Auch vereinfachte und nicht lesbare Namenszüge können als Unterschrift anerkannt werden
BGH 3.3.2015, VI ZB 71/14Der Kläger hatte von der Beklagten Schadensersatz für seine Verluste aus Börsentermingeschäften verlangt. Das in erster Instanz ergangene Urteil des LG wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 5.12.2012 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 6.12.2012 legte dieser dagegen Berufung ein, die er innerhalb der Frist begründete. In der Berufungserwiderung rügte der Kläger u.a., dass sowohl die Berufungsschrift als auch die Berufungsbegründung nicht ordnungsgemäß unterschrieben worden seien.
Das Berufungsgericht wies die Beklagte darauf hin, dass fraglich erscheine, ob die Zeichen unter der Berufungs- und der Berufungsbegründungsschrift eine Unterschrift darstellten. Die Beklagte beantragte deshalb vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist. Das OLG verwarf die Berufung und den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten. Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten hob der BGH den Beschluss des OLG auf und wies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Gründe:
Eine den Anforderungen des § 130 Nr. 6 ZPO genügende Unterschrift setzt nach BGH-Rechtsprechung einen die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzug voraus, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, der sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und der die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist. Somit kann selbst ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein, wobei insbesondere von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt. Dabei ist in Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, jedenfalls bei gesicherter Urheberschaft ein großzügiger Maßstab anzulegen.
Gemessen an diesen Grundsätzen handelte es sich bei dem Schriftzug im vorliegenden Fall um eine Unterschrift i.S.d. § 130 Nr. 6 ZPO. Das Berufungsgericht war zwar an sich von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen; es hatte aber die Anforderungen an die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf der Berufungsschrift überspannt. Die Urheberschaft des Prozessbevollmächtigten der Beklagten wurde zudem durch die maschinenschriftliche Namenswiedergabe nebst Berufsbezeichnung bestätigt.
Ist ein Schriftzug so oder geringfügig abweichend allgemein von den Gerichten über längere Zeit als in sehr verkürzter Weise geleistete Unterschrift unbeanstandet geblieben, darf der Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass die Unterschrift den in der Rechtsprechung anerkannten Anforderungen entspricht. Will das Gericht die über längere Zeit nicht beanstandete Form der Unterschrift nicht mehr hinnehmen, gebietet der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz über den Anspruch auf faire Verfahrensgestaltung hinaus gegenüber dem Rechtsanwalt eine Vorwarnung.
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