Eine nationale Regelung, die einen "Dienst der Informationsgesellschaft" berührt, wird als "technische Vorschrift" eingestuft, wenn sie speziell auf Dienste der Informationsgesellschaft abzielt und u.a. für die Erbringung des betreffenden Dienstes oder seine Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist. Da aber die rumänische Regelung in keiner Weise auf Dienste der Informationsgesellschaft Bezug nimmt und ohne Differenzierung Dispatching-Dienste aller Art erfasst, gleich ob sie telefonisch oder mit einer IT-Anwendung erbracht werden, stellt sie keine "technische Vorschrift" dar. Daraus folgt, dass die Pflicht, Entwürfe "technischer Vorschriften" vorab der Kommission zu übermitteln, für eine solche Regelung nicht gilt.
Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr steht dem nicht entgegen, dass auf Anbieter eines "Dienstes der Informationsgesellschaft" eine Zulassungspflicht angewandt wird, die bereits für Anbieter von wirtschaftlich äquivalenten, keine Dienste der Informationsgesellschaft darstellenden Dienstleistungen gilt. Die Dienstleistungsrichtlinie 2006/1235 erlaubt es den Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen, die Aufnahme einer Dienstleistungstätigkeit einer Zulassungsregelung zu unterwerfen. Diese Voraussetzungen sind folgende: Die Regelung darf nicht diskriminierend sein, sie muss durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, und das angestrebte Ziel darf nicht mit milderen Mitteln erreicht werden können. Insoweit ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Zulassungsregelung für Taxi-Dispatchingdienste durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Eine Zulassungsregelung beruht jedoch nicht auf Kriterien, die durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, wenn die Erteilung der Zulassung von Anforderungen abhängt, die in technologischer Hinsicht nicht zu der betreffenden Dienstleistung passen.