Auch ohne Listenkandidatur: Gewerkschaftsmitglied muss einen Teil der Aufsichtsratstantieme an Gewerkschaftsstiftung abführen
OLG Frankfurt a.M. v. 18.12.2018 - 4 U 86/18Der Beklagte war Mitglied der klagenden Gewerkschaft IG Metall. Nach § 3 der Gewerkschaftssatzung müssen Gewerkschaftsmitglieder, die Funktionen in einem übergeordneten Überwachungs- und Entscheidungsgremium (z.B. als Aufsichtsratsmitglied) wahrnehmen, einen Teil der dafür erhaltenen Vergütung an die gewerkschaftseigene Hans-Böckler-Stiftung abführen. Die Regelung setzt einen Beschluss über die Abführungsregelungen des Bundesausschusses des DGB um.
Der Beklagte war drei Jahre Mitglied im Aufsichtsrat einer GmbH. Für dieses Amt hatte er nicht auf der von der IG Metall aufgestellten Liste kandidiert, sondern eigenständig. Die IG Metall nimmt den Beklagten nun auf Abführung eines Teils der erhaltenen Aufsichtsratsvergütung in Anspruch. Der Beklagte meint, er sei bereits deshalb nicht verpflichtet, einen Teil der Einkünfte abzuführen, da er nicht über eine Liste der Klägerin in den Aufsichtsrat gewählt worden sei. Außerdem hätten die auf der Liste der Gewerkschaft kandidierenden Mitglieder versucht, seine Kandidatur zu verhindern und sich ihm gegenüber rassistisch und beleidigend geäußert.
Das LG gab der Klage statt. Die Berufung des Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Gründe:
§ 3 der Gewerkschaftssatzung enthält eine wirksame Verpflichtung der Mitglieder, einen Teil der erlangten Aufsichtsratstantiemen an die gewerkschaftseigene Stiftung abzuführen. Die Bestimmung setzt entsprechende Beschlüsse des DGB um, zu welchem auch die IG Metall gehört. Das vom Beklagten geschilderte unangemessene Verhalten einzelner Gewerkschaftsmitglieder ihm gegenüber kann der IG Metall nicht in der Weise zugerechnet werden, dass ihre satzungsgemäßen Ansprüche verwirkt wären. Die Vorkommnisse im Vorfeld der Aufsichtsratswahlen widersprechen dem Willen des Gewerkschaftsvorstands und der Satzung. Das Fehlverhalten einzelner Mitglieder rechtfertigt es nicht, dass der Beklagte im Gegenzug ebenfalls nicht die Verpflichtungen der Satzung einhalten muss. Der Beklagte kann sich vielmehr mit den satzungsgemäßen Mitteln oder unter Zuhilfenahme staatlichen Rechtsschutzes gegen das Fehlverhalten einzelner Mitglieder zur Wehr setzen.
Aus Gründen der Gleichbehandlung ist es vielmehr geboten, dass sämtliche Mitglieder der Klägerin mit einem entsprechenden Mandat verpflichtet sind, die in der Richtlinie geregelten Anteile ihrer Bezüge an die Hans-Böckler-Stiftung abzuführen, unabhängig davon, ob ihre jeweilige Kandidatur von der Klägerin unterstützt wurde oder nicht. Mit der Regelung sollen generelle Fehlanreize für eine Kandidatur verhindert werden, da sich andernfalls Gewerkschaftsmitglieder deutlich besser stellen würden, wenn sie sich nicht auf Gewerkschaftslisten setzen oder in sonstiger Weise unterstützen lassen würden. Die Abführungspflicht stellt keine Gegenleistung für die Unterstützung bei der Wahl dar. Es geht vielmehr darum, einerseits zu verhindern, dass sich Kandidaten für den Aufsichtsrat wegen der dort gezahlten Vergütung bewerben und andererseits die Mitbestimmung durch die Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung zu fördern.