10.06.2015

Auskunftsansprüche der Gemeinden gegenüber bisherigen Gasversorger sind umfassend

Auskunftsansprüche der Gemeinden gegenüber ihren bisherigen Nutzungsberechtigten (hier: Gasnetz Springe) nach § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG umfassen auch Angaben zu den kalkulatorischen Restwerten und den kalkulatorischen Nutzungsdauern für sämtliche Anlagen des zu überlassenden Versorgungsnetzes. Die Bewerber um einen neuen Konzessionsvertrag müssen somit in die Lage versetzt werden, den wirtschaftlichen Wert des Energienetzes bestimmen zu können.

BGH 14.4.2015, EnZR 11/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin schloss mit der Beklagten im Juni 1989 einen Konzessionsvertrag über die Gasversorgung in ihrem Stadtgebiet abgeschlossen. Dieser sollte bis 2014 laufen. Zur Vorbereitung der Neuvergabe des Konzessionsvertrags verlangte die Klägerin von der Beklagten Ende 2009 die Mitteilung bestimmter Informationen über das Gasnetz, insbesondere Angaben zu kalkulatorischen Restwerten.

Die Beklagte weigerte sich, diese Informationen zu erteilen. Auf die Auskunftsklage der Klägerin wurde die Beklagte vom LG antragsgemäß verurteilt, der Klägerin für sämtliche Anlagen, die in dem Mengengerüst der Beklagten mit Stand zum 31.12.2011 ("Gasnetz Springe Gesamtübersicht") aufgeführt waren, Folgendes mitzuteilen:

  • die im jeweiligen Zeitpunkt ihrer Errichtung erstmals aktivierten Anschaffungs- und Herstellungskosten (historische Anschaffungs- und Herstellungskosten) sowie das Jahr der Aktivierung,
  • die der letzten Bestimmung des Ausgangsniveaus der Beklagten nach § 21a EnWG i.V.m. § 6 Abs. 1 ARegV zugrunde liegenden kalkulatorischen Restwerte nach §§ 6, 32 GasNEV,
  • die der letzten Bestimmung des Ausgangsniveaus der Beklagten nach § 21a EnWG i.V.m. § 6 Abs. 1 ARegV zugrunde liegenden kalkulatorischen Nutzungsdauern für die laufende Abschreibung nach § 6 GasNEV sowie
  • die kalkulatorischen Restwerte mit Stand zum 31.12.2011.

Berufung und Revision der Beklagten blieben erfolglos.

Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf die begehrte Auskunft aus § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG zu.

Der Informationsanspruch der Gemeinde gegenüber dem bisherigen Netzbetreiber umfasst bereits im Verfahrensstadium der Neuvergabe von Konzessionsverträgen insbesondere Angaben zu den kalkulatorischen Restwerten und kalkulatorischen Nutzungsdauern. Das entspricht der zu dieser Vorschrift in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung.

Die Frage, welche Daten im Einzelnen von dem Informationsanspruch des § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG umfasst sind, wird durch den Wortlaut der Vorschrift nicht eindeutig beantwortet, wenngleich er nahe legt, dass auch kalkulatorische Netzdaten unter den Auskunftsanspruch fallen. Nach dieser Vorschrift hat der bisherige Nutzungsberechtigte der Gemeinde diejenigen Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation des Netzes zur Verfügung zu stellen, die für eine Bewertung des Netzes im Rahmen einer Bewerbung um den Abschluss eines neuen Konzessionsvertrags erforderlich sind. Die Bewerber um einen neuen Konzessionsvertrag müssen somit in die Lage versetzt werden, den wirtschaftlichen Wert des Energienetzes bestimmen zu können.

Dagegen spricht nicht, dass die Daten gem. § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG in geeigneter Form zu veröffentlichen sind. Daraus ergibt sich insbesondere nicht, dass die Auskunftspflicht in § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG nicht auf vertrauliche Kalkulationsdaten des bisherigen Nutzungsberechtigten gerichtet sein kann. Soweit es der Schutz des Geschäftsgeheimnisses gebietet, führt dies lediglich dazu, dass die Daten nicht allgemein zugänglich gemacht, sondern lediglich den Bietern zur Verfügung gestellt werden dürfen. Die Einfügung des S. 4 in § 46 Abs. 2 EnWG durch das Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 26.7.2011 sollte den Informationsanspruch der Gemeinde gegenüber dem aktuellen Netzbetreiber anlässlich des Auslaufens eines Konzessionsvertrags ausdrücklich gesetzlich verankern, nachdem dieser Informationsanspruch, obwohl er sich auch aus dem Konzessionsvertrag als ungeschriebene Nebenpflicht ableiten lässt, in der Praxis von Netzbetreibern häufig bestritten worden war.

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