14.02.2024

Arbeitgeber-Bewertungsportal muss negative Bewertungen löschen

Auch für die Zulässigkeit von Bewertungen in einem Arbeitgeber-Bewertungsportal kommen die vom BGH für die Haftung des Betreibers eines Internet-Bewertungsportals entwickelten Grundsätze vollen Umfangs zum Tragen. Der Bewertete kann die Löschung der Bewertung verlangen, wenn der Portalbetreiber den Bewerter ihm gegenüber nicht so individualisiert, dass er das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes überprüfen kann. Das gilt auch dann, wenn der Portalbetreiber einwendet, aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen diese Individualisierung nicht vornehmen zu dürfen.

OLG Hamburg v. 8.2.2024 - 7 W 11/24
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen mit Ladengeschäft in Hamburg. Sie hat etwa 22 Mitarbeiter. Die Antragsgegnerin betreibt eine große Arbeitgeber-Bewertungsplattform. Darauf befinden sich über 5,3 Mio. Bewertungen zu über 1 Mio. Unternehmen, täglich kommen rund 1.000 neuen Bewertungen zu etwa 500 Unternehmen hinzu. In diese Bewertungsplattform waren im Oktober 2023 fast ausschließlich negative Bewertungen gegenüber der Antragstellerin eingestellt. Diese ließ die Antragsgegnerin auffordern, die Einträge zu löschen.

Zur Begründung hieß es in beiden Schreiben jeweils gleichlautend: "Der genannte Bewerter hat unsere Mandantschaft negativ bewertet. Der Bewerber- und Mitarbeiter-Kontakt zu dem Bewerter wird mit Nichtwissen bestritten, da er nicht zugeordnet werden kann." Die Antragsgegnerin forderte die Antragstellerin auf, mögliche unwahre Tatsachenbehauptungen bzw. Rechtsverletzungen zu substanziieren. Als sie keine weiteren Informationen erhalten hatte, sah sie von einer Löschung der Einträge ab.

Nach Erhalt des dieses Verfahren einleitenden Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wandte sich die Antragsgegnerin an die Nutzer, die die hier beanstandeten Bewertungen abgegeben hatten. Die von diesen erhaltenen Unterlagen, aus denen sich der Nachweis ergeben sollte, dass die Nutzer bei der Antragstellerin beschäftigt gewesen seien, anonymisierte eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin und übersandte der Antragstellerin zum Beleg, dass der Urheber der mit dem Antrag zu a) angegriffenen Bewertung bei der Antragstellerin beschäftigt gewesen sei.

Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es war der Ansicht, dass die Unterlagen ausreichen würden, um eine tatsächliche Mitarbeiterstellung der Rezensenten nachzuweisen, so dass die Übermittlung ungeschwärzter Tätigkeitsnachweise nicht erforderlich gewesen sei. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das OLG den Beschluss abgeändert und die begehrte einstweilige Verfügung erlassen.

Die Gründe:
Der Antragstellerin steht aus § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB und dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG) ein Anspruch auf Unterlassung des weiteren Zugänglichmachens der beanstandeten Bewertungen zu.

Auch für den hier gegebenen Fall kommen die nunmehr vom BGH für die Haftung des Betreibers eines Internet-Bewertungsportals entwickelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 9. 8. 2022, Az. VI ZR 1244/20, NJW 2022, S. 3072 ff.) vollen Umfangs zum Tragen:

Die Antragstellerin ist als Portalbetreiberin mittelbare Störerin hinsichtlich der beanstandeten Bewertungen und haftet als solche nur eingeschränkt. Wird sie mit der Beanstandung eines Betroffenen - die richtig oder falsch sein kann - konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer - d.h. ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung - bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich, unabhängig davon, ob die beanstandete Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil, das auf einer behaupteten Tatsache aufbaut, zu qualifizieren ist. Als hinreichend konkrete Beanstandung des Bewerteten ist es dabei bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs grundsätzlich ausreichend, wenn dieser rügt, dass der Bewertung kein tatsächlicher Kontakt des Bewerters mit seiner Leistung zugrunde liege; diese Rüge darf der Bewertete grundsätzlich so lange aufrechterhalten, bis ihm gegenüber der Bewerter so individualisiert wird, dass er das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes überprüfen kann.

Diese Rüge nicht gegebenen Geschäftskontakts hatte die Antragstellerin hier erhoben. Auch die Erhebung einer Vielzahl von Rügen eines Bewerteten gegen Bewertungen in einem Bewertungsportal, die jeweils darauf gestützt werden, dass ein geschäftlicher Kontakt zwischen dem Bewerter und dem Bewerteten nicht bestanden hat, begründet allein nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. Das gilt auch dann, wenn der Bewertete sich dabei von einer Rechtsanwaltskanzlei vertreten lässt, die offensiv damit wirbt, gegen Zahlung pauschalierter Festhonorare gegen Einträge in Bewertungsportalen vorzugehen.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die Bewerter allerdings nicht so identifizierbar gemacht, dass die Antragstellerin in der Lage wäre, das tatsächliche Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes zu prüfen. Der Bewertete kann die Löschung der Bewertung verlangen, wenn der Portalbetreiber den Bewerter ihm gegenüber nicht so individualisiert, dass er das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes überprüfen kann. Das gilt auch dann, wenn der Portalbetreiber einwendet, aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen diese Individualisierung nicht vornehmen zu dürfen.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Mit AGB gegen Hass im Netz: Kann man Online-Plattformen zwingen, ihre Community Standards durchzusetzen?
Daniel Holznagel, CR 2023, 539

Beratermodul IT-Recht:
Die perfekte Online-Ausstattung für das IT-Recht: Stets auf dem aktuellsten Stand mit den Inhalten aller Ausgaben von Computer und Recht und IT-Rechtsberater sowie den Updates von Redeker, Handbuch der IT-Verträge. Hier das informative Rezensions- und Anwendungsvideo von RA Michael Rohrlich und Marc Oliver Thoma ansehen! Bearbeiten Sie zahlreiche bewährte Formulare mit LAWLIFT! 4 Wochen gratis nutzen!

Beratermodul Datenschutzrecht:
Die perfekte Online-Ausstattung für das Datenschutzrecht (DSGVO/BDSG). Jetzt mit Top-Inhalten zum Datenschutzrecht aus dem C.F. Müller Verlag. Hier das informative Rezensions- und Anwendungsvideo von RA Michael Rohrlich und Marc Oliver Thoma ansehen! Bearbeiten Sie zahlreiche bewährte Formulare mit LAWLIFT! 4 Wochen gratis nutzen!
Landesrecht Hamburg
Zurück