Auch Parken stellt "Verwendung eines Fahrzeugs" dar - Kfz-Haftpflichtversicherung muss zahlen
EuGH v. 20.6.2019 - C-100/18
Der Sachverhalt:
Im August 2013 hatte Herr R. sein Neufahrzeug in der Privatgarage eines Hauses geparkt. Das Fahrzeug, mit dem seit mehr als 24 Stunden nicht gefahren worden war, fing Feuer, wodurch Schäden verursacht wurden. Der Brand ging vom Schaltkreis des Autos aus. Herr R. hatte bei der Línea Directa Aseguradora, S.A. (Línea Directa) eine Kfz-Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Das Haus war bei der Segurcaixa, Sociedad Anónima de Seguros y Reaseguros (Segurcaixa) versichert, und der Gesellschaft, in deren Eigentum das Haus stand, wurden rund 44.704 € als Ersatz für die infolge des Fahrzeugbrandes am Haus entstandenen Schäden gezahlt.
Im März 2014 erhob Segurcaixa Klage gegen Línea Directa auf Erstattung der gezahlten Entschädigung, weil der Schadensfall bei einem durch die Kfz-Versicherung gedeckten Ereignis bei der Fahrzeugverwendung entstanden sei. Die Klage von Segurcaixa wurde in erster Instanz abgewiesen. Hingegen wurde Línea Directa im Rechtsmittelverfahren zur Zahlung des von Segurcaixa begehrten Schadensersatzes verurteilt, wobei das zuständige Gericht feststellte, dass ein "Ereignis bei der Fahrzeugverwendung" nach dem spanischen Recht in dem Fall vorliege, "dass ein vorübergehend in einer Privatgarage abgestelltes Fahrzeug in Brand gerät, wenn der Brand ursächlich im Innern des Fahrzeugs selbst, ohne Zutun Dritter, entstanden ist".
Línea Directa legte gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde beim Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) ein. Da das Tribunal Supremo Zweifel in Bezug auf die Auslegung des Begriffs "Verwendung eines Fahrzeugs" i.S.d. Richtlinie über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung hegte, hat es das Verfahren ausgesetzt und die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Der EuGH stellte fest, dass ein Sachverhalt, in dem ein in einer Privatgarage eines Hauses abgestelltes Fahrzeug Feuer fing, durch das ein Brand, dessen Ursache beim Schaltkreis des Fahrzeugs lag, ausgelöst und das Haus beschädigt wurde, unter den Begriff "Verwendung eines Fahrzeugs" zu subsumieren ist, auch wenn das Fahrzeug seit mehr als 24 Stunden vor Brandentstehung nicht bewegt worden war.
Die Gründe:
Der Begriff "Verwendung eines Fahrzeugs" stellt einen autonomen Begriff des Unionsrechts dar, dessen Auslegung nicht dem Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen werden darf. Dabei ist zu beachten, dass das Ziel des Schutzes der Opfer von Unfällen, die durch diese Fahrzeuge verursacht werden, vom Unionsgesetzgeber beständig verfolgt und gestärkt wurde.
Der Begriff "Verwendung eines Fahrzeugs" i.S.d. Richtlinie darf gerade nicht auf Situationen der Verwendung im Straßenverkehr beschränkt werden, sondern muss jede Verwendung eines Fahrzeugs umfassen, die dessen gewöhnlicher Funktion entspricht, insbesondere jede Verwendung eines Fahrzeugs als Beförderungsmittel. Denn zum einen schließt der Umstand, dass das an einem Unfall beteiligte Fahrzeug bei Eintritt des Unfalls stand, für sich allein nicht aus, dass die Verwendung dieses Fahrzeugs zu diesem Zeitpunkt unter seine Funktion als Beförderungsmittel subsumiert werden kann. Zum anderen beschränkt keine Vorschrift der Richtlinie den Umfang der Pflichtversicherung - und des Schutzes, der damit denjenigen gewährt werden soll, die bei durch Kraftfahrzeuge verursachten Unfällen geschädigt wurde sind - auf die Fälle einer Verwendung der Fahrzeuge in einem bestimmten Gelände oder auf bestimmten Straßen.
Infolgedessen kann davon ausgegangen werden, dass es für die Tragweite des Begriffs "Verwendung eines Fahrzeugs" i.S.d. Richtlinie nicht auf die Merkmale des Geländes ankommt, auf dem dieses Fahrzeug verwendet wird, und insbesondere nicht darauf, ob das betroffene Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt steht und sich auf einem Parkplatz befindet. Somit sind das Parken und die Standzeit des Fahrzeugs als natürliche und notwendige Phasen anzusehen, die einen wesentlichen Bestandteil der Verwendung des Fahrzeugs als Beförderungsmittel darstellen. Demnach wird ein Fahrzeug während des Parkens zwischen zwei Fahrten grundsätzlich entsprechend seiner Funktion als Beförderungsmittel verwendet.
Im vorliegenden Fall stellt das Parken eines Fahrzeugs in einer Privatgarage eine der Funktion als Beförderungsmittel entsprechende Verwendung dar. Unerheblich ist, dass das Fahrzeug mehr als 24 Stunden lang in der Garage geparkt war. Schließlich bedeutet das Parken eines Fahrzeugs, dass dieses bis zur nächsten Fahrt, mitunter über einen längeren Zeitraum, stillsteht. Hinsichtlich des Umstands, dass der in Rede stehende Unfall auf einen Brand zurückzuführen ist, der durch den Schaltkreis eines Fahrzeugs verursacht wurde, steht fest, dass das Fahrzeug, von dem der Unfall ausgeht, der Definition von "Fahrzeug" i.S.d. Richtlinie entspricht. Somit ist es nicht notwendig, von den Teilen des Fahrzeugs jenes ausfindig zu machen, von dem der Schaden ausgeht, oder die Funktionen zu bestimmen, die dieses Teil erfüllt.
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EuGH Pm Nr. 80 vom 20.6.2019
Im August 2013 hatte Herr R. sein Neufahrzeug in der Privatgarage eines Hauses geparkt. Das Fahrzeug, mit dem seit mehr als 24 Stunden nicht gefahren worden war, fing Feuer, wodurch Schäden verursacht wurden. Der Brand ging vom Schaltkreis des Autos aus. Herr R. hatte bei der Línea Directa Aseguradora, S.A. (Línea Directa) eine Kfz-Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Das Haus war bei der Segurcaixa, Sociedad Anónima de Seguros y Reaseguros (Segurcaixa) versichert, und der Gesellschaft, in deren Eigentum das Haus stand, wurden rund 44.704 € als Ersatz für die infolge des Fahrzeugbrandes am Haus entstandenen Schäden gezahlt.
Im März 2014 erhob Segurcaixa Klage gegen Línea Directa auf Erstattung der gezahlten Entschädigung, weil der Schadensfall bei einem durch die Kfz-Versicherung gedeckten Ereignis bei der Fahrzeugverwendung entstanden sei. Die Klage von Segurcaixa wurde in erster Instanz abgewiesen. Hingegen wurde Línea Directa im Rechtsmittelverfahren zur Zahlung des von Segurcaixa begehrten Schadensersatzes verurteilt, wobei das zuständige Gericht feststellte, dass ein "Ereignis bei der Fahrzeugverwendung" nach dem spanischen Recht in dem Fall vorliege, "dass ein vorübergehend in einer Privatgarage abgestelltes Fahrzeug in Brand gerät, wenn der Brand ursächlich im Innern des Fahrzeugs selbst, ohne Zutun Dritter, entstanden ist".
Línea Directa legte gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde beim Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) ein. Da das Tribunal Supremo Zweifel in Bezug auf die Auslegung des Begriffs "Verwendung eines Fahrzeugs" i.S.d. Richtlinie über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung hegte, hat es das Verfahren ausgesetzt und die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Der EuGH stellte fest, dass ein Sachverhalt, in dem ein in einer Privatgarage eines Hauses abgestelltes Fahrzeug Feuer fing, durch das ein Brand, dessen Ursache beim Schaltkreis des Fahrzeugs lag, ausgelöst und das Haus beschädigt wurde, unter den Begriff "Verwendung eines Fahrzeugs" zu subsumieren ist, auch wenn das Fahrzeug seit mehr als 24 Stunden vor Brandentstehung nicht bewegt worden war.
Die Gründe:
Der Begriff "Verwendung eines Fahrzeugs" stellt einen autonomen Begriff des Unionsrechts dar, dessen Auslegung nicht dem Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen werden darf. Dabei ist zu beachten, dass das Ziel des Schutzes der Opfer von Unfällen, die durch diese Fahrzeuge verursacht werden, vom Unionsgesetzgeber beständig verfolgt und gestärkt wurde.
Der Begriff "Verwendung eines Fahrzeugs" i.S.d. Richtlinie darf gerade nicht auf Situationen der Verwendung im Straßenverkehr beschränkt werden, sondern muss jede Verwendung eines Fahrzeugs umfassen, die dessen gewöhnlicher Funktion entspricht, insbesondere jede Verwendung eines Fahrzeugs als Beförderungsmittel. Denn zum einen schließt der Umstand, dass das an einem Unfall beteiligte Fahrzeug bei Eintritt des Unfalls stand, für sich allein nicht aus, dass die Verwendung dieses Fahrzeugs zu diesem Zeitpunkt unter seine Funktion als Beförderungsmittel subsumiert werden kann. Zum anderen beschränkt keine Vorschrift der Richtlinie den Umfang der Pflichtversicherung - und des Schutzes, der damit denjenigen gewährt werden soll, die bei durch Kraftfahrzeuge verursachten Unfällen geschädigt wurde sind - auf die Fälle einer Verwendung der Fahrzeuge in einem bestimmten Gelände oder auf bestimmten Straßen.
Infolgedessen kann davon ausgegangen werden, dass es für die Tragweite des Begriffs "Verwendung eines Fahrzeugs" i.S.d. Richtlinie nicht auf die Merkmale des Geländes ankommt, auf dem dieses Fahrzeug verwendet wird, und insbesondere nicht darauf, ob das betroffene Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt steht und sich auf einem Parkplatz befindet. Somit sind das Parken und die Standzeit des Fahrzeugs als natürliche und notwendige Phasen anzusehen, die einen wesentlichen Bestandteil der Verwendung des Fahrzeugs als Beförderungsmittel darstellen. Demnach wird ein Fahrzeug während des Parkens zwischen zwei Fahrten grundsätzlich entsprechend seiner Funktion als Beförderungsmittel verwendet.
Im vorliegenden Fall stellt das Parken eines Fahrzeugs in einer Privatgarage eine der Funktion als Beförderungsmittel entsprechende Verwendung dar. Unerheblich ist, dass das Fahrzeug mehr als 24 Stunden lang in der Garage geparkt war. Schließlich bedeutet das Parken eines Fahrzeugs, dass dieses bis zur nächsten Fahrt, mitunter über einen längeren Zeitraum, stillsteht. Hinsichtlich des Umstands, dass der in Rede stehende Unfall auf einen Brand zurückzuführen ist, der durch den Schaltkreis eines Fahrzeugs verursacht wurde, steht fest, dass das Fahrzeug, von dem der Unfall ausgeht, der Definition von "Fahrzeug" i.S.d. Richtlinie entspricht. Somit ist es nicht notwendig, von den Teilen des Fahrzeugs jenes ausfindig zu machen, von dem der Schaden ausgeht, oder die Funktionen zu bestimmen, die dieses Teil erfüllt.
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