04.06.2018

Ausgleichsanspruch wegen großer Verspätung eines Fluges bei Zwischenlandung außerhalb der EU und Wechsel des Fluggerätes

Ein Ausgleichsanspruch wegen großer Verspätung eines Fluges besteht auch bei Flügen mit Anschlussflügen in einen Drittstaat mit Zwischenlandung außerhalb der EU. Ein Wechsel des Fluggeräts bei der Zwischenlandung ändert nichts daran, dass zwei oder mehr Flüge, die Gegenstand einer einzigen Buchung waren, als ein einziger Flug mit Anschlussflügen anzusehen sind.

EuGH 31.5.2018, C-537/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin buchte bei der beklagten Royal Air Maroc einen Flug von Berlin nach Agadir (Marokko) mit Zwischenlandung und Umsteigen in Casablanca (Marokko). Als sie sich in Casablanca am Flugsteig der Maschine nach Agadir einfand, verweigerte ihr Royal Air Maroc die Beförderung mit der Begründung, dass ihr Sitzplatz anderweitig vergeben worden sei. Die Klägerin flog schließlich mit einer anderen Maschine der Royal Air Maroc und erreichte Agadir vier Stunden später als ursprünglich vorgesehen.

Die Klägerin begehrt eine Ausgleichsleistung wegen dieser Verspätung. Royal Air Maroc lehnt eine Leistung jedoch ab, weil Frau Wegener keinen Ausgleichsanspruch nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über die Rechte von Fluggästen habe.

Tatsächlich gilt diese Verordnung nicht für Flüge, die vollständig außerhalb der EU erfolgen. Da die Flughäfen von Casablanca und Agadir in Marokko liegen, hängt die Anwendbarkeit der Verordnung davon ob, ob die beiden Flüge (Berlin - Casablanca und Casablanca - Agadir), die Gegenstand einer einzigen Buchung waren, als ein einziger Flug (mit Anschlussflug) mit Abflugsort in einem Mitgliedstaat (Deutschland) anzusehen sind oder ob sie getrennt zu betrachten sind. In diesem Fall fiele der Flug von Casablanca nach Agadir nicht unter die Verordnung.

Das LG Berlin, das mit der Klage der Klägerin befasst ist, setzte das Verfahren aus und bat den EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens um Auslegung der Verordnung.

Die Gründe:
Die Verordnung gilt für eine Fluggastbeförderung, die aufgrund einer einzigen Buchung erfolgt und zwischen dem Abflug von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats (Berlin) und der Ankunft auf einem Flughafen im Gebiet eines Drittstaats (Agadir) eine planmäßige Zwischenlandung außerhalb der Union (Casablanca) mit einem Wechsel des Fluggeräts umfasst.

Aus der Verordnung und der Rechtsprechung (EuGH 26.2.2013, C-11/11) geht hervor, dass zwei (oder mehr) Flüge, die wie im vorliegenden Fall Gegenstand einer einzigen Buchung waren, in Bezug auf den Ausgleichsanspruch von Fluggästen eine Gesamtheit darstellen. Diese Flüge sind somit als ein und derselbe Flug mit Anschlussflügen anzusehen.

Auf diese Einstufung wirkt sich nicht aus, wenn bei einem Flug mit Anschlussflügen das Fluggerät gewechselt wird. Die Verordnung enthält nämlich keine Bestimmungen, wonach die Einstufung als Flug mit Anschlussflügen davon abhängt, dass alle Flüge, die der Flug umfasst, mit demselben Fluggerät erfolgen. Ein Beförderungsvorgang wie der im vorliegenden Fall ist demnach insgesamt als ein einziger Flug mit Anschlussflügen zu betrachten und unterliegt somit der Verordnung.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 77 vom 31.5.2018
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