28.03.2023

Aus Unionsgründen konzessionsloses Wettbüro haftet nicht für verlorene Sportwetteinsätze

Wurde einem Wettbüro im Hinblick auf unionsrechtliche Bedenken gegen die Regelungen über die Erteilung von Konzessionen zur Veranstaltung von Sportwetten keine Konzession erteilt, obwohl es sich darum bemüht hat, kann das konzessionslos handelnde Wettbüro nicht sanktioniert werden. Schließt eine Privatperson mit einem solchen Wettbüro Sportwetten ab, sind diese nicht wegen Gesetzesverstoß nichtig; das Wettbüro ist in diesem Fall nicht zur Rückzahlung verlorener Wetteinsätze verpflichtet.

OLG Frankfurt a.M. v. 19.1.2023 - 8 U 102/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt das beklagte Wettbüro auf Rückzahlung verlorener Sportwetten in Anspruch. Er hatte von 2018 bis 2020 in Wettbüros der Beklagten und über deren deutschsprachige Webseiten Sportwetten abgeschlossen. Die Onlinewetten tätigte er von zu Hause über sein Smartphone, dabei tätigte er Einsätze im Internet i.H.v. über 40.000 €. Dem stehen Auszahlungen von knapp 5.000 € gegenüber.

Die Beklagte verfügte in der streitgegenständlichen Zeit nicht über eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten. Sie hatte zwar eine Konzession beantragt, und das VG Wiesbaden hatte die zuständige Behörde auch zur Erteilung verpflichtet. Das Verfahren war aber aufgrund unionsrechtlicher Bedenken zwischenzeitlich gestoppt worden. Mittlerweile verfügt die Beklagte über eine Konzession.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG wies den Kläger darauf hin, dass seine Berufung voraussichtlich keinen Erfolg haben werde. Daraufhin nahm der Kläger seine Berufung zurück.

Die Gründe:
Der zwischen den Parteien geschlossene Wettvertrag ist nicht wegen eines Gesetzesverstoßes des konzessionslos handelnden Wettbüros nichtig. Ein Mitgliedstaat darf keine strafrechtlichen Sanktionen für ein Verhalten verhängen, mit dem der Betroffene verwaltungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt, die gegen Unionsrecht verstoßen. So ist es hier. Die damals geltenden Regelungen nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2012 zur Konzessionserteilung für die Veranstaltung von Sportwetten waren intransparent und verstießen deshalb gegen Unionsrecht.

Im Hinblick auf die Unionswidrigkeit der damals geltenden Bestimmungen zur Konzessionserlangung darf die Beklagte weder strafrechtlich noch verwaltungsrechtlich sanktioniert werden. Die fehlende Konzession wirkt sich dann auch nicht auf die Wirksamkeit der Wettverträge mit dem Kläger aus. Dies gebietet der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung. Ist eine öffentlich-rechtliche Verbotsnorm (hier das Verbot der Veranstaltung von Glücksspielen ohne Konzession) im Ausnahmefall wegen Verstoßes gegen übergeordnetes Unionsrecht nicht wirksam, bleibt auch der privatrechtliche Vertrag (hier zwischen dem Wettbüro und dem Kläger) wirksam.

Dabei dürfen sich allerdings nur solche Anbieter auf die Unionswidrigkeit berufen, die - wie hier das beklagte Wettbüro - alles unternommen haben, um eine Sportwetten-Konzession zu erlangen. Insoweit hat das LG entgegen der Auffassung des Klägers gerade nicht der Beklagten indirekt jedes Glücksspielangebot ohne Grenzen zugesprochen. Die Entscheidung überträgt allein die Folgen der der gerichtlich festgestellten Rechtswidrigkeit des damaligen Konzessionsverfahrens konsequent auf das Privatrecht.

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OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 19 vom 28.3.2023
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